John Irving

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John Irving in Köln am 14. September 2010

John Winslow Irving (* 2. März 1942 in Exeter, New Hampshire) ist ein US-amerikanisch-kanadischer Schriftsteller.

Werdegang

John Irving wurde als John Wallace Blunt, Jr. geboren. Benannt war er nach seinem Vater, einem Kampfpiloten. Seine Mutter, Helen Frances Winslow, eine Krankenschwester, ließ sich jedoch schon vor der Geburt des Sohnes scheiden. Im Alter von sechs Jahren wurde der Name geändert, nachdem sein Stiefvater, Colin Franklin Newell Irving, ein Professor für russische Geschichte, ihn adoptiert hatte. Mit 14 Jahren begann John zu ringen und zu schreiben, hatte aber wegen seiner Legasthenie in der Schule große Schwierigkeiten. Im Alter von 19 Jahren wusste er, was er wollte: Ringen und Romane schreiben. „Schreiben ist wie Ringen. Man braucht Disziplin und Technik. Man muss auf eine Geschichte zugehen wie auf einen Gegner.“ (John Irving[1])

Irving studierte ab 1961 an der Universität von Pittsburgh englische Literatur, dann, 1962/1963, zwei Semester in Wien, wo er die Idee zu seinem ersten Roman hatte: Er verbrachte seine Zeit im Tiergarten und in Kaffeehäusern (da es in seinem Zimmer zu kalt war), fuhr Motorrad, las Die Blechtrommel von Günter Grass und schrieb, davon inspiriert, sein erstes Buch Laßt die Bären los!, das 1968 erschien. Nach der Zeit in Wien ging Irving auf die Universität von New Hampshire, wo er 1965 mit dem Bachelor abschloss. Seinen Master of Fine Arts schloss er 1967 an der University of Iowa ab und trat anschließend eine Dozentenstelle an einem College in Vermont an.

Da er nach seinem dritten Roman der Meinung war, sein bisheriger Verlag unterstütze ihn nur unzureichend, brachte er sein viertes Buch Garp und wie er die Welt sah bei einem anderen Verlag heraus und schaffte damit seinen Durchbruch. Der Roman erzählt die Lebensgeschichte des Schriftstellers T. S. Garp und seiner feministischen Mutter. Der Erfolg war so überwältigend, dass Irving sich fortan vollständig der Schriftstellerei widmen konnte und seine Dozententätigkeit aufgab.

1999 verfasste Irving das Drehbuch zu seinem Roman Gottes Werk und Teufels Beitrag selbst, für das er mehrfach ausgezeichnet wurde, unter anderem mit einem Oscar. Im Jahr zuvor hatte er sich von der Verfilmung seines Romans Owen Meany distanziert und eine Änderung des Titels in Simon Birch bewirkt.

Als Auskopplung aus dem Roman Witwe für ein Jahr (1998) erschien im Jahre 2003 sein erstes Kinderbuch Ein Geräusch, wie wenn einer versucht, kein Geräusch zu machen mit Zeichnungen von Tatjana Hauptmann.

John Irving hat aus seiner ersten Ehe zwei Söhne und ist in zweiter Ehe seit 1987 mit seiner Agentin verheiratet, mit der er einen weiteren Sohn hat. Er lebt abwechselnd in Vermont und Toronto. 2019 nahm er zusätzlich die kanadische Staatsangehörigkeit an.[2]

Themen und Motive

Die unwahrscheinlichsten, oftmals äußerst skurrilen und makabren Begebenheiten, die gleichzeitig wiederum ins Urkomische übergehen, zeichnen John Irvings Romane aus. Der Ton ist tragikomisch; gesellschaftliche Tabus werden gebrochen. Diese vielfachen Überzeichnungen und Verzerrungen führen zu grotesken Satiren auf die amerikanische Gesellschaft. Ein weiteres Hauptthema sind die Höhen und Tiefen zwischenmenschlicher Beziehungen, die er meistens überdeutlich und krass darstellt: „… ich habe schon immer über Menschen geschrieben, die mit irgendeinem Verlust leben müssen – ganz egal, ob sie ein Körperteil verloren haben, einen geliebten Menschen oder Kinder. Wenn es Themen gibt, die sich ständig wiederholen in fast all meinen Büchern, dann sind es die Themen Verlust und Gewalt, die bizarr und völlig unerwartet passieren. Ich sehe jeden verdammten Tag Dinge in meiner Fantasie, die schrecklicher sind als der 11. September.“

Einige Motive sind in Irvings Romanen häufig zu finden: Körperbetonte Sportarten (Ringen, Football); wiederkehrende Regionalbezüge bzw. Schauplätze (Maine, New Hampshire, Staten Island, auch Europa, v. a. Wien und Amsterdam); Charakteristika von Figuren (schüchterne Männer, starke Frauenfiguren[3], vaterlos aufwachsende Söhne, Prostituierte); Beziehungen (sexuelle Beziehungen zwischen älteren Frauen und jüngeren Männern, Inzest, häufig homoerotische Beziehungen) und Milieus (Rotlichtmilieus, Internatsschulen, Hotels/Pensionen, Zirkus) sowie die Schriftstellerei, Motorräder, Religion und immer wieder Bären. Manche Kritiker werfen Irving vor, sehr autobiographisch zu schreiben und sich ständig zu wiederholen; ein Problem, mit dem er sich auch in Witwe für ein Jahr auseinandersetzt.

