Heribert Beissel
Heribert Beissel (* 27. März 1933 in Wesel; † 11. Juni 2021[1]) war ein deutscher Dirigent, Chorleiter und Hochschullehrer.[2] Er war Chefdirigent der Symphoniker Hamburg sowie Generalmusikdirektor des Philharmonischen Staatsorchesters Halle und des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt. Außerdem war er Initiator und langjähriger Dirigent des Landesjugendsinfonieorchesters Sachsen-Anhalt.
Leben
Heribert Beissel wurde 1933 als Sohn des Rektors Ferdinand Beissel und dessen Frau Maria Beissel[3] in Wesel am Niederrhein geboren.[4] Er wuchs im Dorf Rheurdt auf, wo sein Vater strafversetzt tätig war.[4] Nach dem Abitur am katholischen Collegium Augustinianum Gaesdonck[5] studierte er die Hauptfächer Klavier, Dirigieren und Komposition an der Staatlichen Hochschule für Musik Köln.[4] Zu seinen Lehrern gehörten u. a. Günter Wand und Frank Martin.[4] Sein Studium finanzierte er sich u. a. als Kabarett-Pianist, Filmkomponist und Chorleiter.[4]
Im Jahr 1955 wurde er Korrepetitor an der Oper Bonn,[6] wo er später zum 1. Kapellmeister aufstieg.[4] Außerdem war er für den WDR Köln als Liedbegleiter und Kammermusiker tätig.[7] In Bonn gründete er gemeinsam mit dem Geiger Hans-Georg Büchel das Chur Cölnische Kammerorchester Bonn,[7] das er von 1959 bis 1965 leitete,[6] und aus dem 1986 die Klassische Philharmonie Bonn hervorging. Ab 1988 veranstaltete er mit der Philharmonie die Konzertreihe „Wiener Klassik“, die ihren Schwerpunkt auf der gleichnamigen Musikepoche mit ihren Hauptvertretern Mozart, Haydn und Beethoven legte.[8] Ausgehend von Bonn wurden nunmehr elf weitere westdeutsche Städte bespielt.[9] Nachdem er 1967 durch Japan und Frankreich getourt war,[6] gründete er 1968 einen Kammerchor, den Chur Cölnischen Chor Bonn.[4] Mit seinen Ensembles gastierte er im In- und Ausland und gewann mehrere internationale Preise.[4] In Bonn wurde er Mitglied im Rotary Club.[3]
Von 1971 bis 1986 war er Chefdirigent der Symphoniker Hamburg, die ihn dann zum Ehrenmitglied ernannten.[10] 1974 erhielt er eine Professur an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg[6] und leitete bis 1983 die Dirigentenausbildung an der Hochschule für Musik Detmold.[5] 1975 wurde er Leiter des Folkwang Kammerorchesters Essen.[4] Gastdirigate führten ihn zu den Duisburger Sinfonikern (1974) und zum NDR Sinfonieorchester (1977) sowie darüber hinaus durch Spanien, Österreich und Deutschland.[6] Wiederholt dirigierte er auch das Tokyo Symphony Orchestra in Japan.[4] Ab 1976[3] war er regelmäßiger Gastdirigent an der Hamburgischen Staatsoper. Eng arbeitete er dort mit dem Ballettdirektor und Chefchoreograf des Hamburg Ballett, John Neumeier, zusammen.[4] Weitere Auftritte führten ihn zu mehreren Musikfestivals wie dem Schleswig-Holstein Musik Festival, dem Istanbul International Music Festival, den Bregenzer Festspielen, dem Festival van Vlaanderen, den Bachwochen Ansbach, den Berliner Festwochen und dem Beethovenfest in Bonn.[4] Beissel war Leiter der Eutiner Opernfestspiele.[4]
