Kanzlei

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Der Begriff Kanzlei (von mittelhochdeutsch 

kanzelie

, ursprünglich der mit Schranken eingehegte Raum einer Behörde, besonders eines Gerichtshofes; zu lateinisch cancelli „Schranken“[1][2]) bezeichnet heute häufig das Büro eines Rechtsanwalts (Anwaltskanzlei)[1], Patentanwalts[3] oder Notars (Notariatskanzlei). Branchenüblich wird die Bezeichnung Kanzlei auch von Steuerberatern verwendet. Mittlerweile wird diese Bezeichnung gelegentlich auch von Versicherungsmaklern und Unternehmensberatern geführt. Bei Gericht wird die für die Ausfertigung von Urkunden und die Durchführung des Schriftverkehrs zuständige Abteilung als Gerichtskanzlei oder Gerichtsschreiberei bezeichnet. Die Angestellten bzw. Schreiber einer Kanzlei wurden einer veralteten Bezeichnung zufolge als Kanzlisten bezeichnet.[4]

Mit Kanzlei wird auch eine Behörde der obersten Verwaltungsebene bezeichnet, die über keinen eigenen Verwaltungsunterbau verfügt und in der Regel keine Ressortzuständigkeit wahrnimmt, sondern Koordinierungs- und Abstimmungsfunktionen ausübt (z. B. Reichskanzlei, Bayerische Staatskanzlei, Sächsische Staatskanzlei).

Im behördlich-diplomatischen Sprachgebrauch ist die Kanzlei (oder Botschaftskanzlei) das Gebäude, das die Verwaltung der Botschaft beherbergt, im Gegensatz zur Residenz, in der der Botschafter seinen Amts- und Wohnsitz hat; beide können am selben Ort, aber auch kilometerweit getrennt sein.

Geschichtliche Bedeutung

Historisch gesehen ist die Kanzlei die Behörde des Regenten oder einer Stadt, die den Schriftverkehr führt und archiviert und für Beurkundungen zuständig ist.[1] Der Leiter einer solchen Kanzlei war der Kanzler (von lateinisch cancellarius).

Ab dem 4. Jahrhundert gab es erstmals eine Apostolische Kanzlei als Einrichtung der römischen Kurie. Später wurde der Begriff für Behörden der langobardischen und fränkischen Könige übernommen. Leiter war ein Kanzler bzw. Erzkanzler.

Das Byzantinische Reich führte die Verwaltungstradition des Spätrömischen Reiches fort und verfügte bis zu seinem Untergang 1453 – im Lauf der Jahrhunderte in unterschiedlicher Ausgestaltung – über eine Kanzlei im Sinne einer Verwaltungsbehörde.

Im Mittelalter erlangten Kanzleien hohe Bedeutung (siehe auch Entwicklung der Reichskanzlei). Allerdings entwickelte sich die Kanzlei von Land zu Land unterschiedlich. Im Frankreich des Ancien Régime hatte der Kanzler von Frankreich eine herausragende Stellung.

Die auf den Kanzleien übliche allgemeine Kanzleisprache bot Martin Luther die Voraussetzung der Schaffung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache. Der Begriff Reichskanzlei wurde bereits für eine Behörde im Heiligen Römischen Reich verwendet, die Reichskanzlei in der Wiener Hofburg. Nach der Reichsgründung von 1871 bezeichnete die Reichskanzlei in Berlin das Büro des Reichskanzlers.

Daneben existierten Kanzleien der Reichskreise. Ferner bestanden Kanzleien der einzelnen Reichsstände und ihrer Personalunionen, die Hofkanzleien: Seit spätestens 1620 gab es eine Österreichische Hofkanzlei, sie war die zentrale Behörde für die österreichischen Erblande. Daneben existierte ab 1527 eine Böhmische Hofkanzlei.

Aufgrund des halboffiziellen Charakters der deutschen Rechtsanwaltschaft (Organ der Rechtspflege) werden auch heute noch verschiedene Begriffe aus der Verwaltungssprache auf den Anwaltsberuf angewendet. Beispiele sind Kanzlei und Gebühren.

Schweiz und Österreich

In der Schweiz ist der Begriff heute noch üblich für die Bezeichnung von Stabsstellen von Regierungen, vgl. Gemeindekanzlei, Staatskanzlei (der Kantone) und Bundeskanzlei, aber auch für Stellen und Büros bei privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die in regem Kontakt mit Ämtern, Behörden und Regierungsstellen stehen. Er wird auch für die einzelnen Büroräumlichkeiten dieser Stellen verwendet. Eine Kanzlei wird in der Regel von einem Kanzleichef geleitet. Ebenso wird der Begriff in der Schweizer Armee für Adjutanturen innerhalb von Kommandoposten (insbesondere in den höheren Stäben der Armee) verwendet. Es gibt in der Armee eigens eine entsprechende Ausbildung zum Sekretär[5] (Mitarbeiter der Kanzlei im Soldaten- oder Unteroffiziersrang). Die übergeordneten Stellen sind der Stabssekretär[6] (Kadermitarbeiter im Offiziersrang) und der Kanzleichef (Leiter der Kanzlei).

Auch in Österreich ist der Begriff für Verwaltungseinrichtungen z. B. des Bundesheeres (Sicherheitskanzlei, Kanzleischreiber), vor allem aber auch für Rechtsanwaltsbüros und Notariate gebräuchlich. Er wird auch für einzelne Büroräumlichkeiten in staatlichen Dienststellen verwendet. Die Mitarbeiter einer Kanzlei werden hier als „Kanzlisten“ bezeichnet.

Dänemark

Neben der Dänischen Kanzlei bestand eine Deutsche Kanzlei für die Verwaltung der Herzogtümer Schleswig und Holstein.

Großbritannien

Die Deutsche Kanzlei in London verwaltete das Königreich Hannover.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Kanzlei – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b c Vgl. Duden online: Kanzlei
  2. Gerhard Wahrig: Deutsches Wörterbuch ISBN 3-577-11017-1.
  3. § 26 Patentanwaltsordnung
  4. Vgl. Duden online: Kanzlist
  5. Miljobs: Sekretär. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 10. Dezember 2017; abgerufen am 15. Juni 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.miljobs.ch
  6. L'Armée Suisse / Die Schweizerische Armee, 1894, [Tafel]: Stabssekretär [Stabs-Sekretär] / Secrétaire d'Etat-Major. Verlag Ch. Eggimann, Genf. In: ZVAB.com. 1894, abgerufen am 17. Juni 2020.