Heilandskirche (Graz)

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Die Heilandskirche im Sommer 2008

Die Heilandskirche ist eine der fünf evangelischen Kirchen in der steirischen Landeshauptstadt Graz. Sie ist Pfarrkirche der evangelischen Pfarrgemeinde A.u.H.B. Graz-Heilandskirche. Die Kirche wurde in der Zeit des Biedermeier im historistischen Stil erbaut. Sie befindet sich am Kaiser-Josef-Platz im 2. Grazer Bezirk St. Leonhard.

Sie ist die Hauptkirche der Evangelischen Superintendentur A. B. Steiermark.

Geschichte

1824 wurde nach dem Toleranzpatent von Kaiser Joseph II. ein erstes evangelisches Bethaus am ehemaligen Holzplatz außerhalb der befestigten Grazer Altstadt errichtet. Vorher hatte es nach geltender Vorschrift mit etwa 270 Gläubigen zu wenige gegeben, um eine eigene Gemeinde zu gründen. Die Grazer Gemeinde war offiziell eine Dependance (Filiale) der Pfarrgemeinde Wald am Schoberpaß und war in die Augustinerkirche (heute Stiegenkirche) eingemietet. Entsprechend den Vorschriften des Toleranzpatents musste das neue, mit einem Schul- und Pfarrhaus verbundene Bethaus nach außen hin wie ein gewöhnliches Wohngebäude wirken und war daher in der Art eines Biedermeier-Wohnhauses angelegt. Es umfasste den Betraum, Wohnungen für den Pfarrer, den Kirchendiener, den Lehrer und ein Schulzimmer, die spätere Evangelische Mädchenschule, das heutige Martin Luther-Haus.[1]

Erst nach der Revolution von 1848 wurde es möglich, ein als evangelische Kirche erkennbares Gebäude zu errichten. 1853 wurde der Umbau nach Plänen von Franz Zehengruber bewilligt.[1] Die Heilandskirche ist der einzige Kirchenbau im Stil des romantischen Historismus in Graz.

Der heutige Innenraum entspricht Im Wesentlichen noch dem Raum des ehemaligen Bethauses. Die Orientierung wurde geändert: der Altar wurde von der Nordost- an die Südwest-Seite verlegt. Hinzugefügt wurden der Kirchturm, die von außen sichtbaren Kirchenfenster sowie das Portal am Kaiser-Josef-Platz. Ebenfalls erhalten sind der klassizistische Hochaltar mit einem Bild von Josef Wonsidler (datiert 1829) und die Kanzel.

Im Zuge einer umfassenden Sanierung nach Plänen von Architekt Werner Hollomey erhielt der Kirchenraum 1992 ein neues Erscheinungsbild: farbige Glasfenster sowie einen transportablen Altar, einen neuen Ambo und ein Taufbecken. Die Gemeinde der Heilandskirche ist mit etwa 6.400 Gemeindemitgliedern die größte evangelische Gemeinde in Österreich.

Die Evangelische Pfarrkirche A.u.H.B. und das ehemalige Evangelische Schul- und Bethaus (beide Kaiser-Josef-Platz 9), sowie das Martin Luther-Haus (Luthergasse 1) stehen unter Denkmalschutz.

Orgeln

Die erste Orgel wurde von dem aus Schwerin stammenden Orgelbauer Carl Schehl 1822 in der „Stiegenkirche“ eingebaut und 1824 in das Bethaus am heutigen Kaiser Josef-Platz transferiert. Sie verfügte über kein Pedal, dafür aber über einen Tonumfang von fünf Oktaven. Die Disposition ist überliefert:

I Manual FF–f3
Bourdon 16′
Principal 8′
Hohlflöte 8′
Flautrawer 8′
Octav 4′
Mixtur II

Nach der Umgestaltung des Bethauses zu dem heutigen Kirchenbau (1853–1854) wurde die Orgel zunächst auf der neuen Musikempore über dem Haupteingang aufgestellt. Mit Hilfe einer Erbschaft nach der exzentrischen, mütterlicherseits aus einer Hugenottenfamilie stammenden Schlossherrin von Plankenwarth, Emilie Sarah Engelbronner d′Aubigny de Peché (1772–1849)[2] wurde sie durch ein Werk des Wiener Orgelbauers Franz Ullmann ersetzt, das 1861 vollendet wurde. Die mittleren drei Prospektfelder der heutigen Orgel stammen noch von diesem Instrument. Bemerkenswert ist die Erklärung Ullmanns für das Pedal: „Die Pedal-Claviatur bekommt 12 Töne oder 1 Octav und ist die 2. Octava als Wiederholung der ersten zu dem Behufe, um beide Füße beim Spielen verwenden zu können.“ Der Klangaufbau:

I Manual C–f3
Principal 8′
Copula 8′
Viola di Gamba 8′
Octav 4′
Flöte 4′
Quint 3′
Super Octave 2′
Mixtur III 113
Pedal C–h
Subbass 16′
Violonbass 8′
Octavbass 4′

Eine neue, größere Orgel der Firma Walcker mit 25 Registern und pneumatischer Traktur wurde im Jahr 1908 in das Ullmann-Gehäuse eingebaut, das dafür um zwei Außenflanken vergrößert werden musste. Sie galt als die bedeutendste Orgel in Graz und bot neben einem ausgeprägten spätromantischen Klangbild mit Schwellwerk auch mehrere technische Neuheiten, darunter das System Organola, eine pneumatisch gesteuerte Selbstspieleinrichtung mit Walze und Lochstreifen, ein Patent Walckers.

