Reichserzkanzler

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Die Ämter der Erzkanzler gehörten im Heiligen Römischen Reich zu den Erzämtern und waren den geistlichen Kurfürsten vorbehalten. Während die meisten Erzämter rein zeremonieller Natur waren, blieb die Position des Erzkanzlers für Germanien bis zum Ende des Reiches von politischer Bedeutung.

Geschichte

Bereits seit 965 war das Amt des Erzkanzlers meist mit dem Erzbischof von Mainz verbunden. In der Goldenen Bulle von 1356 wurde dann die Verteilung der Erzämter verbindlich geregelt. Allerdings ist in der Goldenen Bulle von den Rechten, die mit der Erzkanzlerwürde einhergehen, keine Rede.

Die Ämter der Erzkanzler lagen in den Händen der drei geistlichen Kurfürsten. Der Erzbischof von Köln war Erzkanzler für Reichsitalien (Archicancellarius per Italiam), der Erzbischof von Trier Erzkanzler für Burgund (Archicancellarius per Galliam) und der Erzbischof von Mainz war als Erzkanzler für „Germanien“ (Archicancellarius per Germaniam) für die deutschen Gebiete zuständig. Auch schon vor der Etablierung des Kurfürstenkollegs hatten die Erzbischöfe diese Ämter inne.

Während die Ämter der Erzkanzler für Burgund und Italien bereits seit dem Mittelalter an Gewicht verloren, hatte der Reichserzkanzler für Germanien bis zum Ende des Reiches wichtige Funktionen und galt verfassungsrechtlich nach dem Kaiser als der zweite Mann des Reiches. Sein Stellvertreter war der Reichsvizekanzler.

Funktionen in der frühen Neuzeit

Königswahl

Nach dem Tod eines Kaisers hatte der Erzkanzler für Germanien die Aufgabe, die Wahl eines neuen Königs oder Kaisers zu leiten. Er berief dazu die anderen Kurfürsten ein und legte den Sitzungsort und den Termin fest. Er übte damit neben den beiden Reichsvikaren eine Schlüsselrolle während der königs- oder kaiserlosen Zeit aus.

Leiter der Reichshofkanzlei

Wenn auch vom Kaiser zeitweise bestritten, ernannte der Reichserzkanzler für Germanien das Personal der Reichshofkanzlei mit dem Reichsvizekanzler an der Spitze. Alle Schreiben des Kaisers in seiner Funktion als Oberhaupt des Reiches wurden von der Kanzlei ausgefertigt und vom Reichserzkanzler, dem Reichsvizekanzler oder von dazu ernannten Vertretern gegengezeichnet. Neben der Ausfertigung von Urkunden und der Bewältigung des offiziellen Schriftverkehrs bewahrte die Reichshofkanzlei das Reichssiegel und führte das Reichsarchiv. Auch der Erlass der Reichskanzleiordnungen fiel in den Kompetenzbereich des Erzkanzlers.

Reichstagsdirektorium

Eine weitere wichtige Funktion des Reichserzkanzlers für Germanien war das Reichstagsdirektorium auf dem immerwährenden Reichstag seit 1663. Der Erzbischof von Mainz war damit stets der offizielle Leiter dieser Versammlung. Die Gesandten der Reichsstände hatten sich beim Erzkanzler zu legitimieren. Das Direktorium hatte zudem die kaiserlichen Propositionen, über die verhandelt werden sollte, per „Dictaturum“ den anderen Ständen mitzuteilen. Auch die Abstimmungsverfahren wurden vom Erzkanzler geleitet, die Ergebnisse zusammengefasst und als Reichstagsgutachten dem Prinzipalkommissar oder bei Anwesenheit dem Kaiser selbst überreicht.

Weitere Funktionen

Zu weiteren wichtigen Funktionen gehörte die Leitung des Kurfürstenkollegiums. Der Erzkanzler für Germanien hatte auch das Recht, das Reichskammergericht und den Reichshofrat zu visitieren. Ferner hatte er die Schutzgerechtigkeit über die Reichspost sowie weitere Befugnisse.

Überlieferung

Das Erzkanzlerarchiv wurde nach dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 nur wenig beachtet. Es lagerte zunächst in Aschaffenburg und Frankfurt, ehe es 1852 nach Wien gebracht wurde.

Literatur

  • Peter Claus Hartmann: Das Heilige Römische Reich deutscher Nation in der Neuzeit. 1486–1806. Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-017045-1, (Universal-Bibliothek 17045), S. 69–71.

Weblinks