Heide Göttner-Abendroth

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„Göttin-Heros-Struktur“ nach Heide Göttner-Abendroth:
die Mondphasen repräsentieren die Dreifaltigkeit der weiblichen Aspekte, die Sonne den männlichen Heros

Heide Göttner-Abendroth (* 8. Februar 1941 in Langewiesen)[1] ist eine deutsche Matriarchatsforscherin.

Leben und Werk

Sie promovierte 1973 an der Universität München in Philosophie und Wissenschaftstheorie über die „Logik der Interpretation“. Nach eigenen Angaben lehrte sie dort als Lehrbeauftragte zehn Jahre Philosophie und publizierte eine weitere wissenschaftstheoretische Arbeit. 1980 hatte sie eine Gastprofessur in Montreal, 1992 in Innsbruck.[2]

Nach ihren ersten Büchern Die Göttin und ihr Heros und Die tanzende Göttin sowie dem Hauptwerk Das Matriarchat bezeichnet sie sich selbst als Begründerin der „modernen Matriarchatsforschung“,[3] die sie auf nationaler und internationaler Ebene vertritt.

1986 gründete Göttner-Abendroth die private Bildungsstätte HAGIA – Internationale Akademie für Moderne Matriarchatsforschung und Matriarchale Spiritualität[4] und leitet sie seither.

Nach eigenen Angaben organisierte und leitete sie 2003 den ersten „Weltkongress für Matriarchatsforschung“ in Luxemburg, im Herbst 2005 den zweiten in San Marcos (Texas)[5] und im Mai 2011 den dritten „Kongress für Matriarchatsforschung und Matriarchatspolitik“ in St. Gallen (Schweiz).[6]

Rezeption

Sowohl die Wissenschaftlichkeit der Arbeit von Göttner-Abendroth[7][8] als auch die Strukturen innerhalb von HAGIA werden in Frage gestellt.[9] Die Vorstellungen Göttner-Abendroths würden auf Ansichten zu frühgeschichtlichen Zuständen beruhen, die in der Wissenschaft längst überholt seien. Die von ihr gemachten Aussagen über das Matriarchat seien zudem nicht falsifizierbar und damit wissenschaftlichen Zugriffen entzogen. Sie seien, so der Schweizer Religionswissenschaftler Christoph Uehlinger 2011, „in gewisser Weise vergleichbar mit Positionen der Anthropo- und der Theosophie und anderer neureligiöser Bewegungen, die Neo-Mythologie mit wissenschaftlichem Anspruch verbinden“.[10]

Schriften

Monografien

  • Logik der Interpretation. Analyse einer literaturwissenschaftlichen Methode unter kritischer Betrachtung der Hermeneutik. Fink, München 1973, OCLC 735501.
  • mit Joachim Jacobs: Der logische Bau von Literaturtheorien. Fink, München 1978, ISBN 3-7705-1339-8.
  • Die Göttin und ihr Heros. Die matriarchalen Religionen in Mythen, Märchen, Dichtung. Frauenoffensive, München 1980; erw. Neuausgabe: Kohlhammer, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-17-021732-4.
  • Die tanzende Göttin. Prinzipien einer matriarchalen Ästhetik. Frauenoffensive, München 1982; 6., vollst. überarb. A. ebd. 2001, ISBN 3-88104-344-6.
  • Das Matriarchat I. Geschichte seiner Erforschung. Kohlhammer, Stuttgart 1988; 4. A. ebd. 2010, ISBN 978-3-17-021522-1.
  • Für die Musen. Neun Essays. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1988, OCLC 24823975.
  • Matriarchat in Südchina. Eine Forschungsreise zu den Mosuo. Kohlhammer, Stuttgart 1998, ISBN 3-17-014006-X.
  • Das Matriarchat II/1. Stammesgesellschaften in Ostasien, Indonesien, Ozeanien. Kohlhammer, Stuttgart 1991; 2., erg. A. ebd. 1999, ISBN 3-17-014995-4.
  • Für Brigida, Göttin der Inspiration. Neun patriarchatskritische Essays und Thesen zum Matriarchat. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-86150-263-1.
  • Das Matriarchat II/2. Stammesgesellschaften in Amerika, Indien, Afrika. Kohlhammer, Stuttgart 2000, ISBN 3-17-010568-X.
  • Inanna, Gilgamesch, Isis, Rhea. Die großen Göttinnenmythen Sumers, Ägyptens und Griechenlands. Helmer, Königstein im Taunus 2004, ISBN 3-89741-158-X.
  • Fee Morgane – der Heilige Gral. Die großen Göttinnenmythen des keltischen Raumes. Helmer, Königstein im Taunus 2005, ISBN 3-89741-166-0.
  • Frau Holle – das Feenvolk der Dolomiten. Die großen Göttinnenmythen Mitteleuropas und der Alpen. Helmer, Königstein im Taunus 2005, ISBN 3-89741-167-9.
  • Der Weg zu einer egalitären Gesellschaft. Prinzipien und Praxis der Matriarchatspolitik. Drachen, Klein Jasedow 2008, ISBN 978-3-927369-33-7.
  • Matriarchale Landschaftsmythologie. Stuttgart 2014. Kohlhammer. ISBN 978-3-17-022336-3.
  • Geschichte matriarchaler Gesellschaften und Entstehung des Patriarchats: Band III: Westasien und Europa (Das Matriarchat). Kohlhammer, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-17-029630-5.

