Herbstzeitlose

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Herbstzeitlose

Herbstzeitlose (Colchicum autumnale)

Systematik
Klasse: Bedecktsamer (Liliopsida)
Monokotyledonen
Ordnung: Lilienartige (Liliales)
Familie: Zeitlosengewächse (Colchicaceae)
Gattung: Zeitlose (Colchicum)
Art: Herbstzeitlose
Wissenschaftlicher Name
Colchicum autumnale
L.

Die Herbstzeitlose oder Herbst-Zeitlose (Colchicum autumnale) ist die bekannteste Pflanzenart aus der ca. 100 Arten umfassenden Familie der Zeitlosengewächse (Colchicaceae). Die Herbstzeitlose blüht im Spätsommer bis Herbst und ist in Europa weit verbreitet und auch als Zierpflanze bekannt. Sie kann gelegentlich mit herbstblühenden Krokussen verwechselt werden. Die Laub- und Fruchtbildung erfolgt im Frühjahr und Sommer. Wirkstoffe dieser sehr stark giftigen Pflanze werden gelegentlich in Medizin und Pflanzenzucht verwendet. Sie wurde 2010 zur Giftpflanze des Jahres gewählt.

Beschreibung und Ökologie

Die Herbstzeitlose ist eine ausdauernde, äußerst giftige krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 8 bis 30 Zentimetern erreicht. Es handelt sich um einen Geophyten, denn nur die unterirdischen Pflanzenteile überdauern die ungünstigen Jahreszeiten. Während des Winters wird die ursprüngliche Sprossknolle abgebaut und darüber eine neue angelegt. Gleichzeitig wächst der Seitenspross zu einer neuen Knolle heran. Im Sommer bildet die Herbstzeitlose eine braunschuppige Sprossknolle mit einem Durchmesser von 2,5 bis 5 Zentimetern und einer Länge bis zu 7 Zentimeter. Die trichterartig schräg bis steil aufwärts stehenden, durch eine leichte Einrollung schmal erscheinenden, aber eigentlich ziemlich breit-lanzettlichen Laubblätter erscheinen zusammen mit der noch unreifen Kapselfrucht im Frühsommer und sind bis 40 Zentimeter lang. Sie sind auffallend dicklich-steif und an der Spitze „kahnförmig“ und knötchenartig zusammengezogen. Dies ist ein wichtiger, grundsätzlicher Unterschied zu den dünnen, ebenen und rasch schlaffen Blättern von Bärlauch. Außerdem sind die Blätter von Herbstzeitlosen immer leicht linksschraubig verdreht.

Es werden ein bis fünf Blüten pro Exemplar gebildet. Die zwittrigen, radiärsymmetrischen Blüten sind dreizählig. Die sechs gleichgestaltigen, meist blassrosa bis violett, selten weiß gefärbten Blütenhüllblätter sind zu einer langen Röhre verwachsen. Es sind sechs Staubblätter vorhanden. Der aus drei Fruchtblättern verwachsene Fruchtknoten befindet sich tief in der Erde. Die Griffeläste in den Blüten der Herbstzeitlosen verbleiben bis hin zum unterirdischen Fruchtknoten auf ganzer Länge getrennt. Sie verwachsen also nicht zu einem Griffel (Stylus), sondern sind Stylodien. Sie können in großen Blüten bis zu 20 cm lang sein. Die Bestäubung erfolgt durch Insekten (Entomophilie), zum Beispiel durch Bienen und Fliegen. Diese Art ist allerdings selbstfertil, auch Selbstbestäubung führt also zu gutem Samenansatz. Die Blütezeit reicht von September bis Oktober; selten blühen Herbstzeitlosen auch im Frühjahr.

Die länglich-eiförmige Kapselfrucht bildet sich erst zur Reifezeit im Frühsommer (Mai bis Juni) innerhalb des „Trichters“ aus meist drei Laubblättern, der sich ab zeitigem Frühjahr bildet. Bei Reife im Sommer ist die Kapselfrucht leicht blasig angeschwollen und braun. Die kleinen, schwarzbraunen Samen besitzen ein weißes Elaiosom, das die Ausbreitung durch Ameisen (Myrmekochorie) begünstigt; auch Windausbreitung ist möglich.