Nach der politischen Wende in der DDR verlagerte er seinen künstlerischen Schwerpunkt in die Neuen Bundesländer.[11] Im Zuge eines Gastdirigats[12] im Frühjahr 1990 wurde er zum Nachfolger Olaf Kochs als Chefdirigent der Halleschen Philharmonie gewählt,[10] als solcher er von Juli 1990 bis Juni 1999 amtierte. 1991 wurde der Klangkörper in Philharmonisches Staatsorchester Halle umbenannt,[13] gleichzeitig erfolgte Beissels Ernennung zum Generalmusikdirektor des Landes Sachsen-Anhalt.[10] Gemeinsam mit dem Hallenser Oberbürgermeister Klaus Peter Rauen, den er aus Bonn kannte,[7] initiierte er den ersten Konzertsaal-Neubau in den Neuen Ländern.[14] Im Oktober 1998 weihte er mit dem Staatsorchester den Großen Saal der Georg-Friedrich-Händel-Halle mit Beethovens Die Weihe des Hauses und Mahlers 2. Sinfonie ein.[14] Bereits 1992 regte er gemeinsam mit dem Landesmusikrat Sachsen-Anhalt die Gründung des Landesjugendorchesters Sachsen-Anhalt an,[15] dessen künstlerischer Leiter er bis 2019 war. Von 2001 bis 2006 war er Generalmusikdirektor des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt (Oder).[4]
In den 1990er Jahren gastierte er mit Wagner-Opern u. a. in Australien und Südamerika.[10]
Beissel pflegte vor allem das klassische und romantische Repertoire.[16] Er legte mehrere Rundfunk- und CD-Aufnahmen vor.[4] So spielte er etwa Wagners C-Dur-Sinfonie, Ballettmusik von Rubinsteins Oper Der Dämon und diverse Klavierkonzerte (Chopin, Hummel u. a.) ein.[6]
Familie
Beissel, römisch-katholisch,[4] lebte im rheinischen Remagen. Er war verheiratet und Vater von zwei Kindern.[4] Seine jüngste Tochter Katharina Beissel (* 1978)[4] ist Schauspielerin und war mit dem Komiker und Schauspieler Tom Gerhardt verheiratet.[17]
Auszeichnungen
- 1962: 1. Preis beim Dirigenten-Wettbewerb des Deutschen Musikrats in Verbindung mit dem NDR in Hannover[6]
- 1982: Johannes-Brahms-Medaille der Stadt Hamburg[4] – gemeinsam mit den Hamburger Symphonikern[11]
- 1998: Bundesverdienstkreuz am Bande[18]
- 1999: Ehrenbecher der Stadt Halle (Saale)[19]
- 2004: Kultursenator des Landes Sachsen-Anhalt[20]
- 2006: Ehrendirigent des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt[21]
- 2012: Verdienstorden des Landes Sachsen-Anhalt[22]
- 2019: Ehrendirigent des Jugendsinfonieorchesters Sachsen-Anhalt
Filmografie
- Die Kameliendame (1986/87)
- Globi und der Schattenräuber (2001–2003)
Literatur
- Heribert Beissel, in Internationales Biographisches Archiv 08/2008 vom 19. Februar 2008, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
- Norbert Beleke (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who's Who. 35. Ausgabe (1996/97), Schmidt-Römhild, Lübeck 1995, ISBN 3-7950-2019-0, S. 81.
- Gisela Heine: Das Philharmonische Staatsorchester Halle. G. Heine, Halle (Saale) 1997, S. 45f.
- John L. Holmes: Conductors on Record. Greenwood Press, Westport 1982, ISBN 0-575-02781-9, S. 55.
- Hans-Joachim Schellmann, Manfred Wockel (Hrsg.): Who’s Who in the Catholic World. Namenstexte über führende Persönlichkeiten katholischen Glaubens in weltlichen und klerikalen Positionen in deutscher Sprache. 3. Ausgabe, Intercontinental Book and Publishing, Wien 1983, ISBN 3-85413-003-1.
Weblinks
- Literatur von und über Heribert Beissel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Heribert Beissel bei Discogs
- Heribert Beissel bei filmportal.de
- Heribert Beissel bei der Klassischen Philharmonie Bonn
- Heribert Beissel beim Jugendsinfonieorchester Sachsen-Anhalt
- Website von Heribert Beissel (deutsch, englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Dirigent Heribert Beissel gestorben. In: Märkische Oderzeitung. 16. Juni 2021 .
