Hundeführerschein

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Der Hundeführerschein (auch: Hundeführschein) ist ein Befähigungsnachweis für Hundehalter. Er beinhaltet mindestens eine praktische Prüfung des Halters mit seinem Hund, auch als Gehorsamsprüfung bezeichnet. Zusätzlich kann ein theoretischer Sachkundenachweis erforderlich sein. Der Hundeführerschein soll bescheinigen, dass der Halter seinen Hund im Alltag unter Kontrolle hat und dass sein Hund weder Menschen noch andere Tiere gefährdet. Im theoretischen Teil sind unter anderem grundlegende Kenntnisse zu Hundeerziehung und -verhalten zu belegen.

Verschiedene Hundeführerscheine

Neben den tatsächlich als Hundeführerschein bezeichneten Nachweisen hat sich der Begriff umgangssprachlich für verschiedene Prüfungen von Hundehaltern mit ihren Hunden etabliert. Die Anerkennung von Hundeführerscheinen als Nachweis für gesetzlich geforderte Prüfungen von Hundeführer und Hund wird jeweils von den Behörden auf der Basis der entsprechenden Hundegesetze vorgenommen. Bundeseinheitliche Regelungen existieren nicht.

In Deutschland werden Hundeführerscheine zum Beispiel von verschiedenen Verbänden und Vereinen vergeben, etwa vom Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater (BHV),[1] Berufsverband zertifizierter Hundetrainer (BVZ),[2] Dachverband für Haustierverhaltensberatung in Europa (DHVE),[3] Dehra-Zentrum für Hund und Halter,[4] Internationalen Berufsverband der Hundetrainer und Hundeunternehmer (IBH),[5] Verband für das deutsche Hundewesen (VDH) sowie von der Interessengemeinschaft unabhängiger Hundeschulen (IG Hundeschulen)[6] und der Tierärztlichen Arbeitsgemeinschaft für Hundehaltung (TAG-H, D.O.Q.-Test 2.0).[7]

Das Land Hamburg erkennt für die Befreiung von der gesetzlichen Leinenpflicht – neben Gehorsamkeitsprüfungen von anerkannten Sachverständigen –[8][9] die Hundeführerscheine des VDH, des BHV, des Dehra-Zentrums, der Hundeschulen Arbeitsgemeinschaft (HSAG),[10] der IG Hundeschulen sowie die Jagdeignungsprüfung des Jagdgebrauchshundverbandes an.[11]

In Schleswig-Holstein ist ein Sachkundenachweis zum Führen eines als gefährlich eingestuften Hundes notwendig.[12] Neben den Prüfungen des VDH und BHV ist der Hundeführerschein der schleswig-holsteinischen Tierärzteschaft anerkannt, der sich am Hundeführerschein der Tierärztekammer Bayern (BLTK) orientiert.[13][14]

Als erstes deutsches Bundesland hat Niedersachsen zum 1. Juli 2013 die Pflicht zu einem Hundeführerschein (Sachkundenachweis) für alle Hundehalter eingeführt. Jeder Ersthundehalter muss noch vor der Anschaffung eines Hundes einen theoretischen Test bestehen. Mit dem Hund muss er innerhalb des ersten Jahres zudem eine praktische Prüfung ablegen.[15] Anerkannt werden Hundeführerscheine des BHV, BVZ, DHVE, IBH, der TAG-H sowie die Abschlussprüfung zum Tierpfleger.[16]

In Wien werden seit 2006 die Besitzer eines freiwillig erworbenen Hundeführscheins für ein Jahr von der Hundesteuer befreit.[17] Seit 1. Juli 2010 sind dort Halter von Listenhunden verpflichtet, eine Hundeführerscheinprüfung abzulegen.[18][19] Seit 2019 gilt für Personen, die einen hundeführscheinpflichtigen Hund an öffentlichen Orten führen, ein Alkoholverbot.

In der Schweiz war ein Hundeführerschein Pflicht für alle ab dem 1. September 2008 neu angeschafften Hunde, ab 2010 war er schon vor dem Kauf eines Hundes zu absolvieren.[20] Im Jahr 2016 schaffte das Parlament die Verordnung wieder ab; es konnte nicht nachgewiesen werden, ob die Pflichtkurse zu einem Rückgang von Hundeangriffen geführt hatten.[21]

In Frankreich ist seit 2007 ein Hundeführerschein Pflicht für Halter von Wachhunden oder von so genannten Kampfhunden.[22]

Der BHV Hundeführerschein

Der BHV-Hundeführerschein wurde entwickelt, um dem Halter die Möglichkeit zur Dokumentation zu geben, dass er seinen Hund im Alltag sicher unter Kontrolle hat und weder andere Menschen noch Hunde gefährdet.

