Hundert Jahre Einsamkeit

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Der Autor Gabriel García Márquez (2002)

Hundert Jahre Einsamkeit (spanischer Originaltitel:

Cien años de soledad

) ist ein Roman des kolumbianischen Schriftstellers Gabriel García Márquez (1927–2014), der 1982 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Er ist eines der am häufigsten übersetzten und gelesenen Werke in spanischer Sprache und wurde während des IV. Internationalen Kongresses für spanische Sprache, der im März 2007 in Cartagena de Indias stattfand, als eines der wichtigsten Werke der spanischen Sprache katalogisiert. Es wurde von der spanischen Zeitung El Mundo in die Liste der 100 besten spanischen Romane des 20. Jahrhunderts aufgenommen.

Die erste Ausgabe des Romans erschien im Mai 1967 in Buenos Aires im Verlag Sudamericana mit einer Erstauflage von 8.000 Exemplaren. Inzwischen wurden mehr als 30 Millionen Exemplare in 35 Sprachen verkauft.

Bedeutung

Seit der Erstveröffentlichung am 5. Juni 1967 in Buenos Aires wurden weltweit über 30 Millionen Exemplare verkauft. Der Roman wurde bis 2017 in 37 Sprachen übersetzt und gilt als eines der wichtigsten Werke des Magischen Realismus sowie der lateinamerikanischen Literatur überhaupt. Der Autor selbst behauptete, es keineswegs für sein bestes Werk zu halten, doch die lange Entstehungsgeschichte, wie sie u. a. in der García-Márquez-Biographie von Juri Paporow (siehe Quellen) beschrieben wird, deutet darauf hin, dass der Autor es als sein Opus magnum ansah. Erstausgaben des Werkes werden heute zum Kulturerbe Kolumbiens gezählt.

Handlung

Der Roman Hundert Jahre Einsamkeit begleitet sechs Generationen der Familie Buendía und hundert Jahre wirklichen Lebens in der zwar fiktiven Welt des Dorfes Macondo, die sich jedoch auf die kolumbianische Heimat des Autors bezieht. Dabei ist der chronologische Ablauf zunächst nur wenig erkennbar. Das umfassend angewendete Stilmittel der Vor- und Rückgriffe (Pro- und Analepse) lässt bei einer ersten Lektüre den Eindruck entstehen, dass es sich hier um ein Durcheinander von Episoden aus dem Leben der Protagonisten handelt. Ergänzt wird dieser Eindruck durch zahlreiche Homonymien der Charaktere. Tatsächlich befolgt die Reihenfolge der einzelnen Kapitel die Chronologie der erzählten Ereignisse – mit Ausnahme des Auftaktkapitels, bei dem es sich um einen einzigen großen Vorgriff handelt.[1] Eine Reihe von Literaturwissenschaftlern, darunter Mechthild Strausfeld, kommen zum Schluss, dass sich die Geschichte Macondos und somit die Handlung des Romans grob in vier Perioden aufteilen lässt:

Auszug der Buendías und Gründung Macondos

Der Stammvater der Buendías zieht, da er einen Mord begangen hat und vor dem Geist des von ihm Ermordeten flüchtet, mit seiner Frau sowie einigen anderen Familien durch den Dschungel, auf der Suche nach einem geeigneten Ort zur Gründung eines Dorfes. Sie gründen schließlich Macondo. Bald darauf taucht eine Gruppe von Zigeunern auf, zu denen u. a. Melchíades gehört, eine weitere Hauptperson des Romans.

Auftauchen des Landrichters und Verlauf der Bürgerkriege

Das Auftauchen eines

, besiegelt die Eingliederung Macondos ins System staatlicher Verwaltung und Gewalt, vor dem seine abgelegene Topographie die Bewohner ja gerade bewahren sollte. Da dieses Dorf nun ebenfalls Teil der Republik ist, spielt auch der Bürgerkrieg zwischen Konservativen und Liberalen für die Bewohner von Macondo eine Rolle. Der Oberst Aureliano Buendía, die wichtigste Figur des Romans, tut sich hier besonders hervor.

