Hilde Steppe

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Hilde Steppe (* 6. Oktober 1947 in Rethem; † 23. April 1999 in Frankfurt am Main) war eine deutsche Krankenschwester, Berufspolitikerin, Diplompädagogin, Pflegewissenschaftlerin und Professorin. Sie hat sich intensiv mit der Rolle der deutschen Krankenpflege während der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt und hatte als Gewerkschafterin entscheidenden Anteil an der Professionalisierung und Akademisierung der Pflegeberufe in Deutschland.

Leben und Wirken

Hilde Steppe schloss ihre Ausbildung zur Krankenschwester am Stadtkrankenhaus Kempten (Allgäu) 1968 ab. Weiterbildungen zur Fachpflegekraft für Intensivpflege und Anästhesie und zur Pflegedienstleitung folgten. Als solche war sie unter anderem als Stationsleitung der intensivmedizinischen Abteilung des Universitätsinstitutes für Anästhesiologie in Tübingen tätig. 1978 wurde Hilde Steppe Lehrerin am Fortbildungszentrum für Berufe im Gesundheitswesen beim Berufsfortbildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Frankfurt am Main, dessen Leitung sie später übernahm. Sie war Gewerkschaftsmitglied der ötv und eine Befürworterin der Vertretung der berufseigenen Interessen mit Hilfe eigenständiger Berufsorganisationen.

Hilde Steppe begann auf Anregung der Kaiserswerther Diakonisse Anna Sticker zu Beginn der 1980er Jahre mit dem Aufbau eines Archivs zur Geschichte der Pflege und gründete eine Arbeitsgemeinschaft zur Geschichte der Pflege. In Zusammenarbeit mit dieser Arbeitsgemeinschaft gab sie 1984 das Buch Geschichte der Krankenpflege – Versuch einer kritischen Aufarbeitung heraus, das sich erstmals mit Krankenpflege im Nationalsozialismus befasste. Auch befasste sich Steppe mit dem Thema des Umgangs mit Schwerkranken und Sterbenden.[1] Hilde Steppe gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Vereins für Pflegewissenschaft (heute: Deutsche Gesellschaft), die auf der Gründungsversammlung am 10. Mai 1989 erstmals einen Vorstand wählten. Dieser Vorstand bestand aus fünf Frauen, darunter Hilde Steppe.[2] Hilde Steppe wurde zudem zur Schriftführerin des Vorstandes bestimmt.[3] Hilde Steppe rief 1990 mit der „Sektion historische Pflegeforschung“ die erste Sektion des neuen Vereins ins Leben.[4] Diese Sektion war bereits zu Beginn der 1990er Jahre international vernetzt und entsprechend auf Tagungen vertreten, während sich ansonsten der Blick des Vereins eher nach innen richtete, um das zarte Pflänzchen Pflegewissenschaft in Deutschland zu schützen.[5]

Ab 1992 war Hilde Steppe im hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit in Wiesbaden als Referatsleiterin für Pflege im Gesundheitswesen tätig und setzte sich nachhaltig für die Etablierung von Pflegestudiengängen, neben Pflegepädagogik und Pflegemanagement insbesondere auch den Studiengang Pflegewissenschaft, an den Fachhochschulen ein.[6][7] 1994 schloss sie ihr Studium der Erziehungswissenschaften in Frankfurt als Diplompädagogin ab. Sie wurde Lehrbeauftragte an der Ev. Fachhochschule Darmstadt sowie der FH Fulda. Das von ihr gegründete Archiv übergab sie 1995 der Fachhochschule Frankfurt.

