Hermann von Wedderkop

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Hermann von Wedderkop, um 1919

Hermann von Wedderkop, auch Hans von Wedderkop und Harro von Wedderkop (* 29. November 1875 in Mecklenburg; † 1. Januar 1956), auch bekannt unter seinem Spitznamen Weddo[1], war ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber der Zeitschrift Der Querschnitt von 1924 bis 1931.

Leben

Wedderkop, ursprünglich Regierungsassessor in Köln, traf 1907 in Paris den Kunsthändler Alfred Flechtheim, der ihm erste künstlerische Impulse gab und ihn später für die Galerie-Zeitschrift Querschnitt gewann. 1912 schrieb Wedderkop einen kleinen Ausstellungsführer für die Sonderbundausstellung in Köln. Im Ersten Weltkrieg war er Zivilkommissar der deutschen Besatzungsverwaltung in Brüssel. Dort lernte er auf dem Schloss La Hulpe des von ihm verehrten Schriftstellers Carl Sternheim dessen sich gerade trennende Gattin Thea Sternheim und Gottfried Benn kennen[2], der zu dieser Zeit als Lazarettarzt gerade mit Kokain „experimentierte“ und sich daher den Unmut des Verwaltungsbeamten Wedderkop zuzog. Benn sagte ihm später eine genauso desavouierende Affäre mit der 20 Jahre jüngeren und später dezidiert „anti-deutsch“ auftretenden Nachwuchsschauspielerin Yvonne George nach.[3]

Von 1914 bis 1920 schreibt Wedderkop für die Kunstzeitschrift Kunst und Künstler sowie von 1920 bis 1922 für Der Cicerone. Anfang der 20er Jahre war Wedderkop im beratenden Ausschuss der Künstlervereinigung Das Junge Rheinland. In der Reihe Junge Kunst im Verlag Klinkhardt & Biermann Leipzig veröffentlichte er 1920 seinen ersten Band über Paul Klee, der gleichzeitig die erste Monografie über Klee war. 1921 folgte ein zweiter Band über Marie Laurencin. Im selben Jahr war er Mitarbeiter des Querschnitt, der sich aus den von Flechtheim herausgegebenen Galerienachrichten entwickelte. Als Herausgeber gelang es Wedderkop, den Querschnitt zum führenden deutschen Zeitgeist-Magazin der 1920er Jahre zu machen: offen für die künstlerische Avantgarde, wie Pablo Picasso, Marc Chagall oder Fernand Léger, ebenso wie für die Heroen des Boxsports, ironisch elitär und mit künstlerischen Fotos männlicher und weiblicher Aktmodelle garniert. In Ernest Hemingways postum erschienen MemoirenParis – Ein Fest fürs Leben“ wird Wedderkop als Abnehmer seiner Werke erwähnt und als awfully nice (zu deutsch: schrecklich nett) beschrieben. Auch im Nachlass von Sylvia Beach findet sich eine Postkarte auf der Wedderkop gemeinsam mit Hans Effenberger, George Antheil, dessen Frau Elizabeth Boski Markus abgebildet ist. Auf der Rückseite wurde handschriftlich die Namen der Portraitierten festgehalten. Anstelle von Wedderkops Namen allerdings Mr. Awfully-Nice geschrieben.[4]

Die Tatsache, dass Wedderkop 1929 vom Ullstein Verlag ein Chefredakteur an die Seite gestellt und er im Mai 1931 von seinem Herausgeber-Posten des Querschnitt entfernt wurde, soll nach Wilmont Haacke etwas mit Wedderkops publizistischer Begeisterung für Benito Mussolini zu tun gehabt haben. Wedderkop besuchte Mussolini am 5. Mai und 10. Oktober 1930 sowie am 28. Mai 1935. Nach seinem ersten Besuch widmete er Mussolini im Querschnitt das Porträt Mussolini wie ich ihn sehe, in dem er den Faschismus als einzig italienische Angelegenheit und streng national betrachtete. Wedderkop verbrachte die meiste Zeit des Nationalsozialismus in Italien.

