Keplersche Gesetze

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Grafische Zusammenfassung der drei Keplerschen Gesetze:
1. Zwei ellipsenförmige Umlaufbahnen mit der Sonne im Brennpunkt F1.
F2 und a1 sind der andere Brennpunkt bzw. die große Halbachse für Planet 1, F3 und a2 für Planet 2.
2. Die beiden grauen Sektoren A1 und A2, die dieselbe Fläche haben, werden in derselben Zeit überstrichen.
3. Die Quadrate der Umlaufzeiten von Planet 1 und Planet 2 verhalten sich wie a13 : a23.

Die drei Keplerschen Gesetze sind die fundamentalen Gesetzmäßigkeiten des Umlaufs der Planeten um die Sonne. Johannes Kepler fand sie Anfang des 17. Jahrhunderts, als er das heliozentrische System nach Kopernikus an die genauen astronomischen Beobachtungen von Tycho Brahe anzupassen versuchte. Ende des 17. Jahrhunderts konnte Isaac Newton die Keplerschen Gesetze in der von ihm begründeten klassischen Mechanik als exakte Lösung des Zweikörperproblems herleiten, wenn zwischen den beiden Körpern eine Anziehungskraft herrscht, die mit dem Quadrat des Abstands abnimmt. Die Keplerschen Gesetze lauten:

Erstes Keplersches Gesetz
Die Planeten bewegen sich auf elliptischen Bahnen. In einem ihrer Brennpunkte steht die Sonne.
Zweites Keplersches Gesetz
Ein von der Sonne zum Planeten gezogener Fahrstrahl überstreicht in gleichen Zeiten gleich große Flächen.
Drittes Keplersches Gesetz
Die Quadrate der Umlaufzeiten zweier Planeten verhalten sich zueinander wie die Kuben (dritten Potenzen) der großen Halbachsen ihrer Bahnellipsen.

Die Keplerschen Gesetze gelten für die Planeten im Sonnensystem in guter Näherung. Die Abweichungen in den Positionen am Himmel sind meist kleiner als eine Winkelminute, also ca. 1/30 Vollmonddurchmesser. Sie werden als Bahnstörungen bezeichnet und beruhen vor allem darauf, dass die Planeten nicht nur durch die Sonne angezogen werden, sondern sich auch untereinander anziehen. Weitere sehr viel kleinere Korrekturen können nach der allgemeinen Relativitätstheorie berechnet werden.

Die Keplerschen Gesetze stellten einen wesentlichen Schritt bei der Überwindung der mittelalterlichen hin zur neuzeitlichen Wissenschaft dar. Sie sind bis heute von grundlegender Bedeutung in der Astronomie.

Geschichte

Keplers Ausgangspunkt

Kepler war überzeugt vom heliozentrischen System von Kopernikus (1543), weil es konzeptionell einfacher war und mit weniger angenommenen Kreisen und Parametern auskam als das geozentrische System von Ptolemäus, das seit ca. 150 n. Chr. vorherrschte. Das kopernikanische System ermöglichte zudem weitergehende Fragestellungen, denn erstmals wurde hier, ohne weitere Hypothesen zu bemühen, die Größe aller Planetenbahnen im Verhältnis zur Größe der Erdbahn eindeutig festgelegt. Für diese Größenverhältnisse suchte Kepler sein Leben lang nach einer tieferen Erklärung. Weiter war damals klar geworden, dass die Planeten nicht von festen rotierenden Kristallsphären auf vorgegebene Weise entlang ihrer Deferenten und Epizykel bewegt werden konnten, denn nach den Beobachtungen von Tycho Brahe am Kometen von 1577 hätte dieser mehrere solcher Schalen durchschlagen müssen. Offenbar fanden die Planeten selbstständig ihren Weg durch den Raum. Auch ihre Geschwindigkeiten, die sich aus der Größe ihrer Bahn und ihrer Umlaufzeit ermitteln ließen, standen zu den philosophisch begründeten Annahmen im ptolemäischen System im Gegensatz. Dass sie längs der Bahn nicht konstant blieben, war zwar altbekannt, verlangte aber nun ebenso wie die Form der Bahnen nach einer neuen Erklärung. All dies bewog Kepler, in der Astronomie den entscheidenden Schritt zu machen, für die Planetenbewegung "physikalische" Ursachen anzunehmen, also solche, die sich schon beim Studium irdischer Bewegungen zeigten. Damit widersprach er der bis dahin sakrosankten aristotelischen Lehre eines prinzipiellen Gegensatzes von Himmel und Erde und leistete einen bedeutenden Beitrag zur kopernikanischen Wende.[1]