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 38, seltener 36.[1]

Vorkommen

Blütendetail mit den drei freien, weißlichen Griffelästen
Blätter mit noch unreifen Kapselfrüchten im Frühsommer

Die Herbstzeitlose ist ein submediterran-subatlantisches Florenelement.[1] Ihr Verbreitungsgebiet reicht von Südirland, der Südhälfte Großbritanniens, Frankreich und der nördlichen Iberischen Halbinsel über das südliche Mitteleuropa und das nördliche Italien ostwärts bis zur nördlichen Balkanhalbinsel und in die westliche Ukraine. Weiter im Norden (Schottland, Dänemark, Südskandinavien, Baltikum, nordwestliches europäisches Russland) fehlt sie oder kommt nur eingeschleppt vor.[2][3] Auch in Neuseeland und in Nordamerika kommt sie eingeschleppt vor.[3]

Datei:Cochicum KIssel Siebengebirge 2016 Okt IMG 4324.jpg
Blühende Herbstzeitlose mit Bestäuber

Die Herbstzeitlose wächst vor allem auf feuchten, nährstoffreichen Wiesen und an Böschungen, hier bevorzugt an sonnigen oder halbschattigen Standorten, an denen es relativ warm ist und die nicht ungeschützt dem Wind ausgesetzt sind. Doch auch in lichten Auenwäldern kann man auf sie stoßen, und zwar sogar direkt neben Bärlauch (so in einem Auwald bei Umkirch im Breisgau). Diese Art tritt an manchen Standorten massenhaft auf, so dass dort ein Weideauftrieb mit Nutztieren unmöglich ist. Die Herbstzeitlose ist eine Charakterart der Ordnung Molinietalia, kommt aber auch in feuchten Gesellschaften der Ordnung Arrhenatheretalia oder des Verbands Alno-Ulmion vor.[1] In den Allgäuer Alpen kommt sie in bis zu 1500 Meter über Meereshöhe vor.[4]

Inhaltsstoffe und Giftigkeit

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Chemische Formel des Alkaloids Colchicin

Es kommt immer wieder zu Vergiftungsfällen durch Verwechslung mit dem Bärlauch, auch mit tödlichem Verlauf. So wurden am 4. Mai 2021 zwei Todesfälle in Deutschland berichtet, darunter der Tod eines 47-jährigen Mannes im bayerischen Kreis Freising[5]. Die Blüten der Herbstzeitlose lassen sich ziemlich leicht als solche erkennen. Diese leichte Erkennbarkeit trifft aber nicht auf die Blätter der Herbstzeitlose zu. Erschwerend kommt hinzu, dass man – anders als bei vielen anderen Pflanzen – bei der Herbstzeitlose die Blätter und die Blüten nie gleichzeitig sieht. Im Herbst sieht man die Blüten – aber ohne Blätter, wogegen man im Frühjahr bis Frühsommer die Blätter sieht – aber stets ohne Blüten.

Alle Teile der Herbstzeitlose enthalten das stark giftige Alkaloid Colchicin, ein Kapillar- und Mitosegift. Der höchste Gehalt findet sich in der Blüte mit bis zu 1,8 %. Aber auch die Samen (0,5 %), die Knolle (0,2 %) und die Blätter (0,03 %) enthalten genug Colchicin, um Vergiftungen bewirken zu können.[6] Der Gehalt schwankt im Jahresverlauf und nimmt mit der Samenreifung zu. Auch in getrockneten Pflanzenteilen bleibt das Alkaloid erhalten. So können bei Verzehr von Heu mit Gehalt an getrocknetem Herbstzeitlose-Kraut die gefährlichen Gifte in die Milch übergehen. Colchicinbelastete Milch kann bei Menschen Krebserkrankungen auslösen: „Auch bei Wiederkäuern kann eine Colchicinvergiftung auftreten (…); da die Alkaloide in die Milch übergehen, besteht ein Risiko für Konsumenten. Colchicin ist auch mutagen und kann zur Tumorbildung führen.“[7] Deshalb sollten Landwirtschaftsflächen, insbesondere Wiesen für die Gewinnung von Heu oder Silage, von Herbstzeitlosen befreit werden.

