Glaube (Religion)

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Der Glaube (1752–1753), Allegorie von L. S. Carmona.

Der Glaube (auch Glauben; lateinisch fides „Vertrauen, Glaube, Zutrauen“) im Kontext religiöser Überzeugungen ist eine Grundhaltung des Vertrauens in die Lehre einer Religion und der mit ihr verbundenen Personen. Im Gegensatz zum Wissen gründet die Wahrheitsvermutung eines Glaubens nicht auf Logik und Einsicht, sondern allein auf den Aussagen von Autoritäten.[1]

Während der ähnliche Begriff „Religiosität“ die Ehrfurcht vor der Ordnung und Vielfalt in der Welt und die allgemeine Empfindung einer transzendenten (nicht erklär- oder beweisbaren) Wirklichkeit bezeichnet,[2] beinhaltet „Glaube“ das Überzeugtsein von einem konkreten Dogma.[3]

Wortbedeutung

Das deutsche Wort Glaube, von mittelhochdeutsch gloube/geloube aus althochdeutsch giloubo, gehört wie glauben (in früherer Bedeutung „gutheißen“ aus der Grundbedeutung „sich etwas lieb/vertraut machen“), dem Faktitiv zu lieb[4] zu indogermanisch lub-/lewbʰ- (‚begehren‘, ‚lieb haben‘, ‚für lieb erklären‘, ‚gutheißen‘, ‚loben‘[5]) Das Wort wird in dem hier behandelten Sinn verwendet als Übersetzung des griechischen Substantivs πίστις pistis mit der Grundbedeutung „Treue, Vertrauen“. Das zugehörige Verb lautet πιστεύω pisteúō „ich bin treu, vertraue“ (πιστεύειν pisteúein, „treu sein, vertrauen“). Ursprünglich gemeint war also: „Ich verlasse mich auf …, ich binde meine Existenz an …, ich bin treu zu …“. Das Wort zielt demnach auf Vertrauen, Gehorsam (vergleiche: Gelöbnis, Verlöbnis), Treue.[6] Die Fügung „glauben an Gott“ etablierte Martin Luther.[7]

Das lateinische Wort credere (vgl. Credo und Kreditor) – von cor dare: „das Herz geben/schenken“ – ist direkt verwandt mit der altindischen Wurzel sraddha- („glauben“) und ist eine sehr alte (indogermanische) Verbalkomposition. Die Bestandteile bedeuten: „Herz“ und „setzen, stellen, legen“, zusammen also etwa „sein Herz (auf etwas) setzen“. Das unbestimmte „ich weiß nicht“ entspricht hingegen dem lateinischen Wort putare („glauben, dass“).

Im Hebräischen gibt es die Vokabel aman: sich an etwas festmachen. Die Vokabel aman mit der Schreibung „Aleph-Mem-Nun“ wird nur in der Stammesmodifikation des Hif'il (Aussprache „hä’ämin“) mit dem Wort „glauben“ übersetzt. Diese Stammesmodifikation drückt im Allgemeinen einen kausativen Aspekt der Grundbedeutung aus. Die Grundbedeutung, die auch im ursprünglich hebräischen Wort Amen (vgl. auch arabischĪmān“) erscheint, ist „fest“ oder „unerschütterlich“, die Bedeutung im Hif'il ist also „jemanden fest sein lassen“.

Religiöse Glaubensphänomene

Christentum

Christliche Darstellung: Triumph des Glaubens über den Götzendienst. Jean-Baptiste Théodon (1645–1713), Il Gesù, Rom.

Christlicher Glaube ist Hinwendung zum christlichen Gott und richtig verstandene Abwendung von sich selbst. Er gilt darum als unvereinbar mit Selbstruhm und dem Vertrauen auf eigenes Tun (Röm 3,20–28 EU). In dieser antwortenden Hinwendung des christlichen Gläubigen liegt zugleich ein aktives, nach außen und anderen Menschen zustrebendes Moment. Der christliche Glaube kann und will zur tätigen Liebe (Gal 5,6 EU) bewegen, und zwar gegenüber den Nächsten wie gegenüber sich selbst. Der Glaubensbegriff wandelt sich in seiner Bedeutung innerhalb der christlichen Bibel. Eine mögliche Definition nimmt der neutestamentliche Autor des Hebräerbriefs vor:

„Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“

Hebr 11,1 EU

Für gläubige Christen gilt christlicher Glaube als keine antike oder mittelalterliche Vorstufe vom Wissen, sondern etwas vom Wesen her anderes. Damit ist auch kein bloßes Für-wahr-Halten, auch keine Vermutungsäußerung gemeint. Dann hieße es so viel wie: ‚Ich traue dir, ich vertraue dir, ich kann auf dich bauen. Ich habe eine Gewissheit, die weniger aus Berechnungen und Experimenten kommt.‘[8] Theologisch unterscheidet man den Glaubensakt, lateinisch fides qua creditur ‚der Glaube, mit dem geglaubt wird‘, einerseits, den Glaubensinhalt, lateinisch fides quae creditur ‚der Glaube, der geglaubt wird‘, andererseits.

Der Glaubensinhalt wird in den Christlichen Glaubensbekenntnissen zum Ausdruck gebracht und in der Dogmatik systematisch dargelegt und theologisch untersucht. Zentral geht es beim christlichen Glauben um eine Bejahung Gottes und seiner Autorität: „Es gehört gerade zur Wahrheit des Glaubens, Gott aufgrund seiner Selbstmitteilung so zu denken, wie er ist.“[9] Gemeinsam ist quasi allen christlichen Strömungen der Glaube, dass alles Seiende durch Gott geschaffen wurde und im Dasein gehalten wird. Im Mittelpunkt dieser Schöpfung steht der Mensch, der aber nicht aus eigener Kraft zum Guten fähig ist (Erbsünde) und der Liebe sowie Gnade Jesu Christi bedarf, um gerettet zu werden und ewiges Leben zu erlangen. Jesus Christus ist nach der christlichen Glaubenslehre der Mensch gewordene Sohn Gottes. Die drei Personen der christlichen Gottheit, Gott der Sohn, Gott der Vater und Gott der Heilige Geist, sind dreieinig. Grundlage des Glaubens ist die Heilige Schrift der Bibel, die als von Gott inspiriert angesehen wird. Biblische Texte sind interpretationsbedürftig. Zwischen vielen Stellen, die mehr implizit zur Deutung des Glaubensbegriffs verwendbar sind, wird folgende besonders explizite Formulierung häufig diskutiert: „Es ist aber der Glaube das feste Vertrauen auf das Erhoffte, ein Überzeugtsein von dem, was man nicht sieht.“ (Hebr 11,1) Das hier mit „Überzeugtsein“ wiedergegebene griechische ἔλεγχος élegchos (elenchos) bedeutet auch so viel wie Gegenbeweis, Widerlegung oder „Überführtsein“. In diesem Sinne wird hier wohl gesprochen von einem Überführtwerden wider äußeren Anscheins.

Ein wesentlicher Streitpunkt unter den christlichen Konfessionen ist seit der Reformation die Frage, ob der Mensch vor Gott durch seinen Glauben allein gerechtfertigt werde, wie insbesondere Martin Luther es betont hat, oder ob dazu auch die guten Werke nötig seien, weil Glaube ohne Werke tot sei, wie es im Katholizismus unterstrichen wird. Nach allgemein christlicher Überzeugung ist der Glaube die persönliche Antwort auf Gottes bzw. Jesu Wort. Dabei geschieht diese Antwort immer in der Gemeinschaft aller Glaubenden und stellvertretend für alle Menschen. Uneinigkeit besteht in der Frage, ob die volle Wirklichkeit des Glaubens sich im Herzen des Einzelnen vollzieht (so die meisten evangelischen bzw. protestantischen Denominationen) oder ob der Glaube der Kirche ontologische Priorität hat (so die katholische Lehre).

Die vom christlichen Glauben geprägte Lebensführung wird als Frömmigkeit bezeichnet.

Glaube und Religion

Besonders in der christlich-protestantischen Theologie wird nach Karl Barth oft Glaube gegen Religion abgegrenzt. Barth sah Religion als eigenmächtigen Weg des Menschen zu Gott an und betonte, eine Erkenntnis des Willens Gottes gebe es nur im Glauben an Jesus Christus. Das Hören auf das Evangelium sprenge alle menschlichen Begriffe von Gott, alle ethischen Irrwege.