Um dies genauer zu erforschen, war zuerst eine Bestimmung der tatsächlichen Planetenbahnen notwendig. Dafür standen Kepler die Daten aus Tychos jahrzehntelangen Himmelsbeobachtungen zur Verfügung, die nicht nur zum ersten Mal seit der Antike wesentlich genauer waren (Unsicherheit maximal ca. zwei Winkelminuten), sondern sich auch über große Teile der Planetenbahnen erstreckten. Bei der Auswertung dieser Daten folgte Kepler erstmals konsequent der Leitidee, dass die physikalische Ursache der Planetenbewegungen in der Sonne liegt, und konsequenterweise nicht in dem fiktiven Punkt namens „mittlere Sonne“ (der von Ptolemäus eingeführt und von Kopernikus in den leeren Mittelpunkt desjenigen Kreises gesetzt worden war, den er der Erde zugewiesen hatte), sondern in der wahren physikalischen Sonne. Dabei stellte er sich vor, die Sonne wirke auf die Planeten wie ein Magnet, und führte dieses Bild auch detailliert aus.

Bei seiner Arbeit betrat Kepler auch in anderer Hinsicht Neuland. Zum Ausgangspunkt der Analyse der Bahnen nahm er, anders als alle früheren Astronomen, nicht die von den Philosophen seit Platon und Aristoteles vorgeschriebene gleichförmige Kreisbewegung, der zwecks Verbesserung der Übereinstimmung mit den am Himmel beobachteten Planetenpositionen dann weitere gleichförmige Kreisbewegungen hinzugefügt wurden (Epizykeltheorie). Vielmehr versuchte er, aus den Himmelsbeobachtungen die tatsächlichen Bahnen und die veränderliche Geschwindigkeit, mit der die Planeten auf ihnen laufen, zunächst direkt zu rekonstruieren.

Zum Dritten betrat Kepler Neuland auch in der Art der Darstellung seiner Arbeit. Üblich war bei Astronomen bis dahin, dass sie ihr Weltbild im fertig ausgearbeiteten Zustand beschrieben. Sie erklärten, wie es Stück für Stück aufzubauen sei, indem sie für jede der nötigen Einzelannahmen philosophische oder theologische Begründungen anführten. Kepler hingegen beschrieb Schritt für Schritt den tatsächlichen Fortgang seiner jahrelangen Arbeit, einschließlich seiner zwischenzeitlichen Fehlschläge aufgrund von untauglichen Ansätzen. Im Jahr 1609 veröffentlichte er den ersten Teil seiner Ergebnisse als Astronomia Nova mit dem bezeichnenden Zusatz im Titel (übersetzt) „Neue Astronomie, ursächlich begründet, oder Physik des Himmels, […] nach Beobachtungen des Edelmanns Tycho Brahe“. Das Werk gipfelt in den beiden ersten Keplerschen Gesetzen, die für jeweils eine einzelne Planetenbahn gelten. Keplers tiefere Erklärung des gesamten Systems und der Beziehungen der Planetenbahnen untereinander erschien 1619 unter dem Titel Harmonices mundi („Harmonien der Welt“). Darin findet sich ein Satz, der später als das dritte Keplersche Gesetz bekannt wurde.

Keplers Vorgehensweise

Keplers erstes Ergebnis bei der Arbeit war, dass weder das ptolemäische noch das kopernikanische System die Planetenpositionen hinreichend genau wiedergeben konnte, auch nicht nach Verbesserung einzelner Parameter, z. B. der Exzentrizitäten. Er benutzte diese Modelle aber weiter als Näherung, um aus Tychos Beobachtungen diejenigen auszuwählen, die für genauere Charakterisierung der Bahnen am geeignetsten wären. So fand er, dass die exzentrischen Bahnen von Mars und Erde gegenüber den Fixsternen (mit hinreichender Genauigkeit) fest bleiben, dass jede in einer Ebene verläuft, in der auch die Sonne steht, und dass die beiden Bahnebenen leicht gegeneinander geneigt sind.