Datei:Semen Colchici by Danny S. - 001.JPG
Samen der Herbst-Zeitlose mit 1-mm-Skala

Als pharmazeutische Droge zur Gewinnung von Arzneimitteln dienen die Samen der Herbstzeitlose (lateinisch Semen Colchici), wobei nach Arzneibuch ein Gehalt von mindestens 0,4 % Gesamtalkaloide gefordert wird, berechnet als Colchicin.[8] Ein bekanntes Präparat enthält beispielsweise je Dragee einen Trockenextrakt von Semen Colchici zu 15,6 mg mit einem Colchicin-Gehalt von 0,5 mg.[9]

Vergiftungserscheinungen treten meist erst mit zwei bis sechs Stunden Verzögerung ein. Die Symptome äußern sich zunächst in einem Brennen im Mund. Es folgen Schluckbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen mit oft blutigen Durchfällen. Je nach Dosis kann es vor allem bei Kindern bis zum Tod durch Atemlähmung oder Kreislaufversagen kommen, häufig beobachtet man auch Nierenschädigungen. In der Literatur wird eine Sterblichkeit von 90 Prozent angegeben. Als tödliche Dosis gelten bei Menschen etwa 0,8 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Etwa 60 Gramm frische Blätter können einen 80 Kilogramm schweren Menschen töten.[10] Neben dem Colchicin sind in der Pflanze noch Demecolcin und etwa 20 weitere Alkaloide sowie Colchicosid, Inulin und Asparagin enthalten.

Eine besondere Gefahr von Colchicin geht für Kinder aus, die in ländlichen Gegenden z. B. beim Einsammeln von Heu im beginnenden Herbst leicht in Kontakt mit den dann blühenden Pflanzen kommen können, gerade auch in Anbetracht der schon beim Erwachsenen geringen tödlichen Dosis von Colchicin, die bei Kindern noch niedriger liegt. Außerdem gibt es Berichte über Vergiftungen durch die Milch von Schafen oder Ziegen, die zuvor Herbstzeitlose gefressen haben sollen. Aber nicht nur für Kinder, auch für Erwachsene kann die Herbstzeitlose gefährlich sein, vor allem, wenn man ihre Knollen mit Küchenzwiebeln verwechselt, oder die Blätter mit Bärlauch oder anderem Wildsalat, und so größere Mengen der giftigen Pflanze zu sich nimmt. Darüber hinaus ähnelt die Herbstzeitlose ziemlich stark einigen verbreiteten Zierpflanzen wie dem Krokus.

Die Herbstzeitlose ist auch sehr giftig für viele Tierarten wie Pferde, Rinder, Schafe, Ziegen, Hunde, Katzen, Kaninchen, Hasen, Meerschweinchen, Hamster und auch für Vögel. Bei den Großtieren sind insbesondere Pferde und Schweine gefährdet. Rinder und Schafe reagieren nicht ganz so empfindlich. Laktierende Tiere können das Gift über die Milch abgeben, auch wenn sie selbst keine Vergiftungserscheinungen zeigen.[11]

Auf im Rahmen von Vorschriften der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie stillgelegten Wirtschaftswiesen auf der Baar am südöstlichen Schwarzwald-Rand in der Umgebung der Stadt Löffingen nimmt die Vorkommensdichte der Herbstzeitlose seit Jahren immer mehr zu. Pro Quadratmeter findet man oft mehr als 30 dieser Giftpflanzen. Allerdings weisen längst nicht alle Exemplare auch (heranreifende) Fruchtkapseln auf. Es ist zudem noch unbekannt, nach wie vielen Jahren ab Keimung im dichten Bestand der Grasländer die allmählich erstarkenden Pflanzen erstmals die Blühreife erlangen. Ende Mai 2018 wurde bei der genaueren Untersuchung von 46 Exemplaren mit je mindestens 1 Kapsel folgende Anzahlen festgestellt: 29 Pflanzen mit je 1 Kapsel, 14 Ex. mit je 2 Kapseln (davon 4 mit 1 normalgroßen plus 1 viel kleineren Kapsel), 2 mit 3 Kapseln, 1 mit 5 Kapseln: 4 normalgroße und 1 kleine. Bei letzterem Exemplar wurde die Anzahl der als ausreifungsfähig erkennbaren Samen in den fünf Kapseln sorgfältig ermittelt. Es ergaben sich folgende Anzahlen: 104 + 149 + 77 + 159 + 13 = 502 noch weiße, aber ausreifungsfähige Samen – neben vielen unentwickelten oder schimmelnden.

