Helmut Oberlander

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Helmut Oberlander (* 15. Februar 1924 in Molotschansk, Kolonie Molotschna; † 20. September 2021[1], Waterloo, Ontario, Kanada) war ein Mitglied der Einsatzgruppe D der Sicherheitspolizei und des SD ukrainisch-deutscher Herkunft. Oberlander stand auf der Liste der meistgesuchten Kriegsverbrecher des Simon-Wiesenthal-Zentrums. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er im Alter von 17 Jahren eingezogen und diente als Übersetzer im Sonderkommando 10a beim deutschen Einmarsch in die Ukraine 1941. Seine Aufgaben waren die Übersetzung von russischen Funksprüchen und die Unterstützung der deutschen Truppen. Er wanderte mit seiner Frau Margaret 1954 nach Kanada aus und wurde 1960 kanadischer Staatsbürger.

Vorwürfe begangener Kriegsverbrechen

Die Kolonie Molotschna, in den Oberlanders Familie lebte, wurde im September 1941 von der Wehrmacht eingenommen. Die deutschstämmige Bevölkerung entging damit nur knapp der Deportation. Der 17-jährige Oberlander wurde sofort eingezogen. Er diente im SS-Sicherheitsdienst SD von 1941 bis 1943. Seine Einheit, die Einsatzgruppe D der Sicherheitspolizei und des SD, war für "ethnische Säuberungen", also Morde, in den besetzten Gebieten eingesetzt, ihre Taten richteten sich gegen Menschen jüdischen Glaubens oder jüdischer Abstammung und gegen Sinti und Roma.

Die Rolle Oberlanders während seines SS-Dienstes ist umstritten. Er selbst wies eine Schuld an den Morden stets zurück, sondern erklärte, er sei aufgrund seiner Kenntnisse der russischen und ukrainischen Sprache als Dolmetscher zwangsverpflichtet worden, und sein Dienst habe sich auf das Übersetzen beschränkt.[2] In einer seiner Radiosendungen setzte sich der kanadische rechtsextreme Aktivist Paul Fromm vehement dafür ein, dass Kanada Oberlander nicht ausliefern soll.

Die kanadische Regierung versuchte viermal, Oberlander die Staatsbürgerschaft zu entziehen, die er unter Verschweigen seiner Rolle als Kriegsverbrecher in der Sowjetunion erschlichen habe.[3] Ein Entzug hätte eine Ausweisung aus Kanada zur Folge gehabt. Dreimal haben kanadische Gerichte den Klagen des Mannes und seiner Sympathisanten dagegen stattgegeben. Eine vierte Entscheidung ist hingegen im September 2018 vor Gericht zugunsten des Staates ausgegangen, da Oberlander seine Zugehörigkeit zur Todesschwadron „Einsatzkommando 10a“ in der Einsatzgruppe D bei der Einbürgerung verschwiegen hatte.[4] Am 25. April 2019 verwarf das Bundesberufungsgericht FCA endgültig und einstimmig einen Einspruch Oberlanders, der damit den Rechtsweg erneut für sich öffnen wollte, um weiterhin klagen zu können.[5] Er starb im September 2021 kurz vor seiner endgültigen Ausweisung aus Kanada.[6]

Bereits 1997 hatte eine private Untersuchung ergeben, dass allein mit der Hilfe von Telefonbüchern 161 gesuchte NS-Kriegsverbrecher in Kanada ausfindig gemacht werden konnten.[7]

Weblinks

Notizen

  1. Helmut Oberlander, Canada’s last Nazi-era suspect, dies at 97
  2. Kanadisches Gericht macht Weg für Auslieferung von Nazi-Kollaborateur frei. In: nd Journalismus von links. 28. September 2018, abgerufen am 28. Mai 2022.
  3. Vier Entscheidungen des Obersten Bundesberufungsgerichts, Federal Court of Appeal FCA, in Sachen Oberlander, engl.
  4. Kanada macht den Weg für Auslieferung von Nazi-Kollaborateur frei, Die Presse, 28. September 2018
  5. Court dismisses latest Oberlander effort to fight stripping of citizenship, Canadian Broadcasting Corporation CBC News, von Michelle McQuigge, 25. April 2019
  6. 97-jähriger Ex-Nazi-Kollaborateur Helmut Oberlander kurz vor Ausweisung aus Kanada gestorben, deutschlandfunk.de, 23. September 2021, abgerufen am 23. September 2021.
  7. 161 Kriegsverbrecher in Kanada, Der Neue Mahnruf, H. 6, 1997, S. 11