So konnte Kepler annehmen, dass der Mars, obwohl seine genaue Bahn noch unbekannt war, nach jedem seiner Umläufe um die Sonne wieder die gleiche Position im Weltraum einnimmt, auch wenn er von der Erde aus gesehen an verschiedenen Himmelspositionen erscheint, weil dann die Erde jedes Mal an einer anderen Stelle ihrer Bahn steht. Daraus bestimmte er zunächst mit ca. vierstelliger Genauigkeit die Erdbahn. Auf dieser Basis wertete er die übrigen Beobachtungen des Mars aus, bei dem die Abweichungen von einer Kreisbahn deutlicher sind als bei der Erde. Als er nach vielen Fehlschlägen und langem Probieren den Maximalfehler bei der Position des Mars am Himmel nicht unter acht Winkelminuten (etwa 1/4 Vollmonddurchmesser) drücken konnte, nahm er einen weiteren Anlauf und fand – halbwegs zufällig –, dass die Marsbahn am besten durch eine Ellipse wiederzugeben ist, wobei die Sonne in einem ihrer Brennpunkte steht. Dieses Ergebnis bestätigte sich auch bei der Erdbahn, und es passte auch zu allen anderen von Tycho beobachteten Planeten. Kepler war bekannt, dass auch eine ellipsenförmige Bahn exakt aus zwei Kreisbewegungen zusammengesetzt werden kann, er beachtete diese Möglichkeit aber nicht weiter. Zur genauen Darstellung der Bewegung müssten diese Kreisbewegungen nämlich um ihre jeweiligen Mittelpunkte mit variabler Geschwindigkeit ablaufen, wofür kein physikalischer Grund ersichtlich sei:

„Kepler did not make use of the epicyclic generation of the ellipse because it does not agree with the natural causes which produce the ellipse […].[2]

Bei der anschließenden Suche nach dem Gesetz über den gesamten Aufbau des Sonnensystems, die wiederum etwa ein Jahrzehnt dauerte, verfolgte Kepler die Idee einer dem Schöpfungsplan zugrunde liegenden Harmonie, die sich – wie im Fall der Harmonie in der Musik – in einfachen Zahlenbeziehungen auffinden lassen müsste. Sein Ergebnis publizierte er 1619 als Harmonice mundi (‚Harmonien der Welt‘). Für die spätere Astronomie ist darin von bleibendem Wert nur die kurze Mitteilung (im 5. Buch des Werks), nach der die Quadrate der Umlaufzeiten aller Planeten im selben Verhältnis stehen wie (in modernen Worten) die dritten Potenzen der großen Halbachsen ihrer Bahnellipsen.

Kepler suchte auch nach einer physikalischen Erklärung, wie die Sonne auf die Planeten einwirken könne, um die beobachteten Bewegungen zu verursachen. Seine Überlegungen zu einer magnetischen Fernwirkung oder einer den Planeten innewohnenden Anima motrix blieben aber fruchtlos. Später konnte Isaac Newton nachweisen, dass die drei Keplerschen Gesetze die exakte Lösung der Bewegung eines Körpers unter der Einwirkung einer Kraft nach dem Newtonschen Gravitationsgesetz wiedergeben. Dies gilt als ein bedeutender Schritt bei der Entwicklung der klassischen Mechanik und der modernen Naturwissenschaft insgesamt.[3][4][5][6]

Heliozentrische und fundamentale Formulierung der Gesetze

Kepler formulierte das Gesetz für die Planeten, die ihm bekannt waren. Für die Gesetze gilt aber das kosmologische Prinzip, nachdem sie überall im Universum gültig seien.

Der heliozentrische Fall des Sonnensystems ist aber der weitaus bedeutendste, daher sind sie in der Literatur häufig einschränkend nur für Planeten formuliert. Sie gelten natürlich auch für Monde, den Asteroidengürtel und die Oortsche Wolke, oder die Ringe des Jupiter und Saturn, für Sternhaufen wie auch für Objekte auf der Umlaufbahn um das Zentrum einer Galaxie, und für alle anderen Objekte im Weltall. Außerdem bilden sie die Basis der Raumfahrt und der Bahnen der Satelliten.