Dietrich Bonhoeffer übernahm diese Unterscheidung und radikalisierte sie in seiner Frage nach einem Christentum ohne Religion. Angesichts der grundsätzlich positiv gesehenen „mündig gewordenen Welt“, des Verlusts des „religiösen Apriori“, von Innerlichkeit, Gewissen und klassischer Metaphysik habe Barth

„in der nichtreligiösen Interpretation theologischer Begriffe keine konkrete Wegweisung gegeben, weder in der Dogmatik noch in der Ethik. Hier liegt seine Grenze und darum wird seine Offenbarungstheologie positivistisch, ‚Offenbarungspositivismus‘, wie ich mich ausdrückte.“[10]

Bonhoeffers Ziel war es dagegen, den Kern der Glaubenshaltungen im Rahmen der kirchlichen Tradition herauszustellen, den er nicht in Aussagen über einen Jenseitsgott sieht, sondern in Praxis und deren Begründung in Ethik, alt- und neutestamentlicher Geschichte und Mythologie sowie mystischer Erfahrung (als ästhetisches Bewusstwerden von Grundeinstellungen, nicht übersinnliche Erfahrung).

Gerhard Ebeling betonte wie Barth die kritische Kraft des Glaubens gegen religiöse Festlegungen und Sicherheiten, sah aber Religion als Lebensbedingung des Glaubens an. In der Zeit nach der Machtergreifung Lenins in Russland 1917 empfanden prominente Christen (wie Nikolai Berdjajew, Fedor Stepun, Alexander Solschenizyn, Konrad Adenauer, Heinrich Krone, Robert Schuman, Hans Lukaschek, Gerhard Möbus und Helmut Serrand) den christlichen Glauben als „Bollwerk gegen den Kommunismus und Nationalsozialimus“[11] an.

Glaube im Neuen Testament

  • Biblische Autoren kennen keine besondere intellektuelle Befähigung als Voraussetzung, um zum christlichen Glauben zu kommen und diesen zu entwickeln. Texte wie Apg 17 EU oder Röm 1,16ff. EU betonen, dass der Glaube jedem offenstehe und die Gottesexistenz durch die Schöpfung bezeugt wird.
  • Schreiber des Neuen Testaments (etwa Hebr 10,38f EU) betonen des Öfteren, dass Gott die Rechtfertigung durch den Glauben bewirkt, dass Christus die Erlösung vollbracht hat und damit die Gerechtsprechung durch Gott gegeben sei (und der Erlangung von Verheißungen wie ewigen Lebens). Da Christus das Gesetz bis zum Tode erfüllt hat, ist der Glaube an sein Werk bedeutend und nicht die eigene Erfüllung des Gesetzes. Denn kein Mensch ist aufgrund der Sünde fähig, die Gesetze Gottes vollständig und dauernd zu halten.
  • Der Glaube ist eine feste Zuversicht und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. Die fünf natürlichen Sinne des menschlichen Körpers (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen) sind für die Wahrnehmung der Umgebung geschaffen, während der Glaube nicht daran zweifelt, was man nicht sieht.

„Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“

Hebräer 11,1
  • Der Glaube ist eine Kenntnisnahme, ein Notiznehmen der biblischen Offenbarung. Deshalb ist das Studium der Bibel eine gute Grundlage. Aus dem Erkennen der Glaubensinhalte soll ein Anerkennen folgen. Deshalb ist ein persönlicher Willensentschluss zur Anteilhabe erforderlich. Daraus folgt ein persönliches Vertrauen. Letztendlich ist biblischer Glaube immer auch auf göttliche Offenbarung gegründet und damit ein Werk Gottes im Menschen (Matthäus 16,17 EU).
  • Vorbilder im Glauben werden in Hebräer 11 EU genannt.

Nach Paulus von Tarsus ist Glaube (neben der Hoffnung und der Liebe) eine der drei christlichen Tugenden.

Glaube im Alten Testament

Das Christentum verehrt vor allem Abraham für seinen unerschütterlichen Glauben an Gott (Gal 3,6 EU). Christen verstehen Abraham so, dass er damals den im ganzen Vorderen Orient bekannten Gott El verehrte, der als der Schöpfer des Alls, als der höchste Gott über allen Göttern galt und unter mancherlei Zunamen: als Höchster, als der Ewige, als der Mächtige, als der Allsehende an den verschiedensten Orten angebetet wurde. Er verehrte ihn auch als seinen Familiengott, als seinen persönlichen Gott, der so für seine Nachfahren zum Gott Abrahams und zum Gott Israels wurde und auch im Christentum eine neue Bedeutung gewann.