„Wedderkop […], der als Herausgeber des Querschnitts sehr bekannt wurde, aber nie als etwas anderes. Wedderkop war weder Berliner noch Schriftsteller, sondern Regierungsassessor in Köln; zwar veröffentlichte er später Reisehandbücher und ein, zwei Romane, aber, er blieb ein literarischer Amateur. Er könnte eine Figur von Carl Sternheim sein: schnoddrig mit leichter Selbstpersiflage; zynisch mit einem Anflug von Gemüt; blasiert mit seigneuralen Allüren, weniger aus Geltungsbedürfnis, als um den Bürger vor den Kopf zu stoßen.“

Ernst Stein, Die Zeit. 2. August 1968.

„Wedderkop, bis heute ein großer Unbekannter, war sicherlich der beste deutsche Blattmacher vor dem zweiten Weltkrieg – anders als Samuel Fischers Neue Rundschau oder Tucholsky/Jacobsohns Weltbühne, die ihren Ruf den Autoren allein verdankten und ansonsten die Bleiwüste als Gestaltungsprinzip feierten, machte Hermann von Wedderkop Flechtheims Zeitschrift Querschnitt zum auch optischen Zentralorgan der Avantgarde: Was für eine Zeitschrift! Dem Jahr 1927 wie aus dem Gesicht geschnitten, geschichtsvergessen, assoziationslüstern, nervös, immer dabei, Heroen zu zertrümmern, Hierarchien aufzuweichen und hellwach die wildesten visuellen Verbindungen zu knüpfen. Die Kunst war hier eine Spielart des Lebens – ihre Bilder tauchten neben denen von Boxern auf, von Menschen am Strand und antiken Fresken.“

Florian Illies, Die Zeit. 15. November 2017.

Wedderkop lehnte die „alte Literatur“ um Gerhart Hauptmann und Thomas Mann ab und vertrat die Forderung nach einem wirklichkeitsnahen Gesellschaftsroman[5]. Er hat selbst 1927 mit Adieu Berlin beim S. Fischer Verlag einen entsprechenden, autobiographisch gefärbten Sportroman vorgelegt. Dem als kränkelnd und krankmachenden Großstadtdschungel von Berlin stellt er die frische Natur des Nordseebades Kampen und den neuen Frauentyp des „Sport-Girls“ entgegen[6]. Gegen die zur gleichen Zeit erscheinenden Sportromane von bereits etablierten Autoren wie Hugo von Waldeyer-Hartz (Sportmädel 1926) oder Erich Maria Remarque (Station am Horizont 1927) fand er wenig Beachtung. Erfolgreicher waren Wedderkops alternativen Reisebücher, die im Piper Verlag in der Reihe Was nicht im „Baedeker“ steht erschienen sind. Nachdem in der Nachfolge der Münchner Ausstellung 'Entarte Kunst' die Reichsschrifttumskammer seine positiven Darstellungen zeitgenössischer Kunst (u. a. 'Deutsche Graphik des Westens' 1938) auf die Liste des 'schädlichen und unerwünschten Schrifttums' gesetzt hatte, wich Wedderkop auf zunächst anonym erscheinende Übersetzungen von Sachbuch-Bestseller zum 'self management' der Motivationstrainer Dale Carnegie und Walter B. Pitkin aus. Nach Kriegsende übertrug die literarischen Reiseerinnerungen des italienischen Kunstkritikers Emilio Cecchi.