In kosmischem Maßstab beginnen sich aber die relativistischen Effekte zunehmend auszuwirken, und die Differenzen zum Keplermodell dienen primär als Prüfkriterium für modernere Konzepte über Astrophysik. Die Formungsmechanismen in Spiralgalaxien etwa lassen sich mit einem rein auf den Keplerschen Gesetzen beruhenden Modell nicht mehr stimmig nachvollziehen.

Herleitung und moderne Darstellung

Kepler versuchte mit seinen Gesetzen die Planetenbewegungen zu beschreiben. Aus den beobachteten Werten, insbesondere der Marsbahn, wusste er, dass er vom Ideal der Kreisbahnen abweichen musste. Anders als die späteren theoretischen Herleitungen Newtons sind seine Gesetze daher empirisch. Aus heutiger Sicht können wir allerdings von der Kenntnis der Newtonschen Gravitation ausgehen und damit die Gültigkeit der Keplerschen Gesetze begründen.

Die Keplerschen Gesetze können elegant direkt aus der Newtonschen Theorie der Bewegungen abgeleitet werden.

Das erste Gesetz folgt aus der Clairautschen Gleichung,[7] die eine vollständige Lösung einer Bewegung in rotationssymmetrischen Kraftfeldern beschreibt.[8]

Das zweite Gesetz ist eine geometrische Deutung der Drehimpulserhaltung.[9]

Mittels Integration, der Keplergleichung und der Gaußschen Konstante folgt das dritte Gesetz aus dem zweiten[10] oder mittels des Hodographen direkt aus den Newtonschen Gesetzen.[11] Darüber hinaus folgt es nach dem Prinzip der mechanischen Ähnlichkeit direkt aus der invers-quadratischen Abhängigkeit der Gravitationskraft vom Abstand.[12]

Erstes Keplersches Gesetz (Ellipsensatz)

Erstes Keplersches Gesetz
Die Umlaufbahn eines Trabanten ist eine Ellipse. Einer ihrer Brennpunkte liegt im Schwerezentrum des Systems.

Dieses Gesetz ergibt sich aus Newtons Gravitationsgesetz, sofern die Masse des Zentralkörpers wesentlich größer als die der Trabanten ist und die Wirkung des Trabanten auf den Zentralkörper vernachlässigt werden kann.

Die Energie für einen Trabanten mit Masse im Newtonschen Gravitationsfeld der Sonne mit Masse ist in Zylinderkoordinaten

Mit Hilfe des Drehimpulses und

lässt sich die Energiegleichung zu

umformen. Diese Differentialgleichung wird mit der Polarkoordinatendarstellung

eines Kegelschnittes verglichen. Dazu wird die Ableitung

gebildet und alle Ausdrücke, die enthalten, werden durch Einsetzen der zu

umgeformten Gleichung der Bahnkurve eliminiert:

durch Vergleich der Koeffizienten der Potenzen von

Diese Lösung hängt nur von der spezifischen Energie und dem spezifischen Bahndrehimpuls ab. Der Parameter und die numerische Exzentrizität sind die Gestaltelemente der Bahn. Für den Fall gilt:

erstes Keplersches Gesetz
Beschreibung der Ellipse
Große Halbachse
Kleine Halbachse
Brennpunkte
Perizentrum
Apozentrum
Zwei Körper kreisen um ihren gemeinsamen Schwerpunkt –
hier idealisierte Kreisbahnen als Spezialform der Ellipse

Legt man (anders als Kepler) kein zentralsymmetrisches Kraftfeld zugrunde, sondern wechselseitig wirkende Gravitation, so bilden sich ebenfalls Ellipsenbahnen. Es bewegen sich aber beide Körper, das Zentrum der Umlaufbahnen ist der gemeinsame Schwerpunkt von „Zentralkörper“ und Trabant, als fiktive Zentralmasse ist die Gesamtmasse des Systems anzunehmen. Der gemeinsame Schwerpunkt der Sonnensystemplaneten und der Sonne (das Baryzentrum des Sonnensystems) liegt jedoch noch innerhalb der Sonne: Die Sonne ruht nicht relativ dazu, sondern schwingt ein wenig unter dem Einfluss der umlaufenden Planeten (Länge der Sonne ≠ 0). Das Erde-Mond-System zeigt hingegen größere Schwankungen, was die Bahngeometrie betrifft, auch hier liegt der Systemschwerpunkt noch innerhalb der Erde. Satelliten reagieren sogar auf Schwankungen im durch die Erdgestalt unregelmäßigen Kraftfeld.