Erste Hilfe

Bei Verdacht einer Vergiftung ist unbedingt ärztliche Hilfe empfohlen, z. B. über den Giftnotruf. Die lange Latenzzeit der Giftwirkung erschwert eine rechtzeitige Behandlung. Wegen der langen Latenzzeit ist eine Magenspülung nur bei Verdacht oder Frühfällen sinnvoll. Im Vordergrund steht daher die Elementarhilfe in Form von Kreislaufaufrechterhaltung und Aufrechterhaltung des Wasser-Elektrolyt-Haushaltes (durch Tropfinfusion mit Vollelektrolytlösung).

Abdominalspasmen werden mit Atropin behandelt. Im Jahr 2009 waren Antidote gegen das Alkaloid Colchicin in Erprobung, aber noch nicht zugelassen.[12]

Anwendung

Neben dieser toxischen Wirkung findet Colchicin aber auch Anwendung in der Medizin und bei der Pflanzenzucht.

Colchicin hat auch in der heutigen Zeit noch einen hohen Stellenwert in der Behandlung der akuten Gicht (Podagra). Außerdem wird sie zur Behandlung von Familiärem Mittelmeerfieber eingesetzt. Herbstzeitlosepulver wurde bereits im Mittelalter zur äußerlichen Behandlung von geschwürig zerfallenden Hauttumoren (wie dem Basaliom) benutzt.[13] Demecolcin wird u. a. in der Krebstherapie eingesetzt.

In der Homöopathie wird aus den zerkleinerten und in Alkohol angesetzten frischen Zwiebelknollen (im Herbst gesammelt) der Herbstzeitlose das Homöopathikum Colchicum autumnale (Kurzform: Colch, auch colch) hergestellt, welches zum Beispiel bei Gicht, Gastroenteritis, Rheuma, Katarakt, Perikarditis und Schwangerschaftsübelkeit verabreicht wird. In Deutschland ist Colchicum autumnale verschreibungspflichtig bis einschließlich D3-Potenz.

In der Pflanzenzucht verwendet man Colchicin zur Polyploidisierung und damit zur Vergrößerung von Zuchtpflanzen, wie zum Beispiel bei Erdbeeren. Diese Wirkung wird erzielt, da Colchicin die Mitose unterbricht, so dass sich die DNA-Menge im Zellkern bei jeder unterbrochenen Teilung verdoppelt, wodurch jede einzelne Zelle weitaus größer wird.

Geschichte

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„Wysen Zeitlosen“ – Colchicum autumnale. Hieronymus Bock 1546

Ephemeron, Colchicon, Hieribulbum („heilige Knolle“[14]) und Hermodactylus[15][16] sind lateinisch-griechische Pflanzennamen, die zur Bezeichnung der Herbstzeitlose gebraucht wurden. Die von Theophrast ephemeron genannte Pflanze ist nicht zu bestimmen.[17]

Dioskurides beschrieb ein colchicon und ein ephemeron.

  • Das colchicon wurde später als Zeitlosen-Art gedeutet. Dioskurides beschrieb seine Giftwirkung und warnte vor seiner Anwendung.
  • Das ephemeron des Dioskurides lässt sich nur schwer bestimmen und meint möglicherweise eine Convallaria-Art.[18] Dioskurides empfahl es zur Mundspülung bei Zahnschmerzen und als Umschlag zum Verteilen von Ödemen und Geschwulsten.[19][20]

Über das ephemeron schrieben Plinius, der sich wahrscheinlich auf eine Schwertlilienart wie Iris florentina L. bezog,[21] und Galen ähnlich wie Dioskurides. Ein colchicon erwähnten sie nicht.[22][23]

Auch das hieribulbum im Pseudo-Apuleius Herbarius (4. Jh.) wird als Zeitlosen-Art gedeutet. Seine äußerliche Anwendung in Salbenform wurde gegen Gelenkschmerz und gegen Flecken auf der Gesichtshaut der Frauen empfohlen.[24][25]

