Hermann Braus

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Daniel Abraham Otto Hermann Braus (* 15. August 1868 in Burtscheid; † 28. November 1924 in Würzburg) war ein deutscher Mediziner und Anatom, der im Gegensatz zu den biologisch eingestellten vergleichenden Anatomen bereits ein Vertreter des funktionellen Gedankens[1] in der Anatomie war.

Leben und Wirken

Hermann Braus war der Sohn des praktischen Burtscheider Arztes Otto Braus (1835–1906) und dessen Ehefrau Bertha Ernestine (1844–1914), geborene Lamberts.

Hermann Braus begann zunächst ein naturwissenschaftliches Studium an der Universität Bonn, wechselte dann den Studiengang und studierte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Medizin, wobei er in Heidelberg durch Carl Gegenbaur in die vergleichende Anatomie eingeführt und in Jena maßgeblich durch Ernst Haeckel geprägt wurde. Hermann Braus wurde am 23. September 1892 in Jena mit seiner Dissertation Über die Rami ventrales der vorderen Spinalnerven einiger Selachier zum Dr. med. promoviert, bestand am 4. März 1893 die ärztliche Staatsprüfung und nahm eine Assistentenstelle bei Max Fürbringer im Anatomischen Institut Jena an. In der Zeit vom 1. April 1890 bis 1. Oktober 1890 und vom 1. April 1893 bis 1. Oktober 1893 erfüllte er zwischenzeitlich in Bonn und Aachen seine Militärdienstpflicht als Einjährig-Freiwilliger. 1896 habilitierte er mit seiner Habilitationsschrift Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere in Jena.

Zusammen mit Leo Drüner verbesserte und entwickelte er in Zusammenarbeit mit der Firma Carl Zeiss einige optische Instrumente, wie zum Beispiel die „Präparierlupe nach Braus-Drüner“, eine binokulare Lupe, die bei der Präparation von Kleinstlebewesen Verwendung fand. Schwerpunkte der Forschungsarbeit von Hermann Braus waren die Zellteilung und die Funktionsweise der menschlichen Gelenke. Zum Gewinnen von Untersuchungsmaterial unternahm er dabei bereits von Jena aus zahlreiche Forschungsreisen an das Institut für Meereskunde in Bergen (Norwegen) sowie an die Mittelmeerküste. Im Jahr 1899 wechselte Braus an die Julius-Maximilians-Universität Würzburg auf eine Stelle bei Albert von Koelliker als Prosektor. Während dieser Zeit wurde er durch Theodor Boveri und Hans Spemann zum entwicklungsphysiologischen Experiment angeregt. 1901 wechselte er zunächst als Prosektor nach Heidelberg, wo er später im Jahr 1912 als Nachfolger von Max Fürbringer den Lehrstuhl für Anatomie übernahm. 1921 kehrte er nach Würzburg zurück, um die Stelle des im Juni 1920 verstorbenen Ordinarius Oskar Schultze zu übernehmen.

Zur Erforschung der Entstehung peripherer Nerven nahm er Experimente an lebenden Tieren vor wie zum Beispiel Reizungsversuche an den Gliedmaßen-Nerven von Rochen und Haien. In der Lehre führte er neue Medien ein, wie Fotos, Projektionen und Röntgenaufnahmen. Hermann Braus war ab 1922 als Nachfolger von August Pütter (1879–1929) Herausgeber der Zeitschrift „Die Naturwissenschaften“. Sein lange Zeit führendes Lehrbuch Anatomie des Menschen wurde nach seinem Tod von Curt Elze vollendet und weitergeführt und erlebte mehrere Auflagen. Zahlreiche seiner plastischen Zeichnungen erscheinen noch heute in fast unveränderter Form in Lehrbüchern des In- und Auslandes.

Hermann Braus wurde am 10. November 1903 unter der Matrikel-Nr. 3171 als Mitglied in die Kaiserliche Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Akademie der Naturforscher[2] und im Jahr 1920 als Mitglied in die Heidelberger Akademie der Wissenschaften aufgenommen.

Er war seit 1899 mit Elisabeth (1879–1929), einer Tochter des Anatomen Max Fürbringer, verheiratet. Das Ehepaar hatte drei Töchter. Die Schweizer Bildhauerin und Kleinplastikerin Hedwig Haller-Braus war die zweite Tochter des Ehepaars.