Obwohl die Keplerschen Gesetze ursprünglich nur für die Gravitationskraft formuliert wurden, so gilt die Lösung oben auch für die Coulombkraft. Für einander abstoßende Ladungen ist das effektive Potential dann stets positiv und man erhält nur Hyperbelbahnen.

Für -Kräfte gibt es noch eine Erhaltungsgröße, die für die Richtung der Ellipsenbahn entscheidend ist, den Runge-Lenz-Vektor, der entlang der Hauptachse zeigt. Kleine Änderungen im Kraftfeld (üblicherweise durch die Einflüsse der anderen Planeten) lassen diesen Vektor langsam seine Richtung ändern, wodurch z. B. die Periheldrehung der Merkurbahn erklärt werden kann.

Zweites Keplersches Gesetz (Flächensatz)

Zweites Keplersches Gesetz
In gleichen Zeiten überstreicht der Fahrstrahl Objekt–Schwerezentrum gleiche Flächen.

Unter dem Fahrstrahl versteht man die Verbindungslinie zwischen dem Schwerpunkt eines Himmelskörpers, z. B. eines Planeten oder Mondes, und dem Gravizentrum, z. B. in erster Näherung der Sonne respektive des Planeten, um das er sich bewegt.

Illustration zur Herleitung des Flächensatzes aus einem kleinen Zeitschritt. Die drei Hilfslinien sind Parallelen in jeweils gleichem Abstand.

Eine einfache Herleitung ergibt sich, wenn man die Flächen betrachtet, die der Fahrstrahl in kleinen Zeitabschnitten zurücklegt und die Kraft als momentanen Kraftstoß nur jeweils am Ende eines Abschnitts einwirken lässt. Lässt man die Zeitschritte infinitesimal kleiner werden, so erhält man die Bahnbewegung bei kontinuierlich einwirkender Kraft. In der Graphik rechts sei Z das Kraftzentrum. Der Trabant bewegt sich im Zeitabschnitt zunächst von A nach B. Würde sich seine Geschwindigkeit nicht ändern, so würde er sich im nächsten Zeitschritt von B nach C bewegen. Da die beiden Dreiecke ZAB und ZBC die Seite ZB gemeinsam haben und zu dieser Seite auch eine gleich große Höhe (Projektion von AB bzw. BC auf die Normale zu ZB), beinhalten sie auch die gleiche Fläche. Wirkt nun im Punkt B eine Kraft in Richtung Z, so wird die Geschwindigkeit um ein abgelenkt, das parallel zur Strecke ZB ist. Statt bei C landet der Trabant also bei C’. Da auch die beiden Dreiecke ZBC und ZBC’ dieselbe Basis und die gleiche Höhe haben, ist auch ihre Fläche gleich. Damit gilt der Flächensatz für die beiden kleinen Zeitabschnitte der Länge , und nach dem Grenzübergang auch für die gekrümmte Bahnkurve.

Eine formelmäßige Herleitung geht von der in einem infinitesimalen Zeitschritt überstrichenen Fläche aus:

.

Da für eine Zentralkraft der Drehimpuls wegen

konstant ist, ist das Flächenintegral somit gerade

.

Für gleiche Zeitdifferenzen ist also die überstrichene Fläche gleich groß.