Im 6. Jahrhundert erwähnte Alexander von Tralleis erstmals eine Droge mit dem Namen hermodactylus („Hermesfinger“), die später als Zeitlosen-Art gedeutet wurde. In neun Rezepten gegen Podagra listete er hermodactylus zusammen mit mild wirkenden Drogen wie Anis, Pfeffer und Ingwer auf. Im Sinne der Säftelehre – die Herbstzeitlose-Knolle galt als „warm und trocken im dritten Grade“[26] – sollten die „schlechten Säfte“, welche als Ursache der Podagra angesehen wurden, durch Anregung der Stuhlausscheidung aus dem Körper entfernt werden. Alexander von Trallais bezeichnete die Therapie mit «hermodactylus» als „von den Alten erfunden“. Auch im 7. Jh. wurde hermodactylus von Paulos von Aigina als Mittel gegen Podagra genannt.[27]

Im 18. Jahrhundert führte Anton Störck eine pharmakologische Prüfung der Herbstzeitlosewurzel durch und setzte sie als gegen die Wassersucht wirksames Mittel ein. Wegen der Giftigkeit der Pflanze verwendete er kleinste Mengen nach längerer Lagerung. Auch wurde durch Experimente mit Freiwilligen festgestellt, dass die Giftigkeit der Knolle mit der Jahreszeit schwankt und zu manchen Zeiten relativ gering ist. In England wurde bald eine Tinktur aus der Herbstzeitlosewurzel gegen Gicht verordnet.[28][29]

Taxonomie

Die Herbstzeitlose wurde 1753 von Carl von Linné in Species Plantarum erstveröffentlicht.[30] Synonyme für Colchicum autumnale L. sind unter anderem Colchicum commune Neck. und Colchicum crociflorum Sims.[3] Der wissenschaftliche Gattungsname Colchicum leitet sich hingegen von einer Landschaft am Schwarzen Meer ab, der Kolchis im heutigen Georgien. Dort soll auch die Heimat der sagenhaften Medea sein, ihres Zeichens Giftmischerin und Zauberin. Vermutlich besteht ein Zusammenhang zwischen den Sagen um eine Giftmischerin in dieser Region und dem dortigen Vorkommen der Zeitloseart Colchicum variegatum. Das Artepitheton autumnale ist ein Verweis auf die Blütezeit im Herbst und leitet sich vom lateinischen autumnus „Herbst“ ab.

Trivialnamen

Der deutsche Trivialname Herbstzeitlose leitet sich davon ab, dass die Pflanze im Herbst bis in den Oktober hinein und damit außerhalb der Blütezeit anderer Pflanzen blüht und daher mit ihrem Aufblühen den Beginn der Herbstzeit „lost“ (ahd. 

liozan

 ‚losen / wahrsagen / vorhersagen‘)[31] (vgl. ahd. 

heilhoubito

 ‚Herbstzeitlose‘ aus ahd. 

heilisōn

 ‚wahrsagen‘ und ahd. 

houbit

 ‚Haupt, Kopf‘,[32] vgl. auch polnisch zimowit bzw. veraltet zimokwit ‚Herbstzeitlose‘, wörtlich „Wintergruß“, „Winterempfang“).

Sie wird auch oft mit Bindestrich als “Herbst-Zeitlose” geschrieben[33][34] und die Art wurde und wird auch kurz Zeitlose (mhd. zitelôse[35]) genannt. Dies ist aber wegen des zuvor Gesagten irreführend; die allgemeine moderne Gattungsbezeichnung Zeitlosen gab es historisch so nicht und wurde offenbar von Botanikern (Linnés Übersetzer[36]) im Nachhinein konstruiert. „Zeitlos“ ist sie keinesfalls.

Andere deutsche Trivialnamen für die Herbstzeitlose sind Giftkrokus, Butterwecken, Giftblume, Hahnenklöten, Henne, Hennegift, Herbstvergessene, Hundsblume, Hundsknofel, Käsestäuber, Kokokköl, Kuckucksweck, Kühe, Kuhditzen, Kuheuter, Läuseblume, Leichenblume, Michelsblume, Michelwurz, Mönchskappen, Nacktarsch, Ochsen, Ochsenpinsel, Spindelblume, Spinnblume, Teufelsbrot, Teufelswurz, Wiesenlilie, Wiesensafran, Wildsafran, Wilde Zwiebel, Winterhaube und Winterhauch. Schweizerdeutsch: Blutts Mäitli (Schweizerdeutsch für Nacktes Mädchen),[37] Säulöichrut, Tüfelswurzle, Zitlose.

