Heeresmunitionsanstalt Feucht
Die Heeresmunitionsanstalt Feucht war eine Munitionsanstalt (kurz auch Muna) des Heeres der Wehrmacht in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie wurde im Rahmen der Aufrüstung der Wehrmacht in den 1930er Jahren südlich von Nürnberg bei Feucht angelegt.
Lage
Das ursprünglich 22,4 Hektar umfassende Areal liegt 2 km westlich von Feucht im Flurstück Le(h)mgruben und dem Quellgebiet des Ochsengrabens, einem rechten Zuflusses des Gauchsbaches. Dieser entwässert den südlichen Lorenzer Reichswald aus einer Höhe von 365 bis 369 m ü. NN zur Schwarzach hin.[1]
Geschichte
Das Gelände wurde ab 1934 erschlossen. Es fand dort unter anderem die Fertigung von Granaten für den 42-cm-Mörser Dicke Bertha, sowie der Sprengköpfe für die Rakete Aggregat 4 (kurz A4, Propagandabezeichnung V2) und ab 1944 der Kanone V3 (Hochdruckpumpe) statt. Auch Kampfgasgranaten wurden dort gefertigt.[2] Die weitläufigen, teilverbunkerten militärischen Fertigungsstätten verfügten auch über drei Flaktürme, Löschwasserteiche, Kantine, eine autarke Stromversorgung und einen eigenen zweispurigen Gleisanschluss zur Güter- und Personenbeförderung, der von der Bahnstrecke Feucht–Wendelstein abzweigte.[3]
Ab 1944 wurde zusätzlich ein Kriegsgefangenenlager mit vier 50 Meter langen Baracken errichtet. Diese befanden sich hinter dem Löschwasserteich links von der Straße die zum Bogenschießstand führt. 32 sowjetische und zwei polnische Kriegsgefangene starben beim Arbeitseinsatz in der Munitionsanstalt und wurden in Feucht an der Friedhofsmauer begraben. Im vorderen Bogenschießgelände, das bis 1960 noch eine Sandgrube war, wurden während dessen Bau in den 1960er Jahren weitere Gebeine von Kriegsgefangenen aus den letzten Kriegsmonaten ergraben, aber nicht mehr geborgen. Noch kurz vor Kriegsende wurden ca. 18 Tonnen Sprühkanister mit dem Kampfstoff LOST dort eingelagert.[2]
Nach der Einnahme der Heeresmunitionsanstalt Feucht am 17. April 1945 durch Soldaten der 7. US-Armee sammelten die Amerikaner dort Wehrmacht-Bestände beispielsweise aus Munitionszügen vom Nürnberger Rangierbahnhof und große Mengen von Beutemunition anderer Standorte. Die Muna wurde in Ammo Collecting Point Feucht umbenannt. Am 4. Mai 1946 geriet in dem Komplex ein Feuer außer Kontrolle und griff auf einen Güterzug über. In einer Kettenreaktion explodierten hierbei die gesammelten Munitionsreste (20.000–30.000 Tonnen)[4] einschließlich der gesamten Ladung des Güterzuges. Der Zug war mit 300 Gefechtsköpfen der Aggregat-4-Rakete beladen, von denen jeder 738 kg Amatol enthielt. Etwa die Hälfte der 130 Gebäude und alle Gleisanlagen wurden völlig zerstört. Die Bevölkerung der Nachbarorte wurde vorsorglich evakuiert, sodass es außer den erheblichen Sachschäden keine weiteren Opfer zu beklagen gab. Im April 1948 wurden auf Weisung der Besatzungsmacht alle noch intakten Munitionsbunker bis auf fünf gesprengt. Das Gelände wurde zunächst verlassen und verblieb als unbewachtes militärisches Sperrgebiet.