Das zweite Keplersche Gesetz definiert also sowohl die geometrische Grundlage einer astrometrischen Bahn (als Bahn in einer Ebene) als auch deren Bahndynamik (das zeitliche Verhalten). Kepler formulierte das Gesetz nur für den Umlauf der Planeten um die Sonne, es gilt aber auch auf nicht geschlossenen Bahnen. Das zweite Keplersche Gesetz ist im Gegensatz zu den anderen beiden Gesetzen nicht auf die -Kraft der Gravitation beschränkt (tatsächlich ging Kepler mit seiner Anima motrix auch von einer -Kraft aus), sondern gilt allgemein für alle Zentralkräfte und Bewegungen mit konstantem Drehimpuls. Kepler war lediglich an einer Beschreibung der Planetenbahnen interessiert, doch ist das zweite Gesetz bereits die erste Formulierung des Gesetzes, das wir heute als Drehimpulserhaltung kennen. Das zweite Keplersche Gesetz kann als spezielle Formulierung des Drehimpulssatzes gesehen werden (siehe auch Drallsatz #Flächensatz).

Das zweite Keplersche Gesetz hat zwei grundlegende Konsequenzen auch für die Bewegungsverhältnisse in Mehrkörpersystemen, sowohl für Sonnensysteme als auch für die Raumfahrt: Die Konstanz des Bahnnormalenvektors besagt, dass elementare Himmelsmechanik ein ebenes Problem ist. Tatsächlich ergeben sich auch hier Abweichungen durch die Volumina der Himmelskörper, sodass Masse außerhalb der Bahnebene liegt, und die Bahnebenen präzedieren (ihre Lage im Raum verändern). Daher liegen die Bahnen der Planeten nicht alle in einer Ebene (der idealen Sonnensystemebene, der Ekliptik), sie zeigen vielmehr eine Inklination und auch Periheldrehung, zudem schwankt auch die ekliptikale Breite der Sonne. Umgekehrt ist es verhältnismäßig leicht, einen Raumflugkörper in der Sonnensystemebene zu bewegen, aber enorm aufwändig, etwa eine Sonde über dem Nordpol der Sonne zu platzieren.

Die Konstanz der Flächengeschwindigkeit besagt, dass von einer gedachten Verbindungslinie zwischen dem Zentralkörper, genauer dem Schwerpunkt der beiden Himmelskörper, und einem Trabanten in gleichen Zeiten stets die gleiche Fläche überstrichen wird. Ein Körper bewegt sich also schneller, wenn er sich nahe an seinem Schwerezentrum befindet und umso langsamer, je weiter er davon entfernt ist. Dies gilt beispielsweise für den Lauf der Erde um die Sonne wie auch für den Lauf des Mondes oder eines Satelliten um die Erde. Eine Bahn stellt sich als dauerndes freies Fallen, nahes Vorbeischwingen um den Schwerpunkt, und Wiederaufsteigen zum fernsten Kulminationspunkt der Bahn dar: Der Körper wird immer schneller, hat im Perizentrum (zentrumsnächsten Punkt) die höchste Geschwindigkeit und wird ab dann immer langsamer bis zum Apozentrum (zentrumsfernsten Punkt), von dem aus er wieder beschleunigt. So gesehen ist die Keplerellipse ein Spezialfall des schiefen Wurfs, der sich in seiner Bahn schließt. Diese Überlegung spielt in der Raumfahrtphysik eine zentrale Rolle, wo es darum geht, mit einem passend gewählten Anfangsimpuls (durch den Start) eine geeignete Umlaufbahn zu erzeugen: Je kreisförmiger die Bahn, desto gleichmäßiger die Umlaufgeschwindigkeit.

Drittes Keplersches Gesetz

Darstellung der Beziehung zwischen Orbitalradius und Orbitalperiode
Die Quadrate der Umlaufzeiten und je zweier Trabanten um ein gemeinsames Zentrum sind proportional zu den dritten Potenzen der großen Halbachsen und ihrer Ellipsenbahnen.

oder

Die Quadrate der Umlaufzeiten stehen im gleichen Verhältnis wie die Kuben (dritten Potenzen) der großen Halbachsen:
drittes Keplersches Gesetz

Kepler verwendete für die halben Bahnachsen die mittleren Entfernungen von der Sonne (im Sinne des Mittels von Periheldistanz und Apheldistanz).

drittes Keplersches Gesetz, massenunabhängige Formulierung mit Kepler-Konstante der Zentralmasse (Gaußsche Gravitationskonstante des Sonnensystems)

In Kombination mit dem Gravitationsgesetz erhält das dritte Keplersche Gesetz für die Bewegung zweier Massen und die Form

drittes Keplersches Gesetz, Formulierung mit zwei Massen

Dabei gilt die Näherung, wenn die Masse vernachlässigbar klein im Vergleich zu ist (etwa im Sonnensystem). Durch diese Form kann man etwa die Gesamtmasse von Doppelsternsystemen aus der Messung der Umlaufdauer und des Abstandes bestimmen.