Weitere deutschsprachige Trivialnamen für die Herbstzeitlose sind: Camutsches (Graubünden bei Oberhalbstein), Ciidelosse (mittelhochdeutsch), Citelose, Cytelose, Citlose (althochdeutsch), Duchblumen, Ermodatten (mittelniederdeutsch), Fädelkraut (Ungarn), Faule Futen (Elsass), Fude (Unterelsass), Fuli Fudes (Unterelsass), Fuattarreiv (Davos), Giftblume (Kirchheim), Hailhobet (althochdeutsch), Gutzergagel, Hanekloätenblaume (Göttingen), Heilhobedo (althochdeutsch), Heilhobet (althochdeutsch), Heilhobito (althochdeutsch), Heilhubita (althochdeutsch), Hemetbeutel (Österreich), Hemettasche (Österreich), Heilheubt, Heylheupt, Heilhovit, Hellopt, Herbstblume (Elsass, Eifel, Hessen), Herbstkunkel (Memmingen, Thüringen), Herbstlilien, Herbstziglose (St. Gallen bei Werdenberg), Herczelose, Hermodactyll (mittelhochdeutsch), Hermodatteln (mittelhochdeutsch), Hoblumen (mittelhochdeutsch), Hondskällera (Appenzell), Hosenbunte (Graubünden), Hundshoden (Entlibuch, Glarus, Appenzell, Franken), Huntloch (althochdeutsch), Nackete Huren (Thüringen, Franken, Salzburg), Nackende Jungfer (Bremen), Nackte Jungfern (Franken, Nordböhmen), Kalberschissen (Berner Oberland), Kawenerawt (mittelniederdeutsch), Kelberkrut (mittelniederdeutsch), Keltbliamle (Elsass, Sundgau), Kelterle (Elsass, Sundgau), Kiltblume (Bern, Entlibuch), Kobenkrut (mittelniederdeutsch), Kobentkrut (mittelniederdeutsch), Kowenkraut (mittelhochdeutsch, im Sinne von Kuhkraut), Kühdutten (Elsass), Kühschlotten (Henneberg), Künschlotten (Franken), Kunkel (Memmingen), Lausblume (Schwaben), Lauskreokt (Siebenbürgen), Lichtblume, Masworzef, Mattensaffran (Elsass), Michaelisblume, Michaeliswurz, Michelsblume (Schlesien), Michelswurz (Schlesien), Mockel (Reutlingen), Muniseckel (Luzern, Appenzell), Nachtguckeln (Kirchheim), Nackarsch (Eifel bei Altenahr, niederdeutsch), Natternkreokt (Siebenbürgen bei Radeln), Quelckenwurzel, Rinderblume (Berner Oberland), Ruhrwurze (Österreich), Wilder Safran, Schemmer (Tirol), Schulblume (Schwaben, Schmalkalden), Skitzeln (Graubünden bei Tnusis), Spinnblumen (Schwaben, Thüringen), Spinnerin (Schwaben), Storckenbrod, Sytelose, Titelose (niederdeutsch), Tufädel (Ungarn), Uchtblumen, Uchtelblume (mittelhochdeutsch), Uchtelbrawt (mittelhochdeutsch), Uchtwurzel, Waldzeitlose (Dreis), Wiesenhahn (Eifel), Wiesensaffran, Wiesenzeitlose (Elsass), Zeitblumen (Hohenlohe), Zeitlöslin, Zeitlosen, Zeitlost, Zitlöse (mittelhochdeutsch), Zitlose (Bern), Zitlosenwurzel, Zitloss und Zitlostwurzel.[38][39]

