Insel-Lanzenotter

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Insel-Lanzenotter

Insel-Lanzenotter (Bothrops insularis)

Systematik
ohne Rang: Toxicofera
Unterordnung: Schlangen (Serpentes)
Familie: Vipern (Viperidae)
Unterfamilie: Grubenottern (Crotalinae)
Gattung: Amerikanische Lanzenottern (Bothrops)
Art: Insel-Lanzenotter
Wissenschaftlicher Name
Bothrops insularis
(Amaral, 1922)

Die Insel-Lanzenotter (Bothrops insularis) ist eine Schlangenart aus der Familie der Vipern (Viperidae), Unterfamilie der Grubenottern (Crotalinae). Sie ist endemisch auf der im Atlantik vor dem Bundesstaat São Paulo gelegenen brasilianischen Insel Queimada Grande. Die Insel ist nur 43 Hektar groß. Erst 1921 wurde die Insel-Lanzenotter vom brasilianischen Schlangenforscher Afrânio Pompílio Bastos do Amaral (1894–1982), der im selben Jahr Direktor des Schlangenforschungsinstituts Butantan in São Paulo wurde, als eigene Art erkannt und beschrieben.

Merkmale

Die Insel-Lanzenotter wird im Mittel 70 cm lang (Gesamtlänge), maximal sind bisher 118 cm Gesamtlänge nachgewiesen. Die Art ist im Vergleich zu anderen Lanzenottern recht schlank. Die Grundfarbe der Oberseite ist hellbraun bis goldfarben. Darauf findet sich eine Zeichnung dunkler, dreieckiger oder quadratischer Flecken, die schmal oder breit sein können und an der Rückenmitte entweder gegenüberstehen oder alternieren. Die Fleckung kann auch sehr schwach sein oder vollständig fehlen.

Lebensweise

Sie lebt im Buschwald und im dichten Gras der Insel und ist überwiegend baumbewohnend (arboricol). Aufgrund elektronischer Markierungen konnte man bei einigen Exemplaren feststellen, dass sie jahrelang die Bäume nicht verließen.

Die Art ernährt sich heute überwiegend von Vögeln. Bei einer Untersuchung machten Vögel 85 % der Beute aus, weiterhin wurden bisher andere Schlangen und Tausendfüßer als Nahrung nachgewiesen. Man nimmt an, dass sich die Art seit der Trennung der Insel vom heute 36 km entfernten Festland (vor etwa 15.000 Jahren während der Eiszeit) aufgrund ihrer Ausbreitung und Verdrängung anderen Lebens auf Vögel als Nahrungsquelle spezialisiert hat. Die Vögel rasten nur zweimal jährlich auf Queimada Grande während ihres Vogelzugs. Die Insel-Lanzenotter jagt nicht aktiv, sondern wartet im Baum, bis ein Vogel in Reichweite kommt.

Vermutungen zur Population und zu gestörter Geschlechtsentwicklung

Einst wurde angenommen, dass sie Schlangen-Population der Insel etwa 430.000 Schlangen betrug, das heißt, eine pro Quadratmeter, was aber völlig unrealistisch war.[1][2]

Wegen der Isolation der Insel-Lanzenotter vom Festland seit der letzten Eiszeit ist der Genpool sehr klein. Forscher des Instituto Butantan nahmen deshalb an, dass durch Inzucht erbliche Störungen im Mechanismus der Geschlechtsfestlegung aufgetreten seien. Die Insel-Lanzenotter habe vier Geschlechter entwickelt: Neben männlichen und weiblichen Exemplaren habe es männliche Tiere mit weiblichen Geschlechtsorganen gegeben und ebenso umgekehrt; unter den letzten beiden Geschlechtern schienen sich (selten) echte Zwitter (Selbstbefruchter) zu befinden. Durch den steigenden Anteil von Individuen mit gestörter Geschlechtsbestimmung (1930: 40 %, 1955: bereits 70 %) und den stark sinkenden Anteil an Weibchen (1930: nur noch 10 %, 1955: 3 %)[3] gehe die Fortpflanzungsrate kontinuierlich zurück.

Untersuchungen vor Ort

Eine erste systematische Untersuchung der Population der Insel-Lanzenottern im Jahre 2008 ergab eine Zahl von 2.000 bis 4.000 Tiere. Im Jahre 2015 ergab die Schätzung eines Herpetologen vor Ort in einer Dokumentation des Discovery Channel ebenfalls eine Population von 2.000 bis 4.000.[4][5]

Systematik

Für die Insel-Lanzenotter wurden bisher keine Unterarten beschrieben. Eine molekulargenetische Untersuchung, die alle Arten bzw. Taxa der Gattung Bothrops einschließt, liegt bisher nicht vor. In der bisher umfassendsten molekulargenetischen Arbeit, die 28 Arten oder Formen der Gattung berücksichtigte, wurde als nächste Verwandte der Insel-Lanzenotter die Jararaca-Lanzenotter (Bothrops jararaca) identifiziert.[6]