Irvings größte literarische Vorbilder sind Charles Dickens und Günter Grass. Er beginnt seine Werke mit dem Schreiben des letzten Satzes.[4][5]

Auszeichnungen und Ehrungen

Rezeption

Am Tag vor seinem 70. Geburtstag kam 2012 unter dem Titel John Irving und wie er die Welt sieht ein von André Schäfer gestalteter deutscher Dokumentarfilm über Irvings Leben in die Kinos.[7]

Werke

Romane

Weitere Bücher

  • 1993 Trying to Save Piggy Sneed. Dt. von Dirk van Gunsteren 1993: Rettungsversuch für Piggy Sneed, ISBN 3-257-22779-5. (Sechs Erzählungen und ein Essay über Charles Dickens)
  • 1996 The Imaginary Girlfriend. Dt. von Irene Rumler 1996: Die imaginäre Freundin, ISBN 3-257-23308-6. (Vom Ringen und Schreiben – eine Autobiografie)
  • 1999 My Movie Business. Dt. von Irene Rumler 2000: Mein Leben, meine Romane, meine Filme, ISBN 3-257-06238-9. (Über seine Erfahrungen, seinen Roman Gottes Werk und Teufels Beitrag zu verfilmen)
  • 2002 Deutschlandreise. ISBN 3-257-70176-4. (Ein Stimmungsbericht über das Deutschland der neunziger Jahre)
  • 2003 Ein Geräusch, wie wenn einer versucht, kein Geräusch zu machen. ISBN 3-257-01102-4. (Kinderbuch, aus dem ersten Teil des Romans Witwe für ein Jahr, mit Zeichnungen von Tatjana Hauptmann)
  • 2008 Die Pension Grillparzer. (Eine Bärengeschichte). ISBN 3-257-70167-5. (Erzählung, ursprünglich erschienen in Trying to Save Piggy Sneed.)

Verfilmungen

In der Verfilmung von Garp und wie er die Welt sah spielte Irving in einer Nebenrolle einen Kampfrichter, der einen Schulkampf leitet, in Gottes Werk und Teufels Beitrag einen Bahnhofsvorsteher.

Literatur

  • Hartmut Braun: Literatur als Zerrspiegel. Metafiktion in den Romanen von John Irving. Der Andere Verl., Osnabrück 2004, ISBN 3-89959-197-6.
  • Barbara Sinic: Die sozialkritische Funktion des Grotesken. Analysiert anhand der Romane von Vonnegut, Irving, Boyle, Grass, Rosendorfer und Widmer. Frankfurt am Main u. a.: Lang 2003. (= Wiener Beiträge zu Komparatistik und Romanistik; 12) ISBN 3-631-50649-X.
  • Elke Weiß: John Irving und die Kunst des Fabulierens. Frankfurt am Main u. a.: Lang 2002. (= Bremer Beiträge zur Literatur- und Ideengeschichte; 37) ISBN 3-631-38889-6.
  • John Irving: Die imaginäre Freundin. Vom Ringen und Schreiben. Zürich: Diogenes Verlag 2002, ISBN 3-257-23308-6.

Weblinks

Commons: John Irving – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Katrin Zeug: Wie das Schreiben das Denken verändert. In: ZEIT Wissen Nr. 6/2017. ZEIT ONLINE, 3. Dezember 2017, abgerufen am 5. April 2021.
  2. Deborah Dundas: ‘Ending up here is a love story.’ American writer John Irving becomes a Canadian citizen | The Star. In: thestar.com. 13. Dezember 2019, abgerufen am 14. Dezember 2019 (englisch).
  3. John Irving’s ‘Avenue of Mysteries’. (nytimes.com [abgerufen am 9. Juli 2018]).
  4. Die Welt: Ich brauche den letzten Satz, Literatur, Hannes Stein, 22. Mai 2010
  5. Augsburger Allgemeine: Ein letzter letzter Satz, Literatur, Stefanie Wirsching, 2. März 2022
  6. Academy Members. American Academy of Arts and Letters, abgerufen am 16. Januar 2019.
  7. Rochus Wolff: John Irving und wie er die Welt sieht. In: kino-zeit.de. Abgerufen am 11. Mai 2013.
  8. John Irving. Abgerufen am 26. März 2022.
  9. The Door In The Floor, der erste Teil des Buches Witwe für ein Jahr