Berücksichtigt man die unterschiedlichen Massen zweier Himmelskörper und obige Formel, so lautet eine exaktere Formulierung des dritten Keplerschen Gesetzes:

drittes Keplersches Gesetz, Formulierung mit drei Massen

Offensichtlich gewinnt die Abweichung nur dann an Bedeutung, wenn beide Trabanten sich stark in ihren Massen unterscheiden und das Zentralobjekt eine Masse hat, die von der eines der beiden Trabanten nicht stark abweicht.

Das dritte Keplersche Gesetz gilt dabei für alle Kräfte, die quadratisch mit dem Abstand abnehmen, wie man auch leicht aus der Skalenbetrachtung herleiten kann. In der Gleichung

taucht in der dritten Potenz und quadratisch auf. Unter einer Skalentransformation erhält man somit dieselbe Gleichung, wenn ist. Andererseits ist dadurch schnell erkennbar, dass das Analogon des dritten Keplerschen Gesetzes für geschlossene Bahnen in einem -Kraftfeld für beliebiges gerade lautet.[13]

Siehe auch

Literatur

  • Johannes Kepler: Astronomia nova aitiologetos seu Physica coelestis. In: Max Caspar (Hrsg.): Gesammelte Werke. Band 3. C. H. Beck, München 1938.
  • Johannes Kepler: Harmonices Mundi libri V. In: Max Caspar (Hrsg.): Gesammelte Werke. Band 6. C. H. Beck, München 1990, ISBN 3-406-01648-0.
  • Andreas Guthmann: Einführung in die Himmelsmechanik und Ephemeridenrechnung. BI-Wiss.-Verlag, Mannheim 1994, ISBN 3-411-17051-4.

Weblinks

Commons: Keplersche Gesetze – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Thomas S. Kuhn: Die Kopernikanische Revolution. Vieweg, Braunschweig 1980, ISBN 3-528-08433-2.
  2. Carl B. Boyer: Note on Epicycles & the Ellipse from Copernicus to Lahire. In: Isis. Band 38, 1947, S. 54–56. Der hier kursiv zitierte Satz von Kepler ist dort als direkte Übersetzung wiedergegeben.
  3. Arthur Koestler: Die Nachtwandler: Die Entstehungsgeschichte unserer Welterkenntnis. Suhrkamp, 1980.
  4. Bruce Stephenson: Kepler’s physical astronomy. Springer Science & Business Media Bd. 13, 2012.
  5. Martin Holder: Die Kepler-Ellipse. universi, Siegen 2015 (online [PDF; abgerufen am 1. November 2017]).
  6. Curtis Wilson: How Did Kepler Discover His First Two Laws? In: Scientific American. Band 226, Nr. 3, 1972, S. 92–107, JSTOR:24927297.
  7. Guthmann, § II.2.37 Lösung der Clairotschen Gleichung: Der Fall e<1. S. 81 f.
  8. Guthmann, § II.1 Ein- und Zweikörperproblem. Einführung, S. 64 f. und 30. Die Clairotsche Gleichung. S. 71 ff.
  9. Guthmann, § II.1.26 Der Flächensatz. S. 66 f.
  10. Guthmann, § II.5 Bahndynamik des Keplerproblems. S. 108 ff.
  11. David L. Goodstein, Judith R. Goodstein: Feynmans verschollene Vorlesung: Die Bewegung der Planeten um die Sonne. Piper Verlag GmbH, München 1998.
  12. L. D. Landau und E. M. Lifshitz: Mechanics. 3. Auflage. Butterworth-Heinemann, Oxford 1976, ISBN 978-0-7506-2896-9, S. 22–24 (englisch).
  13. J. Wess: Theoretische Mechanik. Springer. Kapitel über das Zweikörperproblem.