Literatur

  • Pedanius Dioscurides aus Anazarba: Fünf Bücher über die Heilkunde. (übersetzt von Max Aufmesser). In: Altertumswissenschaftliche Texte und Studien. Band 37, Olms-Weidmann, Hildesheim 2002, ISBN 3-487-11604-9, S. 248.
  • Homöopathisches Repertorium, Deutsche Homöopathie Union (DHU).
  • Norbert Enders: Bewährte Anwendung der homöopathischen Arznei 2. Die Arznei und ihre Anwendung. 2., überarb. Auflage. Haug, Stuttgart 2005, ISBN 3-8304-7214-5.
  • Andrew Lockie, Ursula Bischoff (Übers.): Das große Lexikon der Homöopathie. Dorling Kindersley, Starnberg 2000, ISBN 3-8310-0005-0.
  • Eckehart J. Jäger, Klaus Werner (Hrsg.): Exkursionsflora von Deutschland. Begründet von Werner Rothmaler. 10., bearbeitete Auflage. Band 4: Gefäßpflanzen: Kritischer Band. Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag, München/Heidelberg 2005, ISBN 3-8274-1496-2.
  • Duden. Band 7, Etymologie. Mannheim 1963, Stichwort "Zeit", ISBN 3-411-00907-1.
  • Wolfram Buff, Klaus von der Dunk: Giftpflanzen in Natur und Garten. 2. neu bearbeitete Auflage. Paul Parey, Berlin/Hamburg 1988, ISBN 3-489-55222-9.