Die Bananenfabrik

Nach dem Bürgerkrieg wird eine nordamerikanische Bananenfabrik zum wichtigsten Arbeitgeber des Dorfes. Deren Umgang mit den Arbeitern ist von Härte und Brutalität gekennzeichnet. So kommt es u. a. zu einem vertuschten Massaker auf dem Bahnhof, bei dem alle anwesenden streikenden Arbeiter getötet werden.

Der langsame Verfall und die völlige Zerstörung des Dorfes

In den letzten Kapiteln liegt Macondo in einer tiefen Agonie, in der alles verfällt bzw. der Urwald sich das ihm einst von dem Menschen abgetrotzte Territorium langsam zurückholt, ohne dass es die Bewohner besonders stört oder auch nur verwundert. Die Geschichte kulminiert in einem mystischen und unerwarteten Schluss: Aureliano Babilonia, der letzte noch lebende Nachfahr José Arcadio Buendías, entziffert die verschlüsselten Schriften des Melchíades, die sich als eine Chronik und Prophezeiung der Geschichte Macondos herausstellen; sie endet mit der Zerstörung des Dorfes, bei der auch Aureliano Babilonia zu Tode kommt – just in dem Moment, als er davon in Melchíades’ Prophezeiung liest.

Interpretationsansatz

Der Roman enthält viele Bezüge zum katholischen Glauben und der Bibel, nicht zuletzt in dem Bogen, den er von der Gründung des Ortes (Genesis) bis zu seiner Zerstörung (Apokalypse) spannt. Außerdem gilt die Handlung des Buches unter vielen Literaturwissenschaftlern als eine Allegorie auf die Geschichte Lateinamerikas. Diese Geschichte wird von Strausfeld in vier Epochen eingeteilt, die sie den oben aufgeführten vier Abschnitten des Romans zuweist:

  1. Entdeckung, Eroberung, Kolonialzeit (1492–1830)
  2. Republik: Beginn der Bürgerkriege (1830–1902)
  3. Beginn des Imperialismus: Bananen etc. (1899–1930)
  4. Aktualität – Neoimperialismus (1930–Gegenwart)

Verfilmungen

Trotz des weltweiten Erfolges gibt es bis heute keine Verfilmung von Hundert Jahre Einsamkeit. Der Grund hierfür liegt in García Márquez’ ablehnender Haltung gegenüber einer möglichen Verfilmung. Zwar gibt es eine mexikanische Verfilmung seiner Erzählung

, mit dem deutschen Titel Keine Post für den Oberst (1999, Regie: Arturo Ripstein), deren Handlung von vielen Philologen als zumindest verwoben mit der von Hundert Jahre Einsamkeit angesehen wird, doch García Márquez’ wehrte sich zeitlebens gegen eine Verfilmung des Romans. Der Film Lebewohl Arche (1984) des japanischen Regisseurs Shūji Terayama, der gleichzeitig dessen letztes Werk ist, basiert lose auf dem Buch und versetzt Elemente der Handlung nach Japan, ist jedoch nicht als Verfilmung autorisiert. Zuvor wurde durch ihn bereits ein Theaterstück, das den japanischen Titel des Buches trug (

百年の孤独

), verwirklicht.

