Hochwasser in Minden

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Weserhochwasser in Minden, Januar 2018

Hochwasser in Minden sind hydrologische Ereignisse, die infolge des besonders hohen Abflusses der Weser eine Überflutung im Bereich der ostwestfälischen Stadt auslösen. Sie treten beinahe jährlich auf. Wenn die Weser nach lang anhaltenden Niederschlägen oder nach der Schneeschmelze hohe Wasserstände erreicht, werden große Bereiche der Weserwiesen im Bereich des Mindener Stadtteils Rechtes Weserufer überschwemmt. Aber auch die auf dem hohen linken Weserufer gelegene Innenstadt kann betroffen sein. 1946 überschwemmte bei einem sogenannten Jahrhunderthochwasser die Weser die Innenstadt bis hin zum Dom. Am östlichen Ufer stand der Bahnhofsvorplatz unter Wasser. Zum Schutz vor einem solchen Hochwasser wurde im 21. Jahrhundert in Minden ein Hochwasserplan festgelegt.

Hochwasserentwicklung

Die Weser hat ein großes Einzugsgebiet durch die beiden Quellflüsse Fulda und Werra, die sich in Hann. Münden treffen und zur Weser vereinigen. Hier reicht das Gebiet bis weit in die thüringischen, hessischen und bayerischen Mittelgebirge hinein und umfasst rund 19.300 km².[1] Beide Quellflüsse der Weser sind durch Wasserbauwerke reguliert, Schleusen ermöglichen teilweise eine Schiffbarkeit als Bundeswasserstraße, zumindest historisch.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde unter Leo Sympher der Ausbau der Schifffahrtskanäle zwischen der Weser und den benachbarten Flusssystemen geplant, der auch die Quellflüsse Werra und Fulda mit einbezog (siehe u. a. Main-Werra-Kanal). Zur Regulierung der Weser wurde die Edertalsperre gebaut, die neben dem Hochwasserschutz auch die Aufgabe hatte, stoßweise Wasserwellen abzulassen, die eine Niedrigwasseraufhöhung der Oberweser und so die Schiffbarkeit unterhalb in Fulda und Weser ermöglichten.[2] Ergänzt wird die Edertalsperre durch die am linken Nebenfluss Diemel gelegene Diemeltalsperre. Durch die Bewirtschaftung der beiden Talsperren ist es möglich, Hochwasserspitzen abzumildern und im Sommer bei Niedrigwasser eine Schiffbarkeit herzustellen.[3] Diese Regulierung beeinflusst auch das Hochwasserverhalten der Weser ab dem Entstehungspunkt der Weser in Hann. Münden. Er liegt rund 200 Flusskilometer oberhalb von Minden, ab hier lässt sich der Hochwasserabfluss in mehrere Abschnitte unterteilen.

Der erste Bereich reicht von dem Entstehungspunkt der Weser bis nach Bad Karlshafen. Hier wird die Weser im Westen und im Osten durch den Reinhardswald und den Bramwald begleitet, der Fluss hat kaum Ausbreitungsmöglichkeiten und fließt durch ein enges Tal. Die Hochwasserwelle ist hier geprägt durch die Überlagerung der beiden Hochwasserwellen der Quellflüsse Werra und Fulda.[4]

Bei Bad Karlshafen fließt als linker Nebenfluss vom Westen die Diemel dazu, die im Oberlauf eine regulierende Staustufe, die Diemeltalsperre, hat und gezielt Wasser in die Weser abgeben kann. Im Hochwasserfall erhöht die Hochwasserwelle aus der Diemel den Hochwasserabfluss auf der Weser.

Der nächste Abschnitt ist breiter, bis zum Zufluss der Emmer von Westen. Auch dieser Fluss ist reguliert und kann hydrologisch gesteuert werden.

Nach dem Hamelner Talkessel verengt sich das Wesertal wieder, ist aber nicht so eng wie im Oberlauf. Der stark mäandrierende Fluss wird im Norden durch das Weserbergland und im Süden durch das Lipper Bergland begleitet. Bei Vlotho wendet sich der Fluss nach Norden, anschließend mündet bei Bad Oeynhausen von Westen die Werre mit einem großen Einzugsbereich aus dem Lipper Bergland in den Fluss.