Als Herausgeberin und Aufsätze

  • mit Rüdiger Lutz: Frauen-Zukünfte: Ganzheitliche feministische Ansätze, Erfahrungen und Lebenskonzepte. Beltz, Weinheim 1984, ISBN 3-407-85045-X.
  • mit Kurt Derungs: Matriarchate als herrschaftsfreie Gesellschaften. Edition Amalia, Bern 1997, ISBN 3-905581-01-9.
  • mit Kurt Derungs: Mythologische Landschaft Deutschland. Edition Amalia, Bern 1999, ISBN 3-905581-04-3.
  • mit C. v. Werlhof, C. Meier-Seethaler, Christa Mulack u. a.: Die Diskriminierung der Matriarchatsforschung: Eine moderne Hexenjagd. Edition Amalia, Bern 2003, ISBN 978-3-905581-21-8.
  • Gesellschaft in Balance: Gender, Gleichheit, Konsens, Kultur in matrilinearen, matrifokalen, matriarchalen Gesellschaften. Dokumentation des 1. Weltkongresses für Matriarchatsforschung 2003 in Luxemburg. Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 3-17-018603-5.
  • mit Marit Rullmann, Annegret Stopczyk: Was Philosophinnen über die Göttin denken. Göttert, Rüsselsheim 2007, ISBN 978-3-939623-00-7.
  • Societies of Peace: Matriarchies Past Present and Future. Inanna, Toronto 2009, ISBN 978-0-9782233-5-9 (englisch).

Lyrik

  • Landschaften aus der Gegenwelt. Gedichte 1976–1982. Edition Hagia, Winzer 1982, ISBN 3-9802898-1-8.
  • Magier-Frau. Gedichte 1977–1989. Edition Hagia, Winzer 1992, ISBN 3-9802898-2-6.

Literatur

  • Stefanie Knauß: Heide Göttner-Abendroth (geb. 1941). Eine kritische Vorstellung der Klassikerin der Matriarchatsforschung. In: Anna-Katharina Höpflinger u. a. (Hrsg.): Handbuch Gender und Religion. Vandenhoeck & Ruprecht, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-525-03623-5, S. 95–106 (Leseprobe auf libreka.de).
  • Gudrun Seidenauer: Am Anfang die Mütter – Heide Göttner-Abendroth. In: Birgit Buchinger, Renate Böhm, Ela Großmann (Hrsg.): Kämpferinnen. Mandelbaum, Wien 2021, ISBN 978-3-85476-984-2, S. 117–136.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eintrag: Autor/in: Göttner-Abendroth, Heide. In: Thueringer-Literaturrat.de. Abgerufen am 27. Juli 2021.
  2. Heide Göttner-Abendroth: Biographisches. In: Goettner-Abendroth.de. Abgerufen am 27. Juli 2021.
  3. Die Direktorinnen der Internationalen Akademie Hagia: Heide Göttner-Abendroth. (Memento vom 3. September 2011 im Internet Archive) In: Hagia.de. 2009, abgerufen am 27. Juli 2021.
  4. Hagia: Offizielle Website. Abgerufen am 27. Juli 2021.
  5. Heider Göttner-Abendroth: Matriarchat. In: Ruth Becker, Beate Kortendiek (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. 3., erweiterte Auflage. Springer VS, 2010, ISBN 978-3-531-17170-8, S. 27.
  6. Katharina Bracher: Steuergelder zum Wohl des Matriarchats. In: NZZ.ch. 8. Mai 2011, abgerufen am 27. Juli 2021.
  7. Stefanie Knauß: Heide Göttner-Abendroth (geb. 1941). Eine kritische Vorstellung der Klassikerin der Matriarchatforschung. In: A.-K. Höpflinger, A. Jeffers, D. Pezzoli-Olgiati (Hrsg.): Handbuch Gender und Religion. UTB/Vandenhoeck & Ruprecht, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8252-3062-3, S. 99/100.
  8. Meret Fehlmann: Die Rede vom Matriarchat: Zur Gebrauchsgeschichte eines Arguments. Chronos, Zürich 2011, S. 131–133.
  9. Helmut Birkhan: Nachantike Keltenrezeption. Praesens, Wien 2009, ISBN 978-3-7069-0541-1, S. 590/591.
  10. Rolf App: Verlorene Paradiese. (Memento vom 27. August 2014 im Internet Archive) In: St. Galler Tagblatt. 12. Mai 2011, abgerufen am 27. Juli 2019 (Christoph Uehlinger ist Ordentlicher Professor für Allgemeine Religionsgeschichte und Religionswissenschaft an der Universität Zürich, siehe Religionswissenschaftliches Seminar, Uni Zürich).