Immanenz

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Immanenz (lateinisch immanere, ,darin bleiben‘, ‚anhaften‘) bezeichnet das in den Dingen Enthaltene, das sich aus ihrer individuellen und objektiven Existenzweise ergibt. Es ist der Gegenbegriff zur Transzendenz. Das Adjektiv immanent bezeichnet eine einem Gegenstand innewohnende Eigenschaft, die somit nicht durch Folgerung oder Interpretation hergeleitet worden ist.

Geistesgeschichte

Die Scholastik unterscheidet immanente Handlungen, die sich auf den Handelnden beziehen, von transzendenten, die über den Handelnden hinausweisen. Des Weiteren bedeutet Immanenz:

  • in der Philosophie Spinozas die Anwesenheit Gottes in der Welt als Ursache aller Wirkungen[1]
  • nach Kant in erkenntnistheoretischer Sicht das Verbleiben in den Grenzen möglicher Erfahrung (KrV B 352 und B 671)
  • bei Schelling, der Spinoza eine Verdinglichung des Seienden und damit einen Determinismus vorhielt, den Einschluss des Endlichen (Naturalismus = Immanenz) in das Absolute (Theismus = Transzendenz) als Vorbedingung der Freiheit, da alles in Gott enthalten und der Mensch ein Reflex Gottes ist[2]
  • in der Phänomenologie Edmund Husserls die Sphäre zweifelloser Gegebenheiten[3], die Natur als Transzendenz in der Erscheinung als Immanenz[4]
  • bei Hegel bezogen auf das Wesen, das sich aus sich heraus zu sich macht.[5][6]
  • bei Karl Jaspers Dasein, Bewusstsein überhaupt und Geist als die drei immanenten Weisen des Umgreifenden, die das Subjekt bilden[7]
  • bei Gilles Deleuze den Grundbegriff einer differenztheoretischen Ontologie, den er mit dem Leben gleichsetzte[8]
  • bei Niklas Luhmann[9] setzt Religion die Existenz von zwei Sinnbereichen, der Immanenz und der Transzendenz, voraus. Für ihn sei eine Kommunikation immer dann religiös, wenn sie Immanentes unter dem Gesichtspunkt der Transzendenz betrachtete. Denn die spezifische Funktion von Transzendenz sei die ‚Sinngebung‘.

Ganz im Sinne Spinozas dichtete Goethe 1812:

„Was wär ein Gott, der nur von außen stieße,
Im Kreis das All am Finger laufen ließe!
Ihm ziemt’s, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,
So dass, was in Ihm lebt und webt und ist,
Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermisst.“[10]

Immanenz in den Religionen

Fast alle Religionen zeichnen sich durch den Glauben an etwas Transzendentes aus (siehe die entsprechenden Abschnitte im Artikel Transzendenz).

Eine Ausnahme bildet der Zen-Buddhismus, dessen Weltanschauung Transzendentes grundsätzlich fehlt und der sich stattdessen radikal der Immanenz zuwendet.[11] Dies unterscheidet den Zen-Buddhismus deutlich von anderen Religionen.

Siehe auch

Literatur

  • Robert Hugo Ziegler: Elemente einer Metaphysik der Immanenz. transcript, Bielefeld 2017. ISBN 978-3-8376-4100-4.
  • L. Oeing-Hanhoff: Artikel Immanenz, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 4, hrsg. von Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Schwabe, Basel/Stuttgart 1976, S. 220–237.
  • Susanne Beer: Immanenz und Utopie – Zur Kulturkritik von Theodor W. Adorno und Guy Debord. LIT-Verlag, Münster 2012, ISBN 978-3-643-11487-7.

Weblinks

Wiktionary: immanent – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Immanenz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Baruch de Spinoza: Kurze Abhandlung von Gott, dem Menschen und dessen Glück. Hrsg. Werner Baltruschat, Sämtliche Werke, Band 1, Meiner, Hamburg 1991, S. 34.
  2. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Dinge. Sämmtliche Werke, Band VII, Stuttgart/Augsburg 1860, S. 336.
  3. Edmund Husserl: Idee der Phänomenologie. Husserliana Band II. 1907, S. 30.
  4. Edmund Husserl: Grundprobleme der Phänomenologie. Husserliana Band 13, 1910/11, S. 75.
  5. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik I. Erster Teil: Die objektive Logik (Auf der Grundlage der Werke von 1832–1845 neu edierte Ausgabe, Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel). Frankfurt am Main 1986 (= Werke 5 stw 605), S. 16, 51 und 133.
  6. Jürgen Müller: Oskar Panizza – Versuch einer immanenten Interpretation. Medizinische Dissertation Würzburg (1990) 1991, S. 3 (zitiert) und 12.
  7. Karl Jaspers: Chiffren der Transzendenz, S. 99.
  8. Gilles Deleuze: Die Immanenz: ein Leben … In: F. Balke, J. Vogel (Hrsg.): Gilles Deleuze – Fluchtlinien der Philosophie, Fink, München 1996, S. 29–33.
  9. Niklas Luhmann: Die Religion der Gesellschaft. (=Taschenbuch Wissenschaft 1581), Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002, S. 77
  10. Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 1, Berlin 1960 ff, S. 535 (online bei Zeno.org)
  11. Han, Byung-Chul: Philosophie des Zen-Buddhismus (2002), ISBN 9783150181850, S. 18/20. („Der Zen-Buddhismus wendet die buddhistische Religion auf radikalste Weise in die Immanenz: 'Weit aufgeräumt. Nichts Heiliges.' Zen-Worte wie 'Buddha ist Ziegelscherben und Kieselsteine' oder 'drei Pfund Hanf' weisen ebenfalls auf jene zen-buddhistische Geisteshaltung hin, die der Immanenz ganz zugewandt ist. Sie bringen den 'alltäglichen Geist' zum Ausdruck, der den Zen-Buddhismus zu einer Religion der Immanenz macht. Das Nichts bzw. die Leere des Zen-Buddhismus ist auf kein göttliches Dort gerichtet. Die radikale Wendung in die Immanenz, ins Hier kennzeichnet gerade den chinesischen bzw. fernöstlichen Charakter des Zen-Buddhismus. [...] Der Weg führt in keine Transzendenz.“)
  12. Emil Staiger: Die Kunst der Interpretation. Studien zur deutschen Literaturgeschichte. 5., unveränderte Auflager. Zürich 1967, S. 9–33.
  13. Jürgen Müller: Oskar Panizza – Versuch einer immanenten Interpretation. 1991, S. 3.