Sie setzte während ihrer Tätigkeiten die pflegehistorischen Forschungen fort und promovierte 1997 zum Dr. phil., ihre Dissertation hatte das Thema Geschichte der Jüdischen Krankenpflege.[8][9][10][11] Mit der jüdischen Krankenschwester Thea Levinsohn-Wolf[12] verband sie eine enge Freundschaft. Im Januar 1998 erfolgte ihre Berufung zur Professorin für Pflegewissenschaft an die Fachhochschule Frankfurt. Hilde Steppe intensivierte die deutschsprachige Forschung zur Geschichte der Pflege mit Österreich und der Schweiz. Mit den österreichischen Pflegewissenschaftlerinnen Elisabeth Seidl und Ilsemarie Walter entstand eine enge Zusammenarbeit. Zu den Frankfurter Weggefährtinnen gehörten die Ärztin Eva-Maria Ulmer[13] sowie eine der Reformerinnen psychiatrischer Pflege in Deutschland, Hilde Schädle-Deininger.

Hilde Steppes weitere akademische Laufbahn wurde durch ihren Tod am 23. April 1999 beendet.

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte

  • Geschichte der Krankenpflege im Nationalsozialismus
  • Geschichte der jüdischen Krankenpflege in Deutschland bis 1938
  • »Sektion Historische Pflegeforschung« als erster Sektion des Deutschen Vereins für Pflegewissenschaft (umbenannt in: Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft)
  • Sondersammlung zur Geschichte der Pflege (Hilde-Steppe-Archiv, Dokumentationsstelle Pflege Fachhochschule Frankfurt am Main) – bis 1998 in Kooperation mit der Sektion Historische Pflegeforschung des Deutschen Vereins für Pflegewissenschaft
  • Dreiländer-Interviewprojekt mit Krankenschwestern aus dem 2. Weltkrieg – dto. gemeinsam mit der Sektion Historische Pflegeforschung sowie oesterreichischen und schweizerischen Pflegewissenschaftlerinnen
  • Lehrveranstaltungen zur Geschichte der Pflege an der Fachhochschule Frankfurt/M. sowie der Ev. Fachhochschule Darmstadt

Ehrungen

  • 1993 Auszeichnung mit dem Gießener Krankenpflegepreis.
  • Umbenennung des von ihr gegründeten pflegehistorischen Archivs im Besitz der Fachhochschule Frankfurt in »Dokumentationsstelle Pflege/Hilde-Steppe-Archiv« (nach ihrem Tod).[14][15]
  • Obwohl anderer Konfessionszugehörigkeit Aufnahme in das Online-Portal zur Jüdischen Pflegegeschichte aufgrund ihrer Verdienste um deren Aufarbeitung (juedische-pflegegeschichte.de, Weblink)
  • Symposium an der FH Frankfurt/M. anlässlich des 10. Todestages von Hilde Steppe am 23. April 2009; in Anwesenheit von Ruth Schröck sowie einem Festvortrag von Klaus Dörner zu »Ethischen Entscheidungen in der Pflege« und einer Schrift von Christine R. Auer zum »Peppermint Freedom, dem Deutschen Verein für Pflegewissenschaft und den Professionalisierungsvorstellungen von Hilde Steppe«.[16]
  • Akademische Feier zum 70. Geburtstag »Pflege – Impulse. Hilde Steppe und ihr Einfluss auf die Pflege« am 6. Oktober 2017 an der HS Frankfurt/M.[17]

Veröffentlichungen (Auszug)

Als Autorin:

  • Hilde Steppe: „… den Kranken zum Troste und dem Judenthum zur Ehre …“ Zur Geschichte der jüdischen Krankenpflege in Deutschland. Frankfurt/Main 1997, Dissertationsschrift, ISBN 3-929106-36-1.
  • Hilde Steppe: Krankenpflege im Nationalsozialismus; 1. Aufl. 1981, 9. Aufl. Mabuse, Frankfurt/M. 2001, ISBN 3-925499-35-0. (10. Aufl. unter Mitarbeit von Herbert Weisbrod-Frey, Schwesternschule Universität Heidelberg, 2013)
  • Hilde Steppe: Das Dilemma der pflegerischen Ethik, sowie: Die Bedeutung von Pflegetheorien für die Pflegepraxis, in: Hilde Schädle-Deininger (Hrsg.): Pflege Pflege-Not Pflege-Not-Stand, Entwicklungen psychiatrischer Pflege (mit Beiträgen von Antje Grauhan, Ruth Schröck, Ulrike Villinger et al.), Mabuse-Verlag Ffm 1994, S. 32–58 bzw. 68–80, ISBN 3-925499-99-7.[18]

