Jean Baptiste Farinelli

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Jean Baptiste Farinelli,[1] auch Jean-Baptiste Farinel, (* 15. Januar 1655 in Grenoble; † nach 1720 in Venedig) war ein französischer Violinist, Konzertmeister und Komponist des Barock. Insbesondere in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte er großen Anteil am Aufschwung des Musiklebens in Hannover.[2] Farinellis älterer Bruder war der Komponist und Violinist Michel Farinelli.

Leben

Detailansicht vom Schloss Osnabrück, wo Farinelli „vermutlich“ unter Ernst August und Sophie von der Pfalz wirkte

Familie

Farinelli entstammte einer traditionsreichen französischen Musikerfamilie des 17. und 18. Jahrhunderts. Er war der Sohn von Robert Farinel[2] und Bruder von Michel Farinel.[3]

Werdegang

Farinelli war mit seinem Vater bereits zur Zeit des Fürstentums Calenberg 1680 in die Residenzstadt Hannover gegangen. Im selben Jahr wurde Farinelli dort Konzertmeister der Hofkapelle von Herzog Ernst August.[2]

Am 8. Januar 1689 heiratet Farinel in Kopenhagen die italienische Sopranistin Vittoria Tarquini, die gemeinsam mit anderen Sängern im Sommer oder Herbst 1688 an den Hof von Ernst August kam, um in Agostino Steffanis Oper Enrico Leone zu singen (Uraufführung am 30. Januar 1689 in Hannover).[4][5]

1691 bis 1695 war Farinelli „vermutlich“ am Schlosshof von Osnabrück tätig, wo er unter Ernst August und dessen Gemahlin Sophie von der Pfalz den Aufstieg zum Kurfürstentum Hannover miterlebte. In dieser Zeit vertrat Giuseppo Galloni Farinelli am Hof von Hannover.[2]

Anschließend stand Jean Baptiste Farinelli, wieder in Hannover, als „Leiter der Instrumentalmusik“ bis 1713 der 18-köpfigen hannoverschen Hofkapelle vor, lediglich 1710 und 1711 wurde er dort von Georg Friedrich Händel vertreten.[2] Während einer Reise nach Dänemark wurde Farinelli dort „nobilitiret[6] durch Friedrich IV., König von Dänemark und Norwegen.[3]

Als Georg Ludwig 1714 zu Beginn der Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover den englischen Thron in London bestieg, ernannte er Farinelli zum hannoverschen Minister-Residenten bzw. Gesandten in Venedig.[3][2] Farinelli wurde 1720 aus dem hannoverschen Dienst entlassen und starb in Italien „nach 1720“. Die Stellung als Hofkonzertmeister in Hannover hatte unterdessen Francesco Venturini angetreten.[2]

Farinellis Kompositionen – insbesondere Bühnenwerke und Flötenkonzerte – sind „nicht erhalten“.[2][7]

Siehe auch

Literatur

  • Victor Herrero Mediavilla (Red.): Archivo biografico de España, Portugal e Iberoamerica (ABEPI = Spanisches, Portugiesisches und Iberoamerikanisches Biographisches Archiv), Mikrofiche, München; New York; London; Paris: Saur[1]
  • Johann Gottfried Walther: Farinelli. In: Musicalisches Lexicon oder musicalische Bibliothec, Leipzig: Wolfgang Deer, S. 240; Digitalisat über archive.org
  • George Grove: New Grove Dictionary of Music and Musicians, vol. 6, p. 397
  • Riemann Musiklexikon, 12., völlig neubearbeitete Auflage in 3 Bden, hrsg. von Wilibald Gurlitt, Bd. 1, Mainz; London; New York; Paris: Schott, S. 488f.
  • Wulf Konold (Ges.-Red.), Klaus-Jürgen Etzold (Mitverf.): Das Niedersächsische Staatsorchester Hannover 1636 bis 1986, hrsg. von der Niedersächsischen Staatsorchester Hannover GmbH, Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft, 1986, ISBN 3-87706-041-2, S. 174
  • Hugo Thielen: FARINEL(LY), Jean-Baptiste. In: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 115 u.ö.; online über Google-Bücher
  • Hugo Thielen: Farinel(ly), Jean-Baptiste. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 174.

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. a b Zur hier gewählten Schreibweise vergleiche die Angaben unter der GND-Nummer der Deutschen Nationalbibliothek
  2. a b c d e f g h Hugo Thielen: FARINEL(LY) ... (siehe Literatur)
  3. a b c Riemann Musiklexikon (siehe Literatur)
  4. Colin Timms: Polymath of the Baroque: Agostino Steffani and His Music, Oxford University Press, 2003, S. 55, online als Google Book (englisch; abgerufen am 21. Oktober 2019)
  5. Matthew Gardner: „Steffani‘s Italian Opera singers in Hannover, Recruitment and Vocal Style“, in: Claudia Kaufold, Nicole K. Strohmann, Colin Timms (HRG.): Agostini Steffani - Europäischer Komponist, hannoverscher Diplomat und Bischof der Leibniz-Zeit, ..., Göttingen, 2017, S. 123–138, hier: S. 128
  6. Johann Gottfried Walther: Farinelli (siehe Literatur)
  7. Anmerkung: Davon abweichend geben das Barockorchester Concerto Farinelli und das Ensemble Farinel auf ihrer gemeinsamen Webseite an, im Jahr 2009 anlässlich des Jubiläums der Fürstenhochzeit unter anderem Werke von Farinelli aufgeführt zu haben; vergleiche Fürstenhochzeit /2009 auf der Seite concertofarinelli.de, zuletzt abgerufen am 30. Juni 2014
VorgängerAmtNachfolger
Giovanni Battista Zanovello († 1713)Hannoverscher Gesandter in Venedig
1714–1720
Giuseppe Sorosina