Gift

Das Gift der Art weist etwa die fünffache Konzentration dessen der Jararaca-Lanzenotter auf. Das Gift wirkt deswegen extrem schnell, so dass gebissene Beutevögel nicht mehr wegfliegen können. Versuche ergaben, dass das Gift Mäuse binnen 2 Sekunden tötet. Es ist daher für die pharmazeutische Forschung sehr interessant, was auch den illegalen Tierhandel auf den Plan ruft. Ein Gramm Lanzenotterngift der amazonischen Jararaca wurde 1999 um 2.000 US-Dollar gehandelt, das sehr viel seltenere Gift der Insel-Lanzenotter dürfte entsprechend mehr kosten.[7] Insel-Lanzenottern sind illegal gefangen worden und tauchten auf einem Tiermarkt in Amsterdam auf.[8]

Pharmakologie

Den ACE-hemmend wirkenden Peptiden des Giftes der Jararaca-Lanzenotter (Bothrops jararaca), insbesondere der Insel-Lanzenotter, ist der Wirkstoff Captopril nachempfunden. Captopril ist die Leitsubstanz für die Gruppe der ACE-Hemmer. Ein Patent für das Spezifikum Capoten (Generikum Captopril) ist dem Pharma-Unternehmen Bristol-Myers Squibb erteilt worden. Das Instituto Butantan hat 2004 ein Patent für Evasine (Endogenous Vasopeptidases Inhibitors) angemeldet, eine Gruppe von Hypertensionsmitteln mit weniger Nebenwirkungen als Captopril.[9]

Trivia

Der Leuchtturm der Insel wird seit langem automatisch betrieben, da in früheren Jahrzehnten mehrere Wärter durch Schlangenbisse verstarben. Der Zutritt zur Insel, die 1985 zum nationalen Naturschutzgebiet erklärt wurde, ist nur Wissenschaftlern erlaubt; ursprünglich auch wegen der früher hohen Giftschlangendichte, jetzt deswegen, weil die Schlangenart bedroht ist und illegaler Schlangenfang ihre Situation verschlechtert. Der Lebensraum der Schlangen verschlechtert sich aufgrund der Beseitigung von Vegetation durch brasilianische Marinesoldaten, die den Leuchtturmbetrieb aufrechterhalten.[10]

Belege

  1. Marcio Martins, Ricardo J. Sawaya, Otavio A. V. Marques: A First Estimate of the Population Size of the Critically Endangered Lancehead, Bothrops insularis. In: South American Journal of Herpetology. 3, Nr. 2, 2008, S. 168–174. doi:10.2994/1808-9798(2008)3[168:AFEOTP]2.0.CO;2.
  2. Discovery Channel: Treasure Quest: Snake Island Facts.
  3. nach Alphonse Richard Hoge (1912-1982) vom Instituto Butantan
  4. Marcio Martins, Ricardo J. Sawaya, Otavio A. V. Marques: A First Estimate of the Population Size of the Critically Endangered Lancehead, Bothrops insularis. In: South American Journal of Herpetology. 3, Nr. 2, 2008, S. 168–174. doi:10.2994/1808-9798(2008)3[168:AFEOTP]2.0.CO;2.
  5. Discovery Channel: Treasure Quest: Snake Island Facts.
  6. W. Wüster, M. G. Salomão, J. A. Quijada-Mascareñas, R. S. Thorpe und B. B. B. S. P: Origin and evolution of the South American pitviper fauna: evidence from mitochondrial DNA sequence analysis. In: G. W. Schuett, M. Höggren, M. E. Douglas & H. W. Greene (eds): Biology of the Vipers. Eagle Mountain Publishing, Eagle Mountain, Utah, 2002: S. 111–128.
  7. Archivlink (Memento des Originals vom 5. Mai 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/epoca.globo.com Zs. Época, 29. März 1999, abgerufen am 5. Januar 2013
  8. Reportage in der brasilianischen Wochenzeitung Isto é vom 24. September 2003
  9. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 3. Januar 2006 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jornaldaciencia.org.br Jornal da Ciência, abgerufen am 5. Januar 2013
  10. Bothrop insularis - Assessment Information auf IUCN Redlist of Endangered Species (englisch)

Literatur

  • Jonathan A. Campbell, William W. Lamar: The Venomous Reptiles of the Western Hemisphere. Comstock; Ithaca, London. 2004. ISBN 0-8014-4141-2
  • Ângelo Barbosa Monteiro & al. (Hrsg.): Livro vermelho da fauna brasileira ameaçada de extinção. Brasília, MMA; Belo Horizonte, Fundação Biodiversitas, 2008 (Neuauflage 2010) II vol., p. 352.

Weblinks