Am 6. März 2019 gab Netflix bekannt, die Rechte von der Familie des Nobelpreisträgers für die Verfilmung erworben zu haben.[2]

Ausgaben

  • Gabriel García Márquez: Cien años de soledad. Editorial Sudamericana, Buenos Aires 1967 (Originalausgabe)
  • Gabriel García Márquez: Hundert Jahre Einsamkeit, Roman, aus dem Spanischen übersetzt von Curt Meyer-Clason, mit einem Nachwort von Carlos Cerda. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1980
  • Gabriel García Márquez: Hundert Jahre Einsamkeit, Roman, aus dem Spanischen übertragen von Curt Meyer-Clason. Fischer, Frankfurt am Main 2004, ISBN 978-3-596-16250-5
  • Gabriel Garcia Márquez: Cien años de soledad. Edición conmemorativa. Real Academia Española, Asociación de Academias de la Lengua Española. 2007 (vertrieben von den Verlagen, die G. G. Márquez in Lateinamerika und Spanien veröffentlichen: Norma, Diana, Sudamericana, Mondadori). Diese Ausgabe ist die Grundlage für die Neuübersetzung von Dagmar Ploetz.
  • Gabriel García Márquez: Hundert Jahre Einsamkeit, Roman, Neuübersetzung aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2017, ISBN 978-3-462-31707-7

Siehe auch

  • Francisco Rada, dessen Person Gabriel García Márquez zu der Figur des Troubadours „Francisco El Hombre“ inspiriert hat.

Quellen

  • Gabriel García Márquez: Cien años de soledad. Sudamericana, Buenos Aires 1970
  • Heide Lutosch: Ende der Familie – Ende der Geschichte. Zum Familienroman bei Thomas Mann, Gabriel Garcia Márquez und Michel Houellebecq. Aisthesis, Bielefeld 2007, ISBN 978-3-89528-624-7 (Dissertation Universität Hannover 2006, 206 Seiten, 21 cm, 300 g).
  • Юрий Папоров (Juri Paporow): Габриель Гарсиа Маркес. Путь к славе (Gabriel García Márquez. Put’ k slawe, deutsch: Gabriel García Márquez. Der Weg zum Ruhm). Азбука-классика, Санкт-Петербург (Azbuka-klassika, Sankt Petersburg) 2003, ISBN 5-352-00279-9 (russisch).
  • Mechthild Strausfeld: Aspekte des lateinamerikanischen Romans und ein Modell: „Hundert Jahre Einsamkeit“ (Gabriel García Márquez) (= Hispanistische Studien, Band 3), Lang, Frankfurt am Main / Bern 1976, ISBN 3-261-01774-0.
  • Alfonso de Toro: Los laberintos del tiempo. Temporalidad y narración como estrategia textual y lectoral en la novela contemporánea (G. García Márquez, Mario Vargas Llosa, Juan Rulfo, Alain Robbe-Grillet) (= Teoría y crítica de la cultura y literatura, Band 3). Vervuert, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-89354-203-5.
  • Dagmar Ploetz: Gabriel García Márquez. Leben und Werk. KiWi-Taschenbuch, 2010, ISBN 978-3-462-04161-3.

Literatur

  • Volker Roloff: Die Karnevalisierung der Apokalypse. Gabriel Garcia Marquez: ‘Hundert Jahre Einsamkeit’ (1967). In Gunter Grimm, Werner Faulstich, Peter Kuon (Hrsg.): Apokalypse: Weltuntergangsvisionen in der Literatur des 20. Jahrhunderts. Materialien. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1986, ISBN 978-3-518-38567-8, S. 68–87.
  • Karl Günter Simon, Gilles Peress (Fotos): Kolumbien. Jeder will nach Eldorado. In: Geo. 12/1977, Seite 8–42. Gruner + Jahr, Hamburg (Der Bericht beschreibt das Umfeld des Romans von Gabriel García Márquez: Hundert Jahre Einsamkeit).
  • Michael Wood: Gabriel García Márquez. One Hundred Years of Solitude. Cambridge University Press, Cambridge 1990, ISBN 978-0-521-31692-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eine ausführliche Aufzählung der Ana- und Prolepsen listet Alfonso de Toro in Los laberintos del tiempo auf.
  2. "Hundert Jahre Einsamkeit" wird Netflix-Serie. Abgerufen am 6. März 2019.