- ↑ Bernhard Hartmann: Nachruf: Dirigent Heribert Beissel mit 88 Jahren gestorben. In: Bonner General-Anzeiger. 15. Juni 2021 .
- ↑ a b c Hans-Joachim Schellmann, Manfred Wockel (Hrsg.): Who’s Who in the Catholic World. Namenstexte über führende Persönlichkeiten katholischen Glaubens in weltlichen und klerikalen Positionen in deutscher Sprache. 3. Ausgabe, Intercontinental Book and Publishing, Wien 1983, ISBN 3-85413-003-1.
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p q r s Heribert Beissel im Munzinger-Archiv, abgerufen am 18. April 2020 (Artikelanfang frei abrufbar)
- ↑ a b Norbert Beleke (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who's Who. 35. Ausgabe (1996/97), Schmidt-Römhild, Lübeck 1995, ISBN 3-7950-2019-0, S. 81.
- ↑ a b c d e f g John L. Holmes: Conductors on Record. Greenwood Press, Westport 1982, ISBN 0-575-02781-9, S. 55.
- ↑ a b c Felicitas Zink: Mit dem Taktstock um die ganze Welt. In: Kölnische Rundschau, 23. März 2013.
- ↑ Tom R. Schulz: Ein Leben für die Harmonie. Dirigent Heribert Beissel, 14 Jahre lang Chef der Hamburger Symphoniker, feiert diesen Mittwoch seinen 80. Geburtstag. In: Hamburger Abendblatt, 27. März 2013, Nr. 73, S. 19.
- ↑ Bernhard Hartmann: Wiener Klassik für Bonn und Berlin. Heribert Beissel wird heute 70 Jahre alt. In: Bonner General-Anzeiger, 27. März 2003, S. 13.
- ↑ a b c d Gisela Heine: Das Philharmonische Staatsorchester Halle. G. Heine, Halle (Saale) 1997, S. 45f.
- ↑ a b Bernhard Hartmann: Der Leidenschaftliche Bruckner zum Geburtstag: Heribert Beissel, der langjährige Chef der Klassischen Philharmonie Bonn, wird heute 80. In: Bonner General-Anzeiger, 27. März 2013, S. 12.
- ↑ Beissel. GMD in Halle. In: Bonner General-Anzeiger, 27. Juni 1990, S. 12.
- ↑ Gisela Heine: Tradition und Moderne. 50 Jahre Staatsorchester Halle. In: das Orchester 1/1997, S. 44.
- ↑ a b Jörg Clemen, Michael Willing: Die Händel-Halle kostete 67 Millionen Mark und ist seit der Wende der erste Konzertsaal-Neubau im Osten. In: Leipziger Volkszeitung, 17. Oktober 1998, S. 11.
- ↑ Katja Pausch: Dirigat als Geschenk zum 80. In: Mitteldeutsche Zeitung, 9. Februar 2013.
- ↑ Thomas Kölsch: Heribert Beissel: Im Dienst der Werktreue. In: Rhein-Zeitung, 27. März 2013, S. 33.
- ↑ WOK: Bonner Dirigenten-Tochter heiratet Kölner TV-Hausmeister. In: Bonner General-Anzeiger, 16. Juli 2003, S. 36.
- ↑ LN: Verdienstkreuz für Beissel. In: Bonner General-Anzeiger, 24. September 1998, S. 7.
- ↑ Würdigung. Ein Physiker mit viel Ausstrahlung. Professor Bethge soll Ehrenbecher erhalten. In: Mitteldeutsche Zeitung, 18. März 2000.
- ↑ Beissel ist jetzt Kultursenator. In: Rhein-Zeitung, 12. Juni 2004.
- ↑ Ehrendirigent Heribert Beissel, bsof.de, Zugriff: 18. April 2020.
- ↑ Nachrichten. In: Bonner General-Anzeiger, 7. Dezember 2012, S. 10.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Beissel, Heribert |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Dirigent, Chorleiter und Hochschullehrer |
GEBURTSDATUM | 27. März 1933 |
GEBURTSORT | Wesel |
STERBEDATUM | 11. Juni 2021 |