Laut Auslegung des Alten Testaments, ist von einem Glauben an das Jenseits bei Abraham jedoch noch nicht die Rede. Ebenfalls ist nicht anzunehmen, dass Abraham die Existenz anderer Götter bestritt. Von diesem Gott El wusste er sich ganz persönlich angerufen. Sein Glaube sah dahingehend aus, dass er mit einer Verheißung beschenkt wurde. El stellte ihm Nachkommenschaft und Land in Aussicht.

„Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen. Da zog Abram weg, wie der Herr ihm gesagt hatte, und mit ihm ging auch Lot. Abram war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran fortzog.“

Gen 12,1–4 EU

Ein Erklärungsansatz sieht so aus, dass der Halbnomade Abraham, nur „die Himmel“, als eine symbolische Entsprechung seines Gottes, der sich allenthalben über ihm wölbt, als seine ständige Begleitung ansah. Er vertraute sich nicht den Göttern irgendeines Landes an, sondern nur dem Gott, dem alle Lande gehören; nicht einem Ortsgott, sondern seinem Gott, der mit ihm geht und ihn persönlich kennt, ihm nahe ist von Ort zu Ort. Abraham wurde um der Zukunft willen, die ihm der Glaube verhieß, zum Heimatlosen, und fand seine Heimat gerade in der Treue zu seinem Gott.

Judentum

Glaube selbst ist kein religiöses Konzept des Judentums. Eine hebräische annähernde Entsprechung für Glauben im religiösen Sinn ist Emuna (auch: Emunah), was meist unzureichend gemeinhin mit „Glaube“, „Zuversicht“ oder „Vertrauen in Gott“[12] übersetzt wird. Emuna ('E-mu-na; hebräisch: אמונה) stammt von der hebräischen Wort-Wurzel אמן, von der Amen und die hebräischen Wörter für Treue, Verlässlichkeit, Übung, Künstler, Handwerker u. a. abgeleitet werden.[13] Der deutsche Rabbiner Samson Raphael Hirsch übersetzte es mit „Vertrauensgrund“.[14]

Im Judentum wird der positive Wert jener Emuna[13] und der negative Status eines Apikorus[15] (übersetzt mit „Gottesleugner“[16]) beachtet.

  • Emuna wird als angeboren und als Überzeugung und Erkenntnis einer tief in der Seele verwurzelten Wahrheit beschrieben. Emuna steht über dem Verstand und dem Gefühl und ist ein jüdisches Erbe von den Vorvätern und -müttern her.[13]
  • Apikorus ist ein jüdischer Begriff aus der Mischna. Er beschreibt eine Person, die nicht an Gott glaubt und die keinen Anteil an Olam Haba, an der zukünftigen Welt, dem Jenseits, hat:

„Ganz Jisrael hat einen Anteil an der zukünftigen Welt, denn es heißt: dein Volk besteht aus lauter Gerechten; für immer werden sie das Land in Besitz nehmen; es ist der Sproß meiner Pflanzung, das Werk meiner Hände zur Verherrlichung. (Jes 60:21) Folgende haben keinen Anteil an der zukünftigen Welt: wer sagt, die Auferstehung der Toten befinde sich nicht in der Tora, [wer sagt,] die Tora sei nicht vom Himmel, und der אפיקורוס [Epikoros].“

Mischna, Seder Nezikin, Traktat Sanhedrin 90a[17]

Jüdischer Glaube bezieht sich auf die ganze jüdische religiöse Tradition. „Nicht Glauben hat der Ewige von Abraham gefordert.“ (Michael Holzman, in:,[18] S. 157) Statt eines inhaltlich festgelegten religiösen Glaubens steht nach alter – schon weit vorchristlicher – Tradition Gerechtigkeit auf der Grundlage der universellen Nächstenliebe[19] und Gleichheit aller Menschen im Mittelpunkt, was auch im liberalen Judentum bewahrt bleibt: „Das Judentum ist nicht nur ethisch, sondern die Ethik macht sein Prinzip, sein Wesen aus.“[20]

Der jüdische Gelehrte Franz Rosenzweig drückte es sehr einfach aus:

„Er (der als Jude gezeugte) glaubt nicht an etwas, er ist selber Glauben.“

Franz Rosenzweig: Der Stern der Erlösung, Frankfurt am Main, Suhrkamp 1990, S. 380

In dieser Form ist der jüdische „Glaube“ ausgedrückt in: Gerechtigkeit und Liebe (Gottesliebe, Nächstenliebe, Feindesliebe), Tat und Erinnerung, in Freiheit zum Schutz des Lebens.