Das ehemalige Muna-Gelände wurde in den 1960er Jahren dann als Treibstofflager für den unmittelbar nördlich erbauten Hubschrauberstützpunkt Feucht Army Airfield genutzt. Nach dem Abzug der US-Armee und der Rückgabe des Geländes an die Bundesrepublik Deutschland wurde dieses von 2002 bis 2004 zu einem Gewerbepark umgewidmet.[5] Die Gleisanlagen wurden ab 1961 zurückgebaut und teilweise renaturiert.[3]
In den frühen 1970er Jahren war die Umwidmung des Geländes zum Truppenübungsplatz angedacht, was durch die Proteste der dazumal noch unabhängigen Anliegergemeinden Fischbach, Feucht und Röthenbach bei St. Wolfgang verhindert wurde.[6]
Der Boden der im westlichen und südlichen Teil gelegenen, von der US-Armee als FASA und Nato Site 23 bezeichneten, Giftmülldeponie der Muna wurde mit seinen Rüstungsaltlasten seit 2006 mit Beton versiegelt.[7] Diese wurde anstatt einer Bodensanierung durchgeführt. Das Risiko, die Altlasten ganz aus dem Boden zu entfernen und hierbei die Atmosphäre zu belasten, wurde als zu hoch eingeschätzt, da die Munition teils mit Giftgas bestückt ist. Zum Grundwasser hin ist das Gebiet durch eine wasserundurchlässige Tonschicht abgegrenzt.[8]
Gegenwart
Heute dient das Muna-Gelände nur noch dem Kampfmittelräumdienst Nordbayern bei Bedarf und Gelegenheit als Stützpunkt. Es werden keine Besichtigungsmöglichkeiten oder Führungen angeboten, jedoch wurde im Museum für historische Wehrtechnik 2006 eine Dauerausstellung eingerichtet, die über die Muna informiert. Das unerlaubte Betreten des eingezäunten Gebietes ist seit 2003 mit einer Strafe von bis zu 1000 € belegt.[9]
Eine der ehemals auf dem Gelände eingesetzten Rangierdiesellokomotiven der Baureihe V 36 blieb über die Jahrzehnte erhalten und befindet sich seit 1998 im Eisenbahnmuseum Darmstadt. 2004 kam sie zur Aufarbeitung und befindet sich heute in gepflegtem rollfähigen Zustand.[10][11]
Seit dem Hitzesommer 2019 werden Stimmen lauter, die eine vollständige Entmilitarisierung und nachhaltige Sanierung mit anschließender Wiederaufforstung des Geländes fordern. Ein Waldbrand könnte dort wegen der Explosionsgefahr von Rüstungsaltlasten nicht konventionell bekämpft werden.[8]
Im Februar 2021 gab die Deutsche Bahn bekannt, dass sie dieses Gelände neben anderen Standorten im Großraum Nürnberg als möglichen Platz für ein ICE-Instandhaltungwerk prüft.[12]
Fußnoten und Einzelnachweise
- ↑ Lage der Muna Feucht auf Bayernatlas-Klassik
- ↑ a b Pressebericht N-Land
- ↑ a b Gleisanschuß der Muna Feucht
- ↑ Vortrag TH-Nürnberg zur Sanierung des Muna-Geländes (Memento vom 22. November 2015 im Internet Archive)
- ↑ http://www.wehrtechnikmuseum.de/Exponate/Sonderausstellungen/Muna_Feucht/muna_feucht.html
- ↑ Pressebericht Nordbayern.de vom 3. Juni 1971
- ↑ http://www.konrad-rupprecht.de/jahresschluss2006.htm
- ↑ a b Kreisverband Feucht
- ↑ Verordnung der Stadt Feucht zur Muna (Memento vom 22. November 2015 im Internet Archive)
- ↑ Diesellok, ehemals MUNA Feucht
- ↑ Diesellok der Heeres-Muna Feucht, Fahrzeugporträt
- ↑ Künftiges ICE-Werk auf dem Muna-Gelände? Abgerufen am 11. Februar 2021.
Weblinks
Koordinaten: 49° 22′ 53,5″ N, 11° 10′ 57″ O