Als Herausgeberin:

  • Elisabeth Seidl, Hilde Steppe (Hrsg.): Zur Sozialgeschichte der Pflege in Österreich. Krankenschwestern erzählen über die Zeit von 1920 bis 1950. Wilhelm Maudrich, 1996.
  • Hilde Steppe, Eva-Maria Ulmer (Hrsg.): Ich war von jeher mit Leib und Seele Pflegerin. Mabuse, Frankfurt/M. 1999, ISBN 3-933050-42-1.
  • Hilde Steppe (Hrsg.: Eva-Maria Ulmer, Eva-Maria Krampe, Walburga Haas und Hilde Wackerhagen): Die Vielfalt sehen, statt das Chaos zu befürchten. Ausgewählte Werke. Huber, Bern 2003, mit Beiträgen von Elisabeth Seidl, Annemarie Kesselring, Johanna Taubert, Dorothée Ebels, Norbert Klüsche, Ulrike Höhmann, Heinrich Recken, Ulrike Döring et al. ISBN 3-456-83919-7.

Literatur

  • Marianne Arndt: Orbituary Hilde Steppe, in: International History of Nursing Journal, 13, 44, 1999.
  • Eva-Maria Ulmer: Nachruf auf Hilde Steppe, Leben und Werk, Webseite Fachhochschule Ffm, 23. April 1999.[19]
  • Horst-Peter Wolff: Steppe, Hilde. In: Horst-Peter Wolff (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Pflegegeschichte. „Who was who in nursing history.“ Urban&Fischer, 2001, ISBN 3-437-26670-5, Band 2, S. 213–214.
  • Horst-Peter Wolff, Jutta Wolff: Krankenpflege: Einführung in das Studium ihrer Geschichte, Mabuse Ffm 2008, zu Hilde Steppe S. 19, 22+28. ISBN 978-3-940529-01-5.
  • Christine R. Auer und Heinrich Recken: Hilde Steppe. Pionierin einer professionellen Pflege, in CNE (Certified Nursing Education), Thieme Verlag Stuttgart 2 (2008), LE 7, S. 7.
  • Sylvelyn Hähner-Rombach und Heinrich Recken: Kommentar zum Aufsatz von Hilde Steppe: »Dienen ohne Ende. Die historische Entwicklung der Arbeitszeit in der Krankenpflege in Deutschland«, Hogrefe AG Online Publishing 20. Dezember 2012.[20]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Nachlass Hilde Steppe (bearbeitet von Walburga Haas), Hilde Steppe Dokumentationsstelle Fachhochschule Ffm, Signaturen O1-O9 Sterbebegleitung, Umgang mit Schwerstkranken und Sterbenden, Einflüsse von Sterbeerfahrungen auf das Befinden von Pflegepersonen, sowie Sign. O13 Hessen AG: Sterben und Tod, in Zusammenarbeit mit Diak. Werk Kurhessen-Waldeck.
  2. Sabine Bartholomeyczik: 30 Jahre DGP. 30 Jahre Pflegewissenschaft in Deutschland, Vortrag anlässlich des Symposiums 30 Jahre DGP in Berlin, abgerufen am 1. Juni 2019.
  3. Sabine Bartholomeyczik: Über die Anfänge der DGP: Die Gründung des Deutschen Vereins zur Förderung von Pflegewissenschaft und -forschung (DVP) vor 30 Jahren. In: Pflege&Gesellschaft. Zeitschrift für Pflegewissenschaft, 24. Jg., H1, 2019, Schwerpunktheft: Dreißig Jahre Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.V. (DGP). Beltz Juventa, Weinheim, Seiten 8, 13–15.
  4. dg-Pflegewissenschaft, Historische Sektion, abgerufen am 10. November 2016.