Das gegenwärtige Judentum, das diese Traditionen des ethischen Monotheismus bewahrt und anpasst, wird das rabbinische Judentum genannt. Dieses umfasst den weiten Raum der Traditionen in der Neuzeit und im Mittelalter, mit Bezug in die biblischen und vorbiblischen Zeiten, und betrifft das Mosaik der Traditionen des Judentums in der Vielfalt seiner Strömungen. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang von jüdischen Glaubensprinzipien gesprochen, jedoch existiert im Judentum kein allgemeingültiger, zwingend geforderter Glaube, kein Credo.

Das rabbinische Judentum hat den antiken Macht- und Hoheitszentralismus der Tempelpriesterschaft viel radikaler abgelegt als das in den christlichen Gemeinden und Kirchen der Fall ist, die „bei sich einen besonderen Priesterstand schufen, an die biblischen Vorschriften über die jüdischen Priester anknüpften“,[21] wie sich auch in den verschiedenen christlichen Dogmatiken zeigt. Rabbiner sind keine Priester und jüdische Traditionen verwalten sich hauptsächlich in demokratischen lokalen Gemeinden. Im Gegensatz zum Christentum oder Islam kann im Judentum jeder persönliche Glaube an den ein-einzigen Gott, das ewige Wesen akzeptiert werden. In der Gegenwart werden gleichwohl verschiedene religiöse Strömungen des Judentums praktiziert, welche die Bedeutung von Überlieferungen unterschiedlich gewichten.

Unterschied der christlichen Religionen zum Judentum

Obgleich das Christentum einst aus dem Judentum hervorging und die jüdische Bibel in seine heiligen Schriften integrierte, bleibt der christliche Glaube vom Judentum unterscheidbar.

Yecheskel Kaufmann von der Hebräischen Universität in Jerusalem fasste dies so zusammen:

„Der monotheistische Glaube wurde nicht nur in Israel geboren, vielmehr diente ihm die Kultur des israelitischen Volkes seit Urzeiten als Gewand und Konkretisierung. […] Es war Mose […] er verwurzelte in ihnen den neuen Glauben.“

Y. Kaufmann: Die Geschichte des israelitischen Glaubens. Mossad Bialik, Tel Aviv/ Jerusalem 1953, S. 53. (hebr.) Zit. nach Tovia Ben Chorin, Zürich 1999, in[18] S.VI
  • In der kirchlichen Glaubenslehre verliert die Ethik „(..) den zentralen Platz, den sie im Judentum gehabt hatte (..) die völlige Gefangenschaft des Menschen, die Ursünde, die ihn umfaßt, (..) wird (..) zum Wesen der [christlichen] Religion (..) ein geschlossenes System des Glaubens, in ihm ist der Unterschied zwischen Judentum und Christentum enthalten.“ (Leo Baeck in:,[18] S. 67–69 „II. Abweichungen der christlichen Religionen vom Judentum in den Grundgedanken.“)
  • „Das Judentum hat die Menschwerdung der Gottheit aufs entschiedenste abgelehnt.“ (Seligman Pick in:[18], S. 109)
  • „Dem Judentum ist die christliche [Glaubens-]Lehre vom ‚Gottessohn‘ immer als ein unversöhnlicher Widerspruch mit dem Monotheismus erschienen.“ (Seligman Pick in:,[18] S. 74)
  • „Der strenge Monotheismus des Judentums hat den heiligen Geist [ruach hakkodesch] nicht zur Gottheit (zur göttlichen Person) emporgehoben.“ (Seligman Pick, in:,[18] S. 87)
  • Das Christentum hat seinen Glauben an die drei göttlichen Personen ihrer dreieinigen, dreiteiligen Gottheit „(..) und ist dabei von der Absicht erfüllt, die Einheit Gottes zu retten. (..) Das Judentum lehrt (..) in seinen Schriften den einzigen Gott, den strengsten Monotheismus.“ (S. Pick, in:,[18] S. 94)

