Julius Lips
Julius Ernst Lips (* 8. September 1895 in Saarbrücken; † 21. Januar 1950 in Leipzig; Pseudonym: Palan Kárani[1]) war ein deutscher Ethnologe und Soziologe. Er wurde vom NS-Regime entrechtet, emigrierte nach Frankreich und von dort aus in die USA.
Werdegang
Von 1914 bis 1916 war Julius E. Lips Soldat im Ersten Weltkrieg. Lips studierte anschließend Rechts-, Human-, Wirtschaftswissenschaften und Psychologie an der Universität Leipzig und beendete sein Studium mit den Graden Dr. phil. (1919) und Dr. jur. utr. (1925). 1925 heiratete er Eva Lips, geborene Wiegandt (1906–1988). Ab 1925 unternahm er Reisen innerhalb Europas und nach Amerika. Er war anschließend Angestellter am Museum für Ethnologie in Köln. Von 1926 bis 1933 war er Mitglied der Fakultät der Universität Köln. 1926 habilitierte er sich bei Fritz Graebner über Fallensysteme der Naturvölker und wurde Privatdozent in Völkerkunde und Soziologie. Von 1929 bis 1933 war Lips Professor für Völkerkunde und Soziologie an der Universität Köln und seit 1928 Nachfolger Graebners als Direktor des Kölner Museums für Völkerkunde (heute Rautenstrauch-Joest-Museum).
Gegner der Nationalsozialisten
Julius Lips weigerte sich, die Ethnologie in den Dienst der nationalsozialistischen Rassenlehre zu stellen. Am 28. März 1933 beantragte er die Beurlaubung aus politischen Gründen und legte sein Amt nieder.[2] Am 13. Oktober 1933 entließ der Oberbürgermeister Kölns, Günter Riesen, Lips als Museumsdirektor gemäß § 4 des Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums mit Verlust der Bezüge und Pensionsansprüche.[2] Am 27. Dezember 1933 entzog der Preußische Innenminister ihm die Lehrerlaubnis; anschließend wurde ihm die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt und sein Vermögen beschlagnahmt.[2]
Lips nahm 1933 eine Gastprofessur an der Sorbonne und am Musée de l’Homme (Paris) wahr.[2] 1938 erkannte die Universität Leipzig ihm den Doktorgrad ab.
Emigration
1934 emigrierte Lips von Paris in die USA, wo er zunächst durch Vermittlung von Franz Boas eine bis 1937 befristete Lehrstelle an der Columbia University erhielt. Von 1937 bis 1939 war er Leiter des Instituts für Anthropologie an der Howard University in Washington, D.C. Er gründete an dieser bedeutendsten „schwarzen“ Universität der USA den Lehrstuhl für Völkerkunde. Bis 1938 unternahm er jährliche Reisen nach Europa, vor allem nach Paris. Ab 1940 war er Mitglied der Fakultät der New School for Social Research in New York.
Widerstand
Lips nahm an Einheitsfrontversuchen ähnlich dem Lutetia-Kreis in Frankreich teil. 1937 betätigte er sich im Bund Freiheitlicher Sozialisten. 1944 war er Mitglied des Council for a Democratic Germany. 1947 forschte er mit seiner Frau Eva Lips bei den Naskapi in Labrador und bei den Ojibwa.
Rückkehr
1948 kehrte er über Kopenhagen nach Deutschland zurück. Trotz des Angebotes, seine Lehrtätigkeit in Köln wieder aufnehmen zu können, entschied er sich 1949 für den Ruf nach Leipzig, weil er eine Zusammenarbeit mit den nationalsozialistisch belasteten Wissenschaftlern in Köln ablehnte. Er wurde Professor für Völkerkunde und vergleichende Rechtssoziologie an der Universität Leipzig, 1949 deren Rektor. Er spezialisierte sich auf Urrecht und wirtschaftliche Humanwissenschaften, mit Forschungsschwerpunkt auf verschiedene Indianerstämme. Seit 1949 war er ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Nach seinem Tod im Jahre 1950 übernahm seine Frau, Eva Lips, die Herausgabe seiner Werke. Das Leipziger Institut erhielt nach seinem Tode den Namen Julius-Lips-Institut für Völkerkunde und Vergleichende Rechtssoziologie.
Werke (Auswahl)
- Einleitung in die vergleichende Völkerkunde. Lorentz, Leipzig 1930 (Digitalisat).
