John Wallis

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John Wallis

John Wallis (* 23. Novemberjul. / 3. Dezember 1616greg. in Ashford, Kent; † 28. Oktoberjul. / 8. November 1703greg. in Oxford) war ein englischer Mathematiker, der Beiträge zur Infinitesimalrechnung und zur Berechnung der Kreiszahl leistete.

Leben

Wallis war eines der fünf Kinder von John Wallis, dem Pfarrer von Ashford. Sein Vater starb, als er knapp sechs Jahre alt war. Da man seine Begabung früh erkannte, wurde er mit 14 Jahren nach Felsted, Essex, auf die Schule des bekannten Lehrers Martin Holbeach geschickt,Felsted School, wo er Griechisch, Latein und Hebräisch lernte. Ab Dezember 1632 studierte er am Emmanuel College in Cambridge unter anderem Philosophie, Geographie, Astronomie und Medizin mit einem Bachelor-Abschluss 1637. Er setzte sein Studium besonders in Theologie fort und schloss 1640 mit einem Master of Arts ab und wurde im selben Jahr als Priester ordiniert. Mathematik, die damals nur als Unterrichtsstoff für Kaufleute, Landvermesser und ähnliche Berufe angesehen wurde, lernte er nicht an der Schule oder Universität, sondern kam damit laut seiner Autobiographie 1631 in Berührung, als sein Bruder ein Rechenbuch für seine Kaufmannslehre studierte. Nach Abschluss des Studiums war er Kaplan in Butterworth (Yorkshire), Hedingham, Essex und London. In dieser Zeit fing er auch an, sich im Englischen Bürgerkrieg auf der Seite der Roundheads zu engagieren. Ein befreundeter Geistlicher fragte ihn 1642 halb im Scherz, ob er eine verschlüsselte Botschaft der Royalisten entschlüsseln könne, was ihm in diesem und in folgenden Fällen auch gelang. Er erhielt dafür 1643 die Pfarrei in St. Gabriel in London, war aber nach dem Tod seiner Mutter im selben Jahr durch sein Erbe finanziell unabhängig. 1644 wurde er Fellow des Queens’ College in Cambridge, musste diesen Posten aber nach seiner 1645 erfolgten Heirat aufgeben. Er ging wieder nach London, wo er auch an den ersten Versammlungen der Vorläufergesellschaft der Royal Society aktiv beteiligt war und sich durch die Lektüre eines Buches (Clavis mathematicae) von William Oughtred 1647 ernsthaft mit Mathematik zu befassen begann. Nicht zuletzt wegen seiner kryptologischen Verdienste wurde er 1649 von Cromwell auf den Savilian Chair of Geometry in Oxford berufen, als der vorherige Inhaber Peter Turner wegen Unterstützung der Royalisten entlassen wurde. Auch später war Wallis als Kryptologe tätig, indem er eine Geheimbotschaft von Ludwig XIV. entzifferte, die Polen zu einem Angriff auf Preußen drängen sollte. Er bildete auch viele Kryptologen aus. Als der mit ihm befreundete Leibniz ihn 1699 darum bat, Kryptologen für das Haus Hannover auszubilden, lehnte dieser jedoch ab. 1657 wurde Wallis Verwalter der Universitätsarchive in Oxford. Da er sich öffentlich gegen die Hinrichtung Karls I. ausgesprochen hatte, behielt er seinen Lehrstuhl auch nach der Restauration 1660 und wurde sogar königlicher Kaplan.

Wallis konnte umfangreiche Rechnungen (wie die Bildung der Wurzel einer 50-stelligen Zahl) im Kopf ausführen.

Wallis schrieb auch eine englische Grammatik (Grammatica linguae Anglicanae 1653) und gab Texte antiker griechischer Mathematiker heraus (die Abhandlung über die Abstände von Sonne und Mond von Aristarchos von Samos, Archimedes Sandzähler, die Harmonik des Ptolemäus u. a.). Er machte auch die Arbeiten des englischen Renaissance-Mathematikers Thomas Harriot bekannt. Als er einen Versuch des Philosophen Thomas Hobbes zur Quadratur des Kreises herablassend kritisierte, entspann sich zwischen beiden ein heftiger Schlagabtausch, der auch nach Jahren nicht abkühlte und erst mit Hobbes Tod 25 Jahre nach Beginn des Disputs endete.

Werk

Opera mathematica, 1699

Wallis trug in seinen Werken zur Entwicklung der Infinitesimalrechnung vor Newton bei, wobei er auf den Arbeiten von Johannes Kepler, Cavalieri, Roberval und Torricelli aufbaute. 1656 leitete er in Arithmetica Infinitorum, in dem er Untersuchungen zu unendlichen Reihen veröffentlichte, das Wallissche Produkt her, mit dem man näherungsweise die Kreiszahl berechnen kann:

Die Formel entstand aus der Integration der Funktion für n=1/2 (also der direkten Integration der Fläche des Einheitskreises), die er aus der Interpolation (ein Begriff den er einführte) des Integrals für ganze n gewann. Auch das Unendlichzeichen als Symbol für das Unendliche stammt von Wallis. Die Arithmetica Infinitorum übte einen großen Einfluss auf Isaac Newton aus, der das Buch im Winter 1664/65 studierte, und führten auch zu einem Briefwechsel mit Fermat, der nach Erscheinen des Buches die englischen Mathematiker mit mathematischen Problemen herausforderte.

In seiner Algebra ließ er auch komplexe Lösungen von Gleichungen zu. Er war einer der ersten britischen Mathematiker, die die Methoden der analytischen Geometrie von Descartes benutzten. Unter anderem wandte er sie auf die Kegelschnitte an. In seiner Algebra, seinem letzten großen Werk, an dem er viele Jahre arbeitete, ist auch ein Abschnitt über unendliche Reihen und sie enthält insbesondere in der ersten Auflage die ersten Veröffentlichungen von einigen von Newtons Resultaten auf diesem Feld. Wallis war sehr bemüht Newtons Priorität auf diesem Gebiet zu dokumentieren (zumal Newton damals nichts selbst veröffentlichte) und ermunterte auch andere Kollegen in Großbritannien dazu. In seiner Algebra baute er insbesondere auf der Arbeit englischer Mathematiker wie Oughtred, Harriot und John Pell auf. Er versuchte auch nachzuweisen, dass Descartes in der Algebra von Harriot beeinflusst war.

Bei Wallis finden sich auch erste Ansätze zur geometrischen Interpretation komplexer Zahlen (zunächst positiver und negativer reeller Zahlen auf der Zahlengerade und dann Rechnungen mit geometrischen Mitteln um einer geometrischen Konstruktion komplexer Zahlen näherzukommen).[1]

Er verfasste Abhandlungen zur Musiktheorie und ein Buch über Phonetik (De loquela, zuerst 1652), das viele Auflagen erlebte (6. Auflage 1765). Wallis Studien über Phonetik führten auch zu Methoden zur Unterrichtung tauber Kinder, und er unterrichtete 1661/62 zwei Gehörlose, worüber er vor der Royal Society berichtete. In diesem Bereich übernahm er auch Theorien von Johann Konrad Ammann.

Zur Bewegungslehre und Mechanik verfasste er 1671 ein Werk Mechanica sive de motu tractatus geometricus, in dem er auf galileischer Grundlage die strikt geometrische Grundlage dieser Lehre betonte. Es handelt insbesondere von Schwerpunkten und Stößen und stellte einen wesentlichen Fortschritt in der Mathematisierung der Mechanik im 17. Jahrhundert dar.[2] Das Buch beeinflusste auch Isaac Newton stark, der mit seinem Buch Principia (1687) allerdings weit darüber hinausging.

Er war auch an Musiktheorie interessierte und übersetzte griechische Texte von Claudius Ptolemäus, Porphyrios und Bryennios[3] und diskutierte mit Thomas Salmon, Henry Oldenburg und anderen über Musiktheorie.

Schriften

Opera mathematica, 1657

* Treatise of Angular Sections, geschrieben um 1648, erschienen 1684

  • De sectionibus conicis 1655
  • Arithmetica Infinitorum, 1655 (auch in Opera mathematicorum, Band 2, 1656)
  • Commercium epistolicum 1658 (Austausch mit Fermat über Zahlentheorie)
  • Treatise of Algebra. Both historical and practical. London 1685. (Lateinische Version in Opera mathematica, Band 2)
  • Scriba The Autobiography of John Wallis, Notes and Records of the Royal Society London Band 25, 1970, S. 17–46 (er schrieb seine Autobiographie 1697)
  • Mechanica sive de motu tractatus geometricus, London 1669–1671
  • Institutio logicae 1687
  • De aestu maris hypothesis nova, 1668 (Gezeiten)
  • Opera mathematica, 3 Bände, 1693–1699 (Nachdruck Olms 1972, hrsg. von Christoph J. Scriba), Bd. 1 (1695), Bd. 2 (1693), Bd. 3 (1699).
  • Operum mathematicorum, in zwei Teilen, 1656, 1657
  • Philip Beeley, Christoph Scriba (Hrsg.): The correspondence of John Wallis. Oxford UP, 4 Bände, ab 2013

Literatur

  • John Stillwell: Mathematics and its history. Springer 1989, 2002
  • David Kahn: The Codebreakers. 1968
  • Christoph Scriba: Studien zur Mathematik des John Wallis. Wiesbaden, Steiner, 1966 (Habilitation)
  • J. F. Scott The mathematical work of John Wallis, London 1938
  • Adolf Prag: John Wallis – zur Ideengeschichte der Mathematik im 17. Jahrhundert. Quellen und Studien zur Geschichte der Mathematik, Band 1, Heft 3, 1930, S. 381–412.
  • David Eugene Smith: John Wallis as a cryptographer, Bulletin AMS, Band 24, 1917, S. 82–96, Online
  • Luigi Maierù: John Wallis. Una vita per un progretto. Historia Scientiae in Mediterraneo 1, Soveria Mannelli: Rubbettino Editore 2007
  • Christoph J. Scriba: Wallis, John. In: Charles Coulston Gillispie (Hrsg.): Dictionary of Scientific Biography. Band 14: Addison Emery Verrill – Johann Zwelfer. Charles Scribner’s Sons, New York 1976, S. 146–155.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Nahin, An imaginary tale, Princeton UP 1998, S. 41ff.
  2. Scriba, Artikel Wallis in Dictionary of Scientific Biography
  3. David Cram, Benjamin Wardraugh (Hrsg.), John Wallis. Writings on Music, Routledge 2014