  5. Renate Stemmer, Christa Büker, Bernhard Holle, Sascha Köpke, Erika Sirsch: Der Beitrag der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft angesichts zukünftiger Herausforderungen. In: Pflege&Gesellschaft. Zeitschrift für Pflegewissenschaft, 24. Jg., H1, 2019, Schwerpunktheft: Dreißig Jahre Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft e.V. (DGP), Beltz Juventa, Weinheim, S. 69.
  6. Christine R. Auer: Geschichte der Pflegeberufe als Fach. Die Curricular-Entwicklung in der pflegerischen Aus- und Weiterbildung. Diss. Institut für Geschichte und Ethik der Medizin (vormals: Geschichte der Medizin) bei Wolfgang U. Eckart, Eigenverlag HD 2008, zu H. Steppe S. 55–59. Abstract Diss. Christine R. Auer (PDF):
  7. Simone Moses: Die Akademisierung der Pflege in Deutschland. Studienreihe der Robert Bosch Stiftung, Hans Huber Verlag, Bern 2015, S. 39.
  8. Wolfgang U. Eckart: Medizin und Krieg. Deutschland 1914–1924. Exkurs: Jüdische Kriegskrankenpflege, S. 120, Ferdinand Schöningh Paderborn, 2014.
  9. Wolfgang U. Eckart, Robert Jütte: Medizingeschichte. Eine Einführung. 2. Auflage. Böhlau, Köln/ Weimar/ Wien 2014, Pflegegeschichte, S. 320.
  10. Hubert Kolling (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Pflegegeschichte „Who was who in nursing history“. Band 7, hpsmedia Nidda 2015, hier: Hubert Kolling: Biographische Angaben der jüdischen Krankenschwester Margarete Adelsheimer, erwähnt in der Dissertation Hilde Steppe S. 229.
  11. Christoph Schweikardt: Die Entwicklung der Krankenpflege zur staatlich anerkannten Tätigkeit im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Das Zusammenwirken von Modernisierungsbestrebungen, ärztlicher Dominanz, konfessioneller Selbstbehauptung und Vorgaben preußischer Regierungspolitik, Martin Meidenbauer Verlag München 2008, S. 27. ISBN 978-3-89975-132-1.
  12. Jüdische Pflegegeschichte.de: Thea Levinsohn-Wolf, abgerufen am 10. November 2016.
  13. Webseite Fachhochschule Ffm: Prof. Dr. Eva-Maria Ulmer (Memento vom 10. November 2016 im Internet Archive), abgerufen am 10. November 2016.
  14. Pflege-Wiki: Hilde-Steppe-Archiv, abgerufen am 10. November 2016.
  15. Geschichte der Sondersammlung Dokustelle Pflege (Memento vom 10. November 2016 im Internet Archive), abgerufen am 2. Juni 2019.
  16. Christine R. Auer: Vom Peppermint freedom zur Gründung des Deutschen Vereins für Pflegewissenschaft (DVP). Professionalisierungsvorstellungen von Hilde Steppe, Hilde Steppe zum 10. Todestag, Eigenverlag, 2009, ISBN 978-3-00-027207-3.
  17. Akademische Feier zum 70. Geburtstag von Hilde Steppe, abgerufen am 1. November 2017.
  18. Inhaltsverzeichnis: Pflege Pflege-Not Pflege-Not-Stand
  19. Eva-Maria Ulmer: Nachruf auf Hilde Steppe (Memento vom 10. November 2016 im Internet Archive), abgerufen am 2. Juni 2019.
  20. Recken, Hähner-Rombach: Kommentar zu Dienen ohne Ende, abgerufen am 10. November 2016.