Naturwissenschaftliche Ansätze

Der nordamerikanische Neurowissenschaftler Michael Persinger stimulierte durch magnetische Felder die Schläfenlappen seiner Probanden und meinte dadurch religiöse Empfindungen (Gottesmodul) zu erzeugen. Er erklärte, dass diese Phänomene den Symptomen der Epilepsie gleichen. Scott Atran verfolgt dagegen in seinem Werk In Gods We Trust einen darwinistischen Ansatz. Die darwinistische Glaubensforschung sieht den Glauben nicht als anerzogen, sondern als im Bewusstsein des Menschen evolutionär verankert. Die Fähigkeit zu Religiosität und Glaube wird dabei beispielsweise als evolutionäres Nebenprodukt erklärt, es werden aber auch mögliche Selektionsvorteile untersucht. Justin Barrett dagegen sieht in einer evolutionspsychologischen Herangehensweise die Religiosität nicht als überlebenswichtige Strategie von Gemeinschaften, sondern als ein Entwicklungsstadium der menschlichen Psyche.

Siehe auch

Literatur

  • Klaus Möllering (Hrsg.): Wo mein Glaube zu Hause ist – Eine Heimatkunde für Himmelssucher, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2006, ISBN 3-374-02362-2.
  • Christof Gestrich: Glaube und Denken. In: Theologische Realenzyklopädie. Band 13, S. 365–384.
  • Andreas G. Weiß: Glaubensdämmerung. Was wir glauben, wenn wir glauben, Tübingen 2020, ISBN 978-3-7496-1023-5.
  • Gunda Werner-Burggraf: Macht Glaube glücklich?: Freiheit und Bezogenheit als Erfahrung persönlicher Heilszusage. Verlag Pustet, 2005, ISBN 3-7917-1981-5.
  • Jörg Disse: Glaube und Glaubenserkenntnis: Eine Studie aus bibeltheologischer und systematischer Sicht. Frankfurt a. M. 2006, ISBN 978-3-7820-0890-7.
  • Andreas Grünschloß u. a.: Glaube. In: Religion in Geschichte und Gegenwart. 4., völlig neu bearb. Auflage. Band 3, Tübingen 2000, ISBN 3-16-146943-7, Sp. 940–983.
  • John Hick: Faith. Und Joshua L. Golding: Faith (Addendum). In: Encyclopedia of Philosophy. Band 3, S. 529–537.
  • Kurt Hübner: Glaube und Denken. Tübingen 2001.
  • Günter Lanczkowski u. a.: Glaube. I-VI. In: Theologische Realenzyklopädie. Band 13, S. 275–365.
  • Henning Schröer u. a.: Glaubensbekenntnis(se). In: Theologische Realenzyklopädie. Band 13, S. 384–446.
  • Martin Seils: Glaube (= Handbuch Systematischer Theologie. 13). Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1996, ISBN 3-579-04942-9.
  • Hans-Walter Grünewald: Glaube mit Vernunft – Christlicher Glaube als denkender Glaube. Kritische Bibelbetrachtungen eines Neurologen und Psychiaters aus historisch-kritischer und naturwissenschaftlicher Sicht. 2., erweiterte Auflage. ATE, Münster 2009, ISBN 978-3-89781-149-2.
  • Peter Godzik: Erwachsener Glaube. Lebenseinsichten. Steinmann, Rosengarten bei Hamburg 2018, ISBN 978-3-927043-70-1.