Weblinks

Commons: Herbstzeitlose – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 123.
  2. Hermann Meusel, Eckehart J. Jäger, Erwin Weinert: Vergleichende Chorologie der zentraleuropäischen Flora. Band 1. Karten. Gustav Fischer, Jena 1965, S. 90.
  3. a b c Rafaël Govaerts (Hrsg.): Colchicum autumnale. In: World Checklist of Selected Plant Families (WCSP) – The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew, abgerufen am 29. Juni 2018.
  4. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 1, IHW, Eching 2001, ISBN 3-930167-50-6, S. 321.
  5. https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-baerlauch-herbstzeitlose-toedliche-vergiftung-1.5283906
  6. www.gifte.de
  7. Wink, van Wyk, Wink, Handbuch der giftigen und psychoaktiven Pflanzen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH 2008, ISBN 978-3-8047-2425-9, S. 260
  8. Egon Stahl, Werner Schild: Pharmazeutische Biologie, 4: Drogenanalyse II: Inhaltsstoffe und Isolierungen. Gustav Fischer, Stuttgart/New York 1981, ISBN 3-437-20209-X.
  9. Gustav Kuschinsky (Begr.), Hasso Scholz, Ulrich Schwabe (Hrsg.): Taschenbuch der Arzneibehandlung: Angewandte Pharmakologie. 13., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2005, ISBN 3-540-20821-6.
  10. Julia Grupe, Julia Kruse, Julia Matlachowsky, Friederike Mayenfels, Lisa Suhrenbrock: Giftpflanzen in Deutschland. Was der Apotheker/in wissen sollte. Vortragsskript, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, PDF-Datei. (Memento vom 23. August 2007 im Internet Archive)
  11. Herbstzeitlose, Colchicum autumnale, Liliengewächse Informationsseite auf botanikus.de, abgerufen am 27. November 2012.
  12. ROTE LISTE®. Arzneimittelverzeichnis für Deutschland (einschließlich EU-Zulassungen und bestimmter Medizinprodukte). Zugriff am 13. Oktober 2009.
  13. Gundolf Keil: Das Krebs-Pulver-Rezept für Karl den Großen. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 3, 1985, S. 243–255, hier: S. 248.
  14. Hans Zotter: Antike Medizin. Die medizinische Sammelhandschrift Cod. Vindobonensis 93 in lateinischer und deutscher Sprache. Akademische Druck- u. Verlagsanstalt, Graz 1980 (= Interpretationes ad codices. Band 2); 2., verbesserte Auflage ebenda 1986, ISBN 3-201-01310-2, S. 88–90 (Nomen herbe Ieribulbum) mit Anm. 48.
  15. Vgl. Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 144 (Hermodactylus: Colchicum autumnale L., Colchicum variegatum L.).
  16. Vgl. auch Ute Obhof: Rezeptionszeugnisse des „Gart der Gesundheit“ von Johann Wonnecke in der Martinus-Bibliothek in Mainz – ein wegweisender Druck von Peter Schöffer. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018, S. 25–38, hier: S. 35 („Hermodattilus zeitlosz“).
  17. Kurt Sprengel (Hrsg.). Theophrast’s Naturgeschichte der Gewächse. Altona 1822, Bd. 2, S. 386 (9. Buch, Cap. 16 / 6) (Digitalisat)
  18. Ute Mauch: Das Maiglöckchen (Convallaria majalis). Ein Beitrag zur Entwicklung der systematischen Einordnung von der Antike bis zur frühen Neuzeit. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 24, 2005, S. 293–328.
  19. Julius Berendes: Des Pedanius Dioskurides Arzneimittellehre in 5 Büchern. Enke, Stuttgart 1902, Buch IV, Cap. 84, Colchicon (Digitalisat)
  20. Julius Berendes: Des Pedanius Dioskurides Arzneimittellehre in 5 Büchern. Enke, Stuttgart 1902, Buch IV, Cap. 85, Ephemeron (Digitalisat)
  21. Ute Mauch: Das Maiglöckchen (Convallaria majalis). Ein Beitrag zur Entwicklung der systematischen Einordnung von der Antike bis zur frühen Neuzeit. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 24, 2005, S. 293–328, insbesondere S. 318.
  22. Plinius: Naturalis historia, Buch XXV, § 170 (Kapitel CVII) (Digitalisat Latein) (Digitalisat Ausgabe Külb 1840–1864 Deutsch); Buch XXVI, § 122 (Kapitel LXXV) (Digitalisat Latein) (Digitalisat Ausgabe Külb 1840–1864 Deutsch)
  23. Galen. De simplicium medicamentorum temperamentis ac facultatibus, lib. VI, Cap. V/25. (Ausgabe Kühn 1826, Bd. XI, S. 879). (Digitalisat)
  24. Ernst Howald, Henry E. Sigerist. Antonii Musae De herba vettonica, Liber Pseudo-Apulei herbarius, Anonymi De taxone liber, Sexti Placiti Liber medicinae ex animalibus. (= Corpus medicorum latinorum. Bd. IV), Teubner, Leipzig 1927, Cap. 21.
  25. Hans Zotter. Kommentar zur Faksimileausgabe des Cod. Vind. 93. Graz 1996, S. 23.
  26. „De gradibus quos vocant simplicium liber“, in: Constantini Africani post Hippocratem et Galenum […]. Henricus Petrus, Basel 1536, S. 342–387, hier: S. 379 („Hermodactyli, calidi et sicci in tertio gradu […]“).
  27. Alexander von Tralles Theodor Puschmann. Alexander von Tralles. Original-Text und Übersetzung nebst einer einleitenden Abhandlung. Wien 1879, Bd. II, S. 560–578. (Digitalisat)
  28. Auguste Koch. Über die Medicamenta heroica des Professors Anton Stoerck. Würzburg 1931, S. 14–16.
  29. Anton von Störck. Oesterreichische Provincial-Pharmacopöe. Wien 1795, S. 48: Zeitlosenessig (Digitalisat)
  30. Carl von Linné: Species Plantarum. Band 1, Lars Salvius, Stockholm 1753, S. 341, Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fwww.biodiversitylibrary.org%2Fopenurl%3Fpid%3Dtitle%3A669%26volume%3D1%26issue%3D%26spage%3D341%26date%3D1753~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D
  31. Gerhard Köbler: Althochdeutsches Wörterbuch – L
  32. Gerhard Köbler: Althochdeutsches Wörterbuch – H
  33. Colchicum autumnale L., Herbst-Zeitlose, in floraweb.de, abgerufen am 2. September 2019.
  34. Colchicum autumnale L., in infoflora.ch, abgerufen am 2. September 2019.
  35. K. E. H. Krause: Zitelôse. In: Jahrbuch des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 15, 1889, S. 44–50.
  36. Des Ritters Carl von Linné Vollständiges Pflanzensystem nach der dreyzehnten lateinischen Ausgabe, Eilfter Theil: Von den Zwiebelgewächsen, Nürnberg, 1784. S. 511ff.
  37. Karl Imfeld: Obwaldner Mundart-Wörterbuch. Brunner, Kriens 2000, ISBN 3-905198-55-X, S. 63.
  38. Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, Seite 105 f. (online).
  39. Heinrich Marzell: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen. 5 Bände, Leipzig, ab Band 3 Stuttgart/Wiesbaden, Band I, S. 1097.