Stift Niedermünster (Regensburg)

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Wappen der Reichsabtei Niedermünster

Das Stift Niedermünster unweit des Regensburger Doms ist wie das ebenfalls in der Zeit der Karolinger entstandene Stift Obermünster ein ehemaliges Kanonissenstift in Regensburg und war als Reichsabtei Niedermünster im Bayerischen Reichskreis vertreten.

Lage

Das Stift Niedermünster liegt in der heutigen Regensburger Altstadt in der Niedermünstergasse 6, etwas nördlich vom Alten Kornmarkt, nahe dem Regensburger Dom und der ehemaligen Dompfarrkirche St. Ulrich. Nicht weit entfernt ist der ebenfalls in dieser Zeit entstandene sogenannte 28 m. hohe Römerturm, der ebenfalls in der Zeit der Karolinger erbaut wurde und als Zufluchtsort bei Gefahr, oder als Schatzkammer, Münzstätte oder Archiv gedient haben könnte.[1]

Geschichte

Vom Klosterstift zur Reichsabtei

Das Maria Himmelfahrt und dem St. hl. Erhard geweihte Stift wurde vom letzten baierischen Herzog aus dem Geschlecht der Agilolfinger. Tassilo III. vor seiner Abdankung im Jahr 788 gegründet und wurde 889 erstmals erwähnt.

Die Agilolfinger hatten am Ende des 6. Jahrhunderts das von den Römern verlassene Legionslager Castra Regina als Hauptstadt gewählt. Im nordöstlichen Bereich des Legionslagers, dem heutigen Areal des Alten Kornmarktes, fanden sich geeignete Gebäude, die man als Residenz ausbauen konnte und die von den mächtigen Mauern des ehemaligen Legionslagers geschützt und von Brunnen mit Wasser versorgt wurden. Nördlich anschließend an die Residenz wurden nach 700 n. Chr. zwei römische Profangebäude überbaut mit einer steinernen Herzogskirche als Saalkirche mit Rechteckchor. Diese Kirche war die erste Bischofskirche in Regensburg und entstand anlässlich der Grablege des heiligen Erhards in einer Grabstätte an der Nordwand, die bis heute in ihrer Lage unverändert blieb.[2]

Zusätzlich entstanden Gebäude für ein Frauenstift, das sich zu einem der wichtigsten Frauenstifte des Heiligen Römischen Reichs entwickelte. Zur Zeit von Karl dem Großen entstand um 800 eine neue, wesentlich größere Kirche, die dem gegründeten Frauenstift als Stiftskirche dienen sollte. Auch diese Kirche war eine Saalkirche mit Rechteckchor und mit einem westlichen Vorbau in der Art einer Vorkirche. Unter Herzog Heinrich I von Bayern und seiner Ehefrau Judith entstand von 922 bis 955 die zweite Damenstiftskirche, deren Fertigstellung der Herzog aber nicht mehr erlebte. Herzog Heinrich wurde, wie später (985) auch seine Ehefrau Judith vor den Stufen des Hochaltars beigesetzt.

Nach dem Tod ihres Ehemannes führte Judith den Kirchbau zum Ende. Die neue Kirche hatte die Ausmaße der heutigen Kirche und zeugte als dreischiffige Pfeilerbasilika mit Ostquerhaus und drei Apsiden von der engen Beziehung zwischen dem bayerischen Herzogtum und dem Damenstift.[3] Dementsprechend machte Judith dem Damenstift reiche Zuwendungen, trat 973 selbst in das Sift ein und stand dem Stift bis zu ihrem Tode 987 als Äbtissin vor. Sie gilt damit als die eigentliche Gründerin des Stifts Niedermünster. Die Grabungsbefunde im Untergeschoss der Kirche lassen erkennen, dass alle vier Kirchbauten, einschließlich der heutigen Kirche in ihren Abmessungen und Gestaltungen zwar verschieden sind, dass jedoch die Fluchtlinie der Nordmauer beibehalten wurde, bedingt durch das in der Mauer verankerte und mit einem römischen Sarkophagdeckel bedeckte Grab des hl. Erhard, das durch Aufmauerung mit Bruchsteinen auf das erheblich angestiegene Bodenniveau angehoben wurde. Der antike Sarkophag des hl Erhard befindet sich weiterhin am ursprünglichen Standort, mehrere Meter tief unter dem Bodenniveau des Kirchenschiffs. Er wurde erst 1963 zusammen mit weiteren bayerischen Herzogsgräbern und mit den Fundamenten des römischen Legionslagers Castra Regina entdeckt und im Rahmen des document niedermünster zugänglich gemacht.[4]

Das Stift wurde 1002 durch Heinrich II. als Reichsabtei Niedermünster zum Reichsstift erhoben. Im 11. Jahrhundert erlebte das Stift zudem eine