Noch während des Krieges wurde 1942–1945 ein Klangumbau vorgenommen, der aus der spätromantischen Orgel eine klassische Konzertorgel machen sollte. Doch mit der Zeit traten in der pneumatischen Traktur immer häufiger Störungen auf, die schließlich eine Neukonstruktion erforderten.

1977 wurde die Walcker-Orgel durch eine Schleifwindladenorgel mit mechanischer Spiel- und Registertraktur aus der Grazer Werkstätte Johann Krenn’s Witwe und Söhne ersetzt, wobei 72 alte Holzpfeifen wieder verwendet wurden. Von einer Revision im Jahr 1992 abgesehen, blieb diese Orgel bis Anfang 2017 unverändert. Ihre Disposition lautete:[3]

I Hauptwerk C–g3
Pommer 16′
Principal 8′
Gemshorn 8′
Oktave 4′
Flöte 4′
Nasard 223
Schwegel 2′
Mixtur IV–VI 2′
Trompete 8′
Tremulant
II Brustwerk
(schwellbar)
C–f3
Holzgedackt 8′
Rohrflöte 4′
Gamba 4′ (1992)
Prästant 2′
Terzian I–III 113
Zimbel III 12
Krummhorn 8′
Tremulant
Pedal C–d1
Subbass 16′
Principalbass 8′
Gedecktbass 8′
Choralbass 4′
Nachthorn 2′
Cornett III 513
Posaune 16′

Nachdem auch die Krenn-Orgel das Ende ihrer Lebensdauer erreicht hatte, wurde im April 2015 Hermann Eule Orgelbau Bautzen mit dem Bau eines neuen Instrumentes beauftragt, das technisch auf der Höhe der Zeit ist. Am 31. Oktober 2017 erfolgt die feierliche Einweihung. Die zweiarmige Spieltraktur ist mechanisch und die Registratur elektrisch, der Spieltisch ist angebaut. Über die Midi-Schnittstelle wird es in Zukunft möglich sein, Instrumente unterschiedlichster Art erklingen zu lassen; die Klangabstrahlung erfolgt über im Orgelwerk verbaute Lautsprecher.[4] Die Disposition der Eule-Orgel lautet wie folgt:

I Hauptwerk C–c4
Geigenprinzipal 16′
Prinzipal 8′
Viola da Gamba 8′
Tibia 8′
Oktave 4′
Spitzflöte 4′
Quinte 223 Vorabzug
Superoktave 2′ Vorabzug
Mixtur IV 2′
Cornett II–IV 223
Tuba 8′
II Schwellwerk C–c4
Bordun 16′
Geigenprinzipal 8′
Konzertflöte 8′
Harmonica 8′
Vox coelestis (ab c) 8′
Fugara 4′
Traversflöte 4′
Nazard 223
Flautino 2′
Terz 113
Oboe 8′
III Echowerk C–c4
Flauto amabile 8′
Viola 8′
Fernflöte 8′
Bifara (a c) 8′
Aeoline 16′ durchschlagend
Clarinette 8′ durchschlagend
Physharmonica 16′ Extension
Physharmonica 8′
Pedal C–g1
Kontrabass 16′ Transmission
Subbass 16′
Bordunbass 16′ Transmission
Prinzipalbass 8′ Transmission
Violoncello 8′
Gedacktbass 8′
Posaune 16′
Tuba 8′ Transmission
  • Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P (elektrisch)
  • Spielhilfen: Setzeranlage, Midi-Schnittstelle

Umfeld

Die Heilandskirche bildet mit den angeschlossenen Pfarrgebäuden einen von Straßen umschlossenen Baukomplex mit einem Innenhof. Die Front der Kirche blickt auf den Kaiser-Josef-Platz, auf dem der größte Bauernmarkt der Stadt Graz stattfindet. Eine andere Seite dieses Platzes wird von der Grazer Oper eingenommen.

Literatur

  • Alois Kölbl, Wiltraud Resch: Wege zu Gott. Die Kirchen und die Synagoge von Graz. 2., erweiterte und ergänzte Auflage. Styria, Graz 2004, ISBN 3-222-13105-8, S. 126–127.
  • Horst Schweigert: Graz (= Die Kunstdenkmäler Österreichs. = Dehio-Handbuch Graz. = Dehio Graz.). Neubearbeitung. Schroll, Wien 1979, ISBN 3-7031-0475-9, S. 112–113.

Weblinks

Commons: Heilandskirche, Graz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Die Geschichte der Heilandskirche. Evangelische Pfarrgemeinde Graz-Heilandskirche, abgerufen am 8. September 2019.
  2. http://www.engelbronner.nl/Desc_Elias/b156.htm#P156; https://hunderwegs.wordpress.com/2012/11/15/zum-grab-der-generalin/. (Für die Namensbestandteile sind mehrere Varianten belegt: "Amalia", "Sara", "Engelbrunner".)
  3. Quellen: Gottfried Allmer: Orgelbau in der Grazer Heilandskirche. In: Festschrift zur Einweihung der neuen Orgel in der Heilandskirche Graz. Hg. Evangelische Pfarrgemeinde Graz-Heilandskirche, S. 13–15; außerdem: http://heilandskirche.st/
  4. Thomas Wrenger (Kantor): Die neue Orgel in der Heilandskirche. Festschrift, S. 17.

Koordinaten: 47° 4′ 5,8″ N, 15° 26′ 46″ O