In der Porta Westfalica tritt der Fluss durch die „Westfälische Pforte“ in die Norddeutsche Tiefebene ein, Minden ist die erste Stadt zehn Kilometer unterhalb an der ehemaligen Furt über die Weser.

Auf einer Fließstrecke von rund 200 km münden, neben den beiden Ursprungsflüssen, drei nennenswerte Nebenflüsse in die Weser, anhand derer man Hochwasserabschnitte definieren kann und die das Hochwasser in Minden prägen. Eine in Hann. Münden aufgebaute Hochwasserwelle erreicht nach rund zwei bis drei Tagen die Stadt Minden. Diese Welle kann entscheidend durch die genannten Zuflüsse beeinflusst werden. In Minden werden Pegelstände ab 4,50 m als Hochwasser wahrgenommen.

Die Weser kann dem sogenannten pluvio-nivalen (regen-schneegespeisten) Abflussregime zugerechnet werden. Dieses ist typisch für Mittelgebirgsregionen. Die Weser ist geprägt durch ein sommerliches Minimum und zwei winterliche Maxima. Das erste Wintermaximum wird durch Niederschläge am Winteranfang im November/Dezember hervorgerufen.

In den Mittelgebirgen werden im Winter die Niederschläge in Form von Schnee gebunden. In der Tauperiode im Februar und März des Jahres fließt dieser gebundene Schnee ab. Durch das Zusammentreffen mit Frühlingsniederschlägen kann dieses zweite Maximum besonders stark ausfallen, wie 1946. Verstärkend kommt hinzu, dass der Untergrund entweder gefroren oder wassergesättigt und somit nicht aufnahmefähig ist.

Infolge von vermehrten Warmlufteinbrüchen im Winter kann die Schneedecke schon im Hochwinter abschmelzen. Es bildet sich dann oft nur ein einziges, dafür aber breites Abflussmaximum.

Seltener treten extreme Hochwasser im Sommer auf. Diese Hochwasser werden nach tagelangem Regen auf bereits gesättigten Böden ausgelöst.

Quellenlage

Anhand der Aufzeichnungen von Historikern aus früheren Jahrhunderten, die den Hochwasserablauf, die Eisverhältnisse und die verursachten Schäden schildern, und der an nahe der Weser gelegenen Gebäuden angebrachten Hochwassermarkierungen konnten einige der höchsten Wasserstände der letzten etwa 700 Jahre rekonstruiert werden.

Betroffene Gebiete in Minden

Die Stadt Minden veröffentlichte 2010 den „Maßnahmenplan der Stadt Minden bei Hochwasser“ und Steckbriefe für die Kommune Minden.[5] Im Weserglacis gibt es einen Hochwasserstein, auf dem die historischen Hochwasser in Minden verzeichnet sind. Es gibt einen weiteren Hochwasserstein in der Fischerstadt. Erfahrungsgemäß wird bei hohem Wasserstand folgendes Gebiet überflutet.

Wasserstand
am Pegel Minden
Überflutete Bereiche / Maßnahmen
4,50 m Weserradweg im Bereich der Kleinbahnbrücke wird gesperrt
4,60 m Parkplatz Schlagde wird gesperrt
4,80 m Einschränkungen für die Schifffahrt
5,00 m Verwaltungsinterne „Fachgruppe Hochwasser“ tritt zusammen
5,10 m Parkplatz Kanzlers Weide wird gesperrt
5,60 m Hausberger Straße und Weserpromenade werden gesperrt
6,10 m Stab für außergewöhnliche Maßnahmen der Stadt Minden tritt zusammen
8,10 m Jahrhunderthochwasser 10. Februar 1946 – Überflutung Bahnhofsvorplatz, Innenstadt bis zum Dom

Hochwasserereignisse

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Hochwasserstein im Weserglacis in Minden

Aus der oben genannten Quellenlage und der Chronik der Stadt Minden sind hier Hochwasserereignisse zusammengetragen, sofern sie die Stadt Minden betreffen.