Werke

  • Die Kölner Museumsfrage. In: Der Cicerone (Verlag Klinkhardt & Biermann, Leipzig), Bd. 12 (1920), S. 253–254.
  • Rheinische Bestrebungen und Gleichgültigkeiten. In: Kunst und Künstler, Bd. 18 (1920), S. 81–84.
  • Paul Klee. Klinkhardt & Biermann, Leipzig 1920.
  • Marie Laurencin. Klinkhardt & Biermann, Leipzig 1921 (Porträt der französischen Lyrikerin und Malerin).
  • Dadaismus. In: Der Cicerone (Verlag Klinkhardt & Biermann, Leipzig), Bd. 13 (1921), S. 422–430
  • Expressionismus und Wirklichkeit. In: Feuer (Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur, Leipzig), Bd. 3 (1921/1922), S. 141–144.
  • Paul Cézanne. Klinkhardt & Biermann, Leipzig 1922.
  • Deutsche Graphik des Westens. Feuerverlag, Weimar 1922.
  • Adieu Berlin. Roman. Fischer, Berlin 1927.
  • Das Buch von Köln, Düsseldorf, Bonn. Was nicht im „Baedeker“ steht, Bd. V, Piper, München 1928.
  • Das Buch von Paris. Was nicht im „Baedeker“ steht, Bd. VII, Piper, München 1929.
  • Das Buch von London. Was nicht im „Baedeker“ steht, Bd. X, Piper, München 1930.
  • Der Rhein von den Alpen bis zum Meere. 67 Bilder, eingeleitet von Hermann von Wedderkop, erläutert von Emil Schaeffer. Schaubücher Bd. 40, Orell Füssli, Zürich 1931.
  • Das Buch von Rom. Was nicht im „Baedeker“ steht, Bd. XIII, Piper, München 1930 (2. überarb. Aufl. 1938)
  • Das Buch von Oberitalien. Was nicht im „Baedeker“ steht, Bd. XI, Piper, München 1931.
  • Das unbekannte Berlin. Ein Führer durch Straßen, Zeit und Menschen. Weicher Verlag, Leipzig/Berlin, 1936.
  • Die falsche Note. Ein Musikroman. Scientia, Zürich 1940.
  • Sizilien. Schicksal einer Insel. Scientia, Zürich 1940.

Übersetzungen

  • Wie man Freunde gewinnt. Rascher, Zürich-Leipzig 1938. Übers. v. „How to win friends and influence people“ von Dale Carnegie, New York 1937.
  • Mache dein Glück vor Vierzig! Scientia, Zürich 1940. Übers. v. „Making good before forty“ von Walter B. Pitkin, New York 1939.
  • Die Macht der Rede. Ihre Geheimnisse und ihre Methoden. Scientia, Zürich 1940. Übers. v. „Public speaking and influencing men in business“ von Dale Carnegie, New York 1937 (3. überarb. Aufl.)
  • Arkadien. Erlebtes Griechenland. Broschek, Hamburg 1949. Übers. v. 'Et in Arcadia ego' von Emilio Cecchi, Mailand 1936.

Literatur

  • Wilmont Haacke, Alexander von Baeyer (Hrsg.): Facsimile Querschnitt durch den Querschnitt Scherz, München usw. 1968, DNB 456595031.
  • Bettina Deininger, Ulrike Felger: ‘Der Stoff legt auf der Straße‘. Der Querschnitt. In: Patrick Rössler (Hrsg.): Moderne Illustrierte, illustrierte Moderne. Zeitschriftenkonzepte im 20. Jahrhundert. Katalog zur Ausstellung in der Württembergischen Landesbibliothek vom 17. Juni bis 1. August 1998, S. 27–38.
  • Julia Bertschik: Janusköpfige Moderne. Der Querschnitt zwischen künstlerischer Avantgarde, Neuer Sachlichkeit und ›Habsburgischem Mythos‹. In: Primus-Heinz Kucher (Hrsg.): Verdrängte Moderne – vergessene Avantgarde. Diskurskonstellationen zwischen Literatur, Theater, Kunst und Musik in Österreich 1918–1938, V&R press, Göttingen, 2016, S. 171–186.

Einzelnachweise

  1. DURCH SCHNITT KUNST In: taz. die tageszeitung, 20. März 1990. S. 24–25.
  2. https://www.deutschlandfunkkultur.de/vorzeigedichter-der-adenauer-republik.988.de.html?dram:article_id=153822
  3. Gottfried Benn, Thea Sternheim, Mopsa Sternheim: Briefwechsel und Aufzeichnungen. 2004, S. 376.
  4. Princeton University Library: Photographic Postcard: Böske Antheil, Jean Slivinsky, And Others at a Fair in Paris, 1925
  5. vgl. Hermann von Wedderkop: Wandlungen des Geschmacks. In: Der Querschnitt, Bd. 6 (1926), S. 497ff und Inhalt und Technik des neuen Romans. In: Der Querschnitt, Bd. 7 (1927), S. 426ff
  6. Nanda Fischer: Traumhelden, Sportgirls und Geschlechterspiele. Sport als Literatur. Zur Theorie und Praxis einer Inszenierung. F&B Verlag, Eching 1999, S. 92ff

Weblinks