Grab von Hermann Braus und seiner Frau Elisabeth, Bergfriedhof Heidelberg

Hermann Braus wurde auf dem Bergfriedhof in Heidelberg bestattet.[3]

Ein 2 laufende Meter umfassender Nachlass von Hermann Braus wird im Archivzentrum der Universitätsbibliothek Frankfurt aufbewahrt.[4] Weitere Nachlässe befinden sich an den Universitätsbibliotheken Heidelberg[5] und Würzburg.[6]

Schriften (Auswahl)

  • Über die Rami ventrales der vorderen Spinalnerven einiger Selachier. Inaugural-Dissertation, Jena 1892, 35 S.
  • mit Leo Drüner: Ueber ein neues Präpariermikroskop und über eine Methode grössere Tiere in toto histologisch zu konservieren. In: Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaften, Bd. 29, (= N.F. 22), Jena, 1895, S. 435–442 (Digitalisat)
  • Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. Habilitationsschrift zur Erlangung der Venia docendi der Hohen medicinischen Fakultät der Grossherzoglichen und Herzoglich Sächsischen Gesammtuniversität Jena, Gustav Fischer, Jena 1896
  • Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere. In: Denkschriften der Medicinisch-Naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, 5, Jena 1896, S. 303–367 (Digitalisat)
  • Ueber Photogramme von Metallinjectionen mittelst Röntgen-Strahlen. In: Anatomischer Anzeiger, XI, 21, Jena 1896, S. 625–629 (Digitalisat)
  • mit Leo Drüner: Das binoculare Präparir- und Horizontalmikroskop. In: Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie und für mikroskopische Technik, 14, 1, Jena 1897, S. 5–10 (Digitalisat)
  • Beiträge zur Entwicklung der Muskulatur und des peripheren Nervensystems der Selachier. I. Theil. Die metotischen Urwirbel und spino-occipitalen Nerven. In: Carl Gegenbaur (Hrsg.): Morphologisches Jahrbuch. Eine Zeitschrift für Anatomie und Entwickelungsgeschichte, 27, 3, Engelmann, Leipzig 1899, S. 415–496 (Digitalisat)
  • Beiträge zur Entwicklung der Muskulatur und des peripheren Nervensystems der Selachier. II. Theil. Die paarigen Gliedmaßen. In: Carl Gegenbaur (Hrsg.): Morphologisches Jahrbuch. Eine Zeitschrift für Anatomie und Entwickelungsgeschichte, 27, 4, Engelmann, Leipzig 1899, S. 501–629 (Digitalisat)
  • Die Muskeln und Nerven der Ceratodusflosse. In: Denkschriften der Medicinisch-Naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, 4, 1, Jena 1901, S. 137–300 (Digitalisat)
  • Tatsächliches aus der Entwicklung des Extremitätenskelettes bei den niedersten Formen. Zugleich ein Beitrag zur Entwicklungsgeschicchte des Skelettes der Pinnae und der Visceralbögen. In: Denkschriften der Medizinisch-Naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, 11, (= Festschrift zum siebzigsten Geburtstage von Ernst Haeckel, Herausgegeben von seinen Schülern und Freunden), Fischer, Jena 1904, S. 377–436 (Digitalisat)
  • Experimentelle Beiträge zur Morphologie. Engelmann, Leipzig 1906 (Digitalisat)
  • Pfropfung bei Tieren. In: Verhandlungen des naturhistorisch-medizinischen Vereins zu Heidelberg, 8, 5, Heidelberg 1908, S. 525–539 (Digitalisat)
  • Anatomie des Menschen. Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte. Erster Band. Bewegungsapparat. Julius Springer, Berlin 1921 (Digitalisat)
  • Anatomie des Menschen. Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte. Zweiter Band. Eingeweide. Julius Springer, Berlin 1924 (Digitalisat)
  • mit Curt Elze: Anatomie des Menschen. Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte. Dritter Band. Centrales Nervensystem. Julius Springer, Berlin 1932 (Digitalisat)

Literatur

Weblinks

Wikisource: Hermann Braus – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 63.
  2. Karl von Fritsch (Hrsg.): Leopoldina. Amtliches Organ der Leopoldinisch-Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher. 39. Heft. In Kommission bei Wilh. Engelmann in Leipzig, Halle 1903, S. 133 (biodiversitylibrary.org).
  3. In der Grabstätte mit der Skulptur eines ausschreitenden Mädchens mit Blüte in der rechten Hand wurden außer ihm noch seine Ehefrau Elisabeth und seine Tochter Dorothea (1901–1998), verheiratete Steinberg, beigesetzt.
  4. Der Nachlass (Signatur Na 37) hat eine Laufzeit von 1885–1924 und besteht inhaltlich aus Manuskripten und Typoskripten, privater und beruflicher Korrespondenz und persönlichen Dokumenten sowie einigen Fotos. Der Bestand ist über die Datenbank Arcinsys erschlossen und kann dort recherchiert werden.
  5. Der Nachlass (Signatur Heid. Hs. 3915) mit Briefen, Kollegmanuskripten, Zeichnungen und Kollegnotizen umfasst 6 Ordner, 3 Faszikel, 6 Hefte und 2 Pakete.
  6. Der Nachlass (Signatur DE-611-BF-10610) mit Kollegmanuskripten, Kollektaneen, Manuskripten und Briefen umfasst 14 Faszikel.