Juli 1342
Das auch Magdalenenhochwasser genannte Ereignis bewirkte nicht nur den höchsten historisch überlieferten Pegelstand der Oberweser, sondern verwüstete auch weite Teile Mitteleuropas.[6]
10. Februar 1375
Weserhochwasser, das Wasser stand im Mindener Dom.[6]
1513
Im Jahr 1513 riss ein infolge anhaltender Regengüsse einsetzendes Hochwasser die hölzerne Weserbrücke von fünf steinernen Pfeilern.[6]
13. Januar 1553
Das Hochwasser überflutete die Mindener Weserbrücke und stand auf dem Markt; anschließend brach eine Seuche aus.[6]
7. und 8. Januar 1643
Weserhochwasser; das Wasser stand so hoch, dass Schiffe unmittelbar von der Brücke aus betreten werden konnten.[6]
16. Februar 1658
Weserhochwasser; die Weserbrücke wurde beschädigt.[6]
1664
Weserhochwasser.[6]
7. Januar 1682
Zweithöchstes bekanntes Weserhochwasser; der Mindener Marktplatz konnte mit Kähnen befahren werden.[6]
6. März 1744
Weserhochwasser[6]
24. Februar 1799
Weserhochwasser, nur drei Zoll niedriger als 1553; vier Bögen der Bunten Brücke stürzten ein.[6]
20. Januar 1841
Weserhochwasser[6]
16. und 17. Mai 1943
In der Nacht wurde die Staumauer des Edersees durch einen britischen Fliegerangriff (Operation Chastise) zerstört. Es entstand ein 70 Meter breites und 22 Meter tiefes Loch in der Mauer, aus dem rund 160 Millionen Kubikmeter Wasser strömten. Eine sechs bis acht Meter hohe Flutwelle floss durch die Täler der Eder, der unteren Fulda und der Weser und verursachte bis Minden erhebliche Überschwemmungen und Sachschäden.
26. Oktober 1944
Gedenktafel auf dem ehemaligen Gelände der Kistenfabrik Busch
Bei einem Bombenangriff auf die Kanalanlagen an der Friedrich-Wilhelm-Straße kam es zu einem direkten Treffer der Kanalböschung. Infolge dessen traten große Wassermassen schlagartig aus und flossen ins südlich vorgelagerte Land unterhalb der Böschung. Der Damm des Mittellandkanals wurde auf 50 Metern zerstört. Der Mittellandkanal lief zwischen den Sperrtoren in Hahlen im Westen und Berenbusch im Osten vollständig leer. Die Wassermassen rissen fünf Schleppkähne mit auf das tiefer gelegene Gelände und ergossen sich auch auf das Gelände der Kistenfabrik Gebrüder Busch. Der Luftschutzbunker war schon zuvor direkt getroffen worden.[7] In diesen Wassermassen, die auch in den Luftschutzbunker drangen, kamen 73 Menschen ums Leben, darunter zehn polnische Frauen, die im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiten in Deutschland verrichten mussten.
10. Februar 1946
Das als Februarhochwasser 1946 bezeichnete Jahrhunderthochwasser führte in Porta zu einem Pegelstand von 8,20 m und in Minden am Pegel zu einem Wasserstand von 7,90 m.[8] In Minden stand die Weser in der unteren Altstadt von Minden, was dazu führte, dass die Fischerstadt unter Wasser stand und auch die Flußnahen Häszuer auf dem Brückenkopf im Keller überflutet waren.[6]
Die ergiebigen Niederschläge Anfang Februar 1946 wurden schnell abflusswirksam, da die Böden wassergesättigt waren und kein nennenswertes zusätzliches Wasser mehr aufnehmen konnten. So ging der Niederschlag gleich in den Abfluss über, ohne vom Boden gepuffert zu werden. Daher wurde dieses Hochwasser auch als Regenhochwasser und nicht Schneeschmelzhochwasser eingeordnet. Im Oberlauf der Weser, vor allem im Weserbergland und im Lipper Bergland, fielen teilweise bis zu 300 mm Niederschlag.[9]
1. Juli 1956
Julihochwasser 1956: Nach einem sehr nassen Frühjahr und tagelangen Wolkenbrüchen im niedersächsischen, hessischen, thüringischen und ostwestfälischen Bergland kam es zu einem schweren Weserhochwasser mit großen Überschwemmungen bis in den Bremer Raum.[6]
19. Juli 1965
Heinrichsflut; Schwere Unwetter in Nordhessen, Ostwestfalen und Südniedersachsen führten zu einem katastrophalen Hochwasser, von dem Bad Karlshafen besonders schwer betroffen wurde.[6]
15. März 1981
Infolge starker Schneeschmelze und lang anhaltender Regenfälle kam es zum Hochwasser in Minden. Weserab brach beim Weserdurchbruch 1981 in Bremen der Sommerdeich. Durchströmendes Wasser zerstörte mehrere Kleingartengebiete teilweise vollständig. Das Hochwasser ging nur langsam zurück, erst im April stellte sich wieder eine mittlere Wasserführung ein.[10]
5. Januar 2003
Die Hochwasser-Marke von 6,40 Meter meldete die automatische Ansage des Pegel-Porta am 5. Januar 2003. Das Mindener Glacis, Teile der Fußgängerbrücke, Parkflächen und auch die Mindener Schiffmühle lagen „mitten in der Weser“. Die Schiffmühle war wegen Dauerhochwassers erstmals nicht in das Winterlager geschleppt worden, überstand die hohen Weserfluten aber unbeschadet.[11]
März 2010
Blick von der Weserbrücke beim Hochwasser im März 2010
Bei einem Pegelstand von 5,64 Metern ist die Stadt Minden knapp vor größeren Problemen verschont geblieben. Schlagde und Weserradweg standen unter Wasser, auf Kanzlers Weide musste das Parken für einen Tag untersagt werden und Baustoffe an der Baustelle „Bunte Brücke“ haben unter dem Hochwasser gelitten.[12]
15. Januar 2011
Der Weser Pegel betrug 6,23 Meter am Pegel Porta
7. Januar 2018
Das Hochwasser führte in Minden zu einem Höchststand von 5,60 m am Pegel Porta. Die Schlagde wurde überflutet und der Großparkplatz Kanzlers Weide wurde von Mittwoch bis zum Beginn der folgenden Woche gesperrt. Die Flutbrücke Bunte Brücke am östlichen Weserufer war komplett unterspült. Die Hausberger Straße war jedoch nicht überflutet.[13]

Literatur

  • Knut Kaiser, Bruno Merz, Oliver Bens, Reinhard F. Hüttl (Hrsg.): Historische Perspektiven auf Wasserhaushalt und Wassernutzung in Mitteleuropa. Waxmann, 2012, ISBN 978-3-8309-7657-8, S. 122 (books.google.de [abgerufen am 30. Januar 2018]).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Mindener Tageblatt: "Wasserlandschaft", S. 4, Druckausgabe vom 6. Januar 2018.
  2. WSA Hann. Münden: Bewirtschaftung der Talsperren, abgerufen am 26. Januar 2017
  3. WSA Hann. Münden, abgerufen am 26. Januar 2017
  4. Weserfreunde Minden: Geschichte und Hochwasserverhalten, abgerufen am 27. März 2017
  5. Hochwasserrisikomanagementplanung in NRW. Hochwassergefährdung und Maßnahmenplanung Minden. Flussgebiete in NRW. Abgerufen am 14. Januar 2017.
  6. a b c d e f g h i j k l m n Chronik der Stadt Minden
  7. Amtage: Stadtgeschichte Minden: Luftangriff 1945 auf Minden, abgerufen am 14. Oktober 2016
  8. Mindener Tageblatt: Wasserlandschaft, S. 4, Druckausgabe vom 6. Januar 2018
  9. Informationsplattform Undine: Hochwasserereignisse im Wesergebiet: Das Februarhochwasser 1946, abgerufen am 14. Januar 2018
  10. Informationsplattform Undine: Hochwasserereignisse im Wesergebiet: Das Märzhochwasser 1981, abgerufen am 14. Januar 2018
  11. Schiffmühle Hochwasser, abgerufen 14. Januar 2018
  12. [1], abgerufen am 14. Januar 2018
  13. Mindener Tageblatt: Schlagde nach Hochwasser wieder frei Ausgabe vom 12. Januar 2018, abgerufen am 14. Januar 2018