Historik

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Historik (englisch historiology) ist ein Teilbereich der Geschichtswissenschaft, der sich mit den Grundlagen des Faches, z. B. der Methodik, Quellenkunde, Textkritik, Hermeneutik und Heuristik beschäftigt.[1]

Die ersten wichtigen methodischen Anleitungen für ein systematisch aufgebautes Geschichtsstudium im europäischen Kulturraum stammen aus dem 19. Jahrhundert und wurden von Wilhelm Wachsmuth und Johann Gustav Droysen formuliert. Letzterer schrieb hierzu Folgendes in seinem Grundriss der Historik:

„Das Gegebene für die historische Forschung sind nicht die Vergangenheiten, denn diese sind vergangen, sondern das von ihnen in dem Jetzt und Hier noch Unvergangene, mögen es Erinnerungen von dem, was war und geschah, oder Überreste des Gewesenen und Geschehenen sein.“

Droysen deutet hiermit an, dass sich der Wissenschaftler der Vergangenheit empirisch, also unter Verzicht auf unbegründete Spekulation nähern könne. Dies stellte einen Meilenstein in der Geschichte der Geschichtswissenschaft dar. In neuerer Zeit waren im deutschsprachigen Raum insbesondere Jörn Rüsens ‚Grundzüge einer Historik‘ einflussreich. Rüsen setzt den deutschen Begriff Historik mit dem englischen Wort Metahistory gleich und versteht darunter die spezifische Selbstreflexion der Geschichtswissenschaften.[2]

International wurde das Selbstverständnis der Geschichtswissenschaft durch die Arbeiten von Hayden White herausgefordert („linguistic turn“).

Literatur

  • Blanke, Horst Walter, Historiographiegeschichte als Historik, Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog, 1991.
  • von Brandt, Ahasver: Werkzeug des Historikers, 17. Aufl., Stuttgart 2007.
  • Droysen, Johann Gustav: Grundriß der Historik, 1868.
  • Hindrichs, Gunnar, „Empirische Historik“. Traditionalität und Geschichtskonzept Karl Lamprechts, in: Archiv für Kulturgeschichte, 81. Jg. 1999, 371–395.
  • Baumgartner, H. M.: Thesen zur Grundlegung der transzendentalen Historik, in: Seminar: Geschichte und Theorie. Hg. Baumgartner, H.M./Rüsen, J., Frankfurt a. M. 1976, 274–302.
  • Jörn Rüsen, Grundzüge einer Historik, 3 Bände
    • 1. Historische Vernunft: Die Grundlagen der Geschichtswissenschaft, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1983. ISBN 3-525-33482-6
    • 2. Rekonstruktion der Vergangenheit: Die Prinzipien der Historischen Forschung, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1986. ISBN 3-525-33517-2
    • 3. Lebendige Geschichte: Formen und Funktionen des historischen Wissens, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1989. ISBN 3-525-33554-7
  • Koselleck, Reinhart: Art. "Geschichte, Historie", in: Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland (Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2). Hg. Brunner, O./Conze, W./Koselleck, R., Stuttgart 1975, S. 647–715.
  • Buller, Andreas: Die Geschichtstheorien des 19. Jahrhunderts. Das Verhältnis zwischen historischer Wirklichkeit und historischer Erkenntnis bei Karl Marx und Johann Gustav Droysen (Beitrag zur transzendentalen Historik), Berlin 2002. ISBN 3-8325-0089-8
  • Wachsmuth, Ernst Wilhelm Gottlieb: Entwurf einer Theorie der Geschichte, Halle 1820.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Zur Einordnung der Historik in den fächerübergreifenden Rahmen der verschiedenen Wissenschaftstheorien siehe: Michael Gal: Was ist Theorie? Über Begriff, Vielfältigkeit und Nutzungsmöglichkeiten von Theorie in der Geschichtswissenschaft. In: ders., Internationale Politikgeschichte. Konzeption – Grundlagen – Aspekte. 2. Aufl., Dresden/München 2021, ISBN 978-3-95908-446-8, S. 126–129.
  2. Jörn Rüsen: History - Narration, Interpretation, Orientation. New York 2005.