Weblinks

Wiktionary: Glaube – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Quellen

  1. Franz Austeda: Lexikon der Philosophie. 6., erweiterte Auflage, Verlag Brüder Holline, Wien 1989, ISBN 3-85119-231-1. S. 130 (Stichwort: Glaube).
  2. Hans-Ferdinand Angel: „Von der Frage nach dem Religiösen“ zur „Frage nach der biologischen Basis menschlicher Religiosität“. In: Christlich-pädagogische Blätter. Nr. 115, 2002, Wien, ISSN 0009-5761, S. 86–89.
  3. Stefan Tobler: Jesu Gottverlassenheit als Heilsereignis in der Spiritualität Chiara Lubichs. Walter de Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-017777-3, S. 22–25.
  4. Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Auflage, hrsg. von Walther Mitzka, De Gruyter, Berlin/ New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 260.
  5. Glaube, glauben. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 7: Gewöhnlich–Gleve – (IV, 1. Abteilung, Teil 4). S. Hirzel, Leipzig 1949, Sp. 7777–7848 (woerterbuchnetz.de).
  6. Etymologie des Wortes „Glauben“
    glauben, vb.. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 7: Gewöhnlich–Gleve – (IV, 1. Abteilung, Teil 4). S. Hirzel, Leipzig 1949, Sp. 7819–7848 (woerterbuchnetz.de).
  7. Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 1967, S. 260.
  8. Josef Ratzinger: Glaube und Zukunft. Kösel Verlag, München 1970, Neuausgabe 2007, ISBN 978-3-466-36753-5.
  9. Eberhard Jüngel: Gott als Geheimnis der Welt. 6. Auflage. Tübingen 1992, S. 238.
  10. Eberhard Bethge (Hrsg.): Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft. 10. Auflage. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1978, S. 160–162.
  11. Lothar Bossle: Die Erhaltung des Katholizitätsprinzips als Sauerteig im 21. Jahrhundert. Helmut Serrand zum 65. Geburtstag. [13. November 1992]. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018 (2021), S. 253–263 (postum), hier: S. 253.
  12. Mauricio Manuel Lohse, Ulrich Michael Dessauer: Was Sie schon immer über das Judentum wissen wollten – und nicht zu fragen wagten. Pelican Pub., Fehmarn 2006, ISBN 3-934522-13-0, S. 46.
  13. a b c Tzvi Freeman: Emuna – Jenseits des Glaubens. Chabad.org Chabad-Lubawitsch Media Center, abgerufen am 14. Januar 2013.
  14. Siddûr tefillôt Yiśrāʾēl / übers. u. erl. von Samson Raphael Hirsch. 3. Aufl. Frankfurt a. M.: Kauffmann, 1921, S. 263–265, Emet we-Emuna
  15. Epikoros, Apikoros, Apikores oder Epicurus (Hebräisch: אפיקורוס, übersetzt „Gottesleugner od. Freidenker“, pl. Epikorismus)
  16. Lazarus Goldschmidt: Der babylonische Talmud. Limitierte Sonderausg. nach dem Nachdr. 1996 Auflage. Jüdischer Verlag im Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-633-54200-0, S. Band VIII, S. 610, Anm. 186 (nach der ersten zensurfreien Ausg. unter Berücksichtigung der neueren Ausg. und handschriftlichen Materials ins Dt. übers.). „186. Im Worte אפיקורוס [Epikoros] ist unverkennbar der Name Epikur zu finden, Epikureer, also Anhänger der epikuräischen Philosophie, die bekanntlich in der Lebenslust den letzten Zweck des Lebens sieht. Im Talmud sowie in der nach-talmudischen Literatur hat dieses Wort den festen Begriff Freidenker, Gottesleugner; aber auch verbal wird פקר in diesem Sinne gebraucht.“
  17. Lazarus Goldschmidt: Der babylonische Talmud. Limitierte Sonderausg. nach dem Nachdr. 1996 Auflage. Jüdischer Verlag im Suhrkamp-Verlag, Frankfurt, M. 2007, ISBN 978-3-633-54200-0, S. Bd. IX, S. 27, Elfter Abschnitt (nach der ersten zensurfreien Ausg. unter Berücksichtigung der neueren Ausg. und handschriftlichen Materials ins Dt. übers.).
  18. a b c d e f g Verband der deutschen Juden: Die Lehren des Judentums nach den Quellen. Hrsg.: Walter Homolka. Faks.-Dr. der 1928–1930 erschienenen Orig.-Ausg. Leipzig, neue und erw. Ausg. Auflage. Knesebeck, München 1999, ISBN 3-89660-058-3.
  19. Max Wiener in: Walter Homolka, Walter Jacob, Tovia Ben Chorin: Die Lehren des Judentums nach den Quellen. Band III; Knesebeck, München, 1999, S. 465.
  20. Leo Baeck, zitiert nach: Walter Homolka: Tradition und Erneuerung. Die Reformbewegung und ihre Dynamik als größte religiöse Strömung des Judentums. Herder Korrespondenz 11, 2007. Online-Version
  21. Felix Makower in: Walter Homolka, Walter Jacob, Tovia Ben Chorin: Die Lehren des Judentums nach den Quellen. Band III; Knesebeck, München, 1999, S. 233ff.