In der Führerscheinprüfung müssen die Hundehalter dies in typischen Alltagssituationen unter Beweis stellen und außerdem Fragen über gesetzliche Regelungen, Lernverhalten und Kommunikation von Hunden, Verhalten des Besitzers in der Öffentlichkeit sowie Gesundheit und Aufzucht von Hunden beantworten.

Der Berufsverband hat den Hundeführerschein in Zusammenarbeit mit führenden deutschen Tier-Verhaltenstherapeuten entwickelt.

Der BHV-Hundeführerschein wird in einigen Bundesländern, u. a. in Niedersachsen, als Sachkundenachweis anerkannt. In anderen Bundesländern entscheiden die zuständigen Ortsbehörden über eine Anerkennung.

Die Prüfung für den BHV-Hundeführerschein ist sehr umfangreich. Im praktischen Teil beobachten die Prüfer Hund und Halter in typischen Alltagssituationen – im Café, wenn der Hund unterm Tisch liegt und der Kellner kommt, beim Bummel in der Fußgängerzone und beim Spaziergang ohne Leine im Park. Der Hund darf seine Umwelt weder gefährden noch belästigen. Im Theorie-Teil müssen die Hundebesitzer 40 Fragen zu Hundeverhalten und -erziehung beantworten.

Zur Zeit gibt es in Deutschland 52 geschulte Prüfer mit nachgewiesener Qualifikation, die den BHV-Hundeführerschein abnehmen.

Durch regelmäßige Fortbildung der Prüfer wird ein stets aktuelles Fachwissen bei den Prüfungen garantiert.

Der Hundeführerschein wird in einigen Bundesländern als Sachkundenachweis anerkannt, in den anderen Bundesländern liegt er zur Prüfung vor.

Der VDH-Hundeführerschein

Der VDH-Hundeführerschein beinhaltet die drei Bereiche:[23]

  • Sachkunde des Hundehalters
  • Gehorsam des Hundes
  • Sozialverträglichkeit des Hundes

Sachkunde des Hundehalters

Im Rahmen von Vorbereitungskursen wird den Teilnehmern umfangreiches Wissen über Hunde und Hundehaltung vermittelt. Hierzu gibt es Lernunterlagen für das Selbststudium, sowie Unterrichtsstunden, in denen der Lernstoff vermittelt und vertieft wird. Im Vordergrund steht nicht das umfangreiche Fachwissen, sondern die Vermittlung von theoretischen Grundkenntnissen, die für die Haltung, den Umgang und die Ausbildung von Hunden notwendig sind. Das so erlangte Wissen wird am Ende des Vorbereitungskurses im Rahmen einer schriftlichen Sachkundeprüfung durch neutrale Prüfer abgefragt.

Gehorsam des Hundes

Hunde müssen erzogen sein und eine Grundausbildung haben. Sie müssen jederzeit durch den Hundeführer kontrollierbar sein – sie müssen gehorsam sein. Hierzu werden die wichtigsten Grundübungen im Rahmen des Vorbereitungskurses erarbeitet. Dies geschieht durch den Hundehalter, der unter fachmännischer Anleitung seinen Hund ausbildet. Hierbei steht nicht die exakte Ausführung der Übungen im Vordergrund, sondern die Erarbeitung einer engen vertrauensvollen Bindung zwischen Hundehalter und Hund, die dazu führt, dass der Hund in jeder Situation und an jedem Ort durch den Hundehalter kontrolliert werden kann. Der Gehorsam des Hundes wird im Rahmen einer Prüfung durch einen neutralen Prüfer bewertet.

Sozialverträglichkeit des Hundes

Im Rahmen des Vorbereitungskurses wird auch auf ein angemessenes, rücksichtsvolles Auftreten des Hundehalters mit seinem Hund in der Öffentlichkeit und in Alltagssituationen Wert gelegt. Hierbei soll sich der Hund friedlich und sozialverträglich präsentieren und darf trotz großer Ablenkung und starker Belastung nicht unangemessen aggressiv reagieren; der Hund muss durch den Hundeführer kontrollierbar und jederzeit beherrschbar sein. Dieser Prüfungsteil hat eine zentrale Bedeutung: unangemessen und/oder unkontrollierbar aggressive sowie wenig frustrations- und stresstolerante Hunde können nicht bestehen.

Aufgrund dieser Übungen mit den strengen Anforderungen an den Hund sind wesentliche Elemente eines Verhaltens- bzw. Wesenstests abgedeckt. Erhebliche Defizite im Sozialverhalten und eine übersteigerte Aggressivität können in der Regel im Rahmen eines solchen Vorbereitungskurses nicht kompensiert werden. Die Überprüfung der Sozialverträglichkeit erfolgt durch neutrale Prüfer.

Abgrenzung Sachkundenachweis für Hundehalter

Eine Abgrenzung zum Sachkundenachweis für Hundehalter ist nicht klar möglich. Die Begriffe werden verschieden verwendet, sie überschneiden sich teilweise und der Markt ist unübersichtlich.[24] Insbesondere in der Presse wird der eingängigere Begriff „Hundeführerschein“ für alle Varianten behördlicher und anderer Sachkundenachweise verwendet.

Nutzen für Hund und Hundehalter

Eine Studie zum Nutzen der BLTK-Hundeführerscheinkurse „Grundwissen Gefahrenvermeidung im Umgang mit Hunden“ kam im Jahr 2006 zu dem Schluss, dass ein freiwilliger Hundeführerschein eine signifikante Verbesserung des Wissens aller Teilnehmer bewirke. Mittelbar verbessere sich ihr Umgang mit dem Hund und dessen Verhalten.[25]

Literatur

  • Celina del Amo, Renate Jones-Baade, Karina Mahnke: Der Hundeführerschein. Sachkunde-Basiswissen und Fragenkatalog. Stuttgart, 3. Auflage, 2006. ISBN 3-8001-4956-7
  • Verena S. Rottmann: Training zum Hundeführerschein: Alles, was Sie wissen müssen – alles, was Ihr Hund können muss. Lüneburg, 2002. ISBN 3-86127-724-7
  • Kristina Falke und Jörg Ziemer, Der neue Hundeführerschein – leicht gemacht. Oldenburg, 2013. ISBN 978-3-942295-11-6

Weblinks

Quellen

  1. Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater (BHV)
  2. Berufsverband zertifizierter Hundetrainer (BVZ)
  3. Dachverband für Haustierverhaltensberatung in Europa (DHVE)
  4. Dehra Zentrum für Hund und Halter
  5. Internationaler Berufsverband der Hundetrainer & Hundeunternehmer (IBH)
  6. Interessengemeinschaft unabhängiger Hundeschulen (IG Hundeschulen)
  7. Tierärztliche Arbeitsgemeinschaft für Hundehaltung (TAG-H)
  8. Freie und Hansestadt Hamburg: Infoblatt Anleinpflichten und Mitnahmeverbote für Hunde nach dem Hundegesetz
  9. Liste anerkannter Gehorsamkeitsprüfer/innen nach dem Hundegesetz, sortiert nach Alphabet, Stand: 28. November 2019. Freie und Hansestadt Hamburg, abgerufen am 9. Januar 2020.
  10. Hundeschulen Arbeitsgemeinschaft (HSAG)
  11. Hamburger Verordnung zur Durchführung des Hundegesetzes (Durchführungsverordnung zum Hundegesetz - HundeGDVO) vom 21. März 2006, §4 Anerkennung von weiteren Nachweisen
  12. Gesetz über das Halten von Hunden (HundeG), Schleswig-Holstein, 2016
  13. Tierärztekammer Schleswig-Holstein: Informationen für Tierärzte in Schleswig-Holstein: Sachkundenachweis und Hundeführerschein (Memento vom 16. Oktober 2017 im Internet Archive)
  14. Hundeführerschein der Tierärztekammer Bayern
  15. Niedersächsisches Hundegesetz (NHundG) § 3 Sachkunde
  16. Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Informationen zum Hundegesetz. Abgerufen am 16. Oktober 2016
  17. Freiwilliger Hundeführschein, Stadt Wien
  18. Verpflichtender Hundeführschein, Stadt Wien
  19. DiePresse.com: Hundeführschein: FPÖ bringt Verfassungsklage ein, 30. Juni 2010; Abgerufen am 30. Dezember 2011
  20. Tierschutzverordnung Art. 68
  21. SRF: Obligatorische Hundekurse werden abgeschafft, 9. September 2016
  22. afp-meldung auf wuff-online
  23. http://www.vdh.de/hundesport/vdh-hundefuehrerschein
  24. Tierärztliche Arbeitsgemeinschaft Hundehaltung: Bundesweit einheitliche Sachkundeprüfungen rund um den Hund: Ein bunter Markt der Möglichkeiten.
  25. Barbara May: Untersuchungen zum Nutzen der von Tierärzten durchgeführten Kurse "Hundeführerschein - Grundwissen Gefahrenvermeidung im Umgang mit Hunden. Inaugural-Dissertation. München 2006.