- The Savage Hits Back, or the White Man Through Native Eyes. Dickson, London 1937 (Digitalisat).
- deutsche Fassung, mit Eva Lips: Der Weiße im Spiegel der Farbigen. Seemann, Leipzig 1983; Hanser, München 1984.
- Tents in the Wilderness. Lippincott, Philadelphia/New Yorck 1942.
- deutsch: Zelte in der Wildnis. Indianerleben in Labrador. Danubia-Verlag, Wien 1946; häufige Neuauflagen bis 1985, auch mit Nachwort von Eva Lips und Illustrationen.
- The Origin of Things. Wyn, New Yorck 1947.
- deutsch: Vom Ursprung der Dinge. Eine Kulturgeschichte des Menschen. Verlag Volk und Buch, Leipzig 1951.
- Die Erntevölker, eine wichtige Phase in der Entwicklung der menschlichen Geschichte. Rektoratsrede am 31. Oktober 1949 in der Kongresshalle zu Leipzig. Akademie-Verlag, Berlin 1953.
Literatur
- Rolf Herzog: Lips, Julius. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, ISBN 3-428-00195-8, S. 672 f. (Digitalisat).
- Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,2. Saur, München 1983, ISBN 3-598-10089-2, S. 735f.
- Klemens Wittebur: Die deutsche Soziologie im Exil 1933- 1945 (Dissertation 1989). Lit, Münster 1991, S. 37–39.
- Lothar Pützstück: Symphonie in Moll. Julius Lips und die Kölner Völkerkunde. Pfaffenweiler 1995.
- Harald Justin: Unter Barbaren. Der Kölner Museumsdirektor Julius Lips erforschte, wie Kolonisierte die Kolonialherren sahen - in der NS-Zeit ein gefährlich radikales Unternehmen, in: Spiegel Geschichte Ausgabe 2/2021, S. 128–132.
- Ingrid Kreide-Damani (Hrsg.): Ethnologie im Nationalsozialismus. Julius Lips und die Geschichte der „Völkerkunde“. Mit Beiträgen von Andre Gingrich, Volker Harms, Lydia Icke-Schwalbe, Ingrid Kreide-Damani, Wolfgang Liedtke, Gudrun Meier, Udo Mischek, Dietrich Treide. Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-89500-774-3.
- Matthias Krings: Julius E. Lips. In: Christian F. Feest, Karl-Heinz Kohl (Hrsg.): Hauptwerke der Ethnologie (= Kröners Taschenausgabe. Band 380). Kröner, Stuttgart 2001, ISBN 3-520-38001-3, S. 263–268.
- German and Jewish Intellectual Émigré Collection: Partial Finding Aid for the Paul Leser/Julius Lips Papers, 1920–1984. M. E. Grenander Department of Special Collections & Archives, University Libraries, University at Albany, The State University of New York.
- Kurzbiografie zu: Lips, Julius. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
- „Der Wilde schlägt zurück“. Kolonialzeitliche Europäerdarstellungen der Sammlung Lips. Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung des Rautenstrauch-Joest-Museums in Köln. Edition Imorde, Emsdetten 2018, ISBN 3942810409.
Weblinks
- Literatur von und über Julius Lips im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Julius Lips im Professorenkatalog der Universität Leipzig
- „Der Wilde schlägt zurück.“ Rautenstrauch-Joest-Museum zeigt kolonialzeitliche Europäerdarstellungen. Presseinfos zur Ausstellung, Stadt Köln, 14. März 2018
- „Der Wilde schlägt zurück.“ Köln 2018. Kuratorin Anna Brus im Gespräch mit Dieter Kassel, Deutschlandfunk Kultur, 16. März 2018 (mit Bildbeispiel)
Fußnoten
- ↑ https://web.archive.org/web/20191121144652/https://research.uni-leipzig.de/agintern/CPL/Seiten/Prof_400.html
- ↑ a b c d Lips, Julius. Biographie und Bibliographie, Universität Leipzig (PDF, Stand: 14. Januar 2013).
Personendaten | |
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NAME | Lips, Julius |
ALTERNATIVNAMEN | Lips, Julius Ernst (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Ethnologe und Rechtssoziologe |
GEBURTSDATUM | 8. September 1895 |
GEBURTSORT | Saarbrücken |
STERBEDATUM | 21. Januar 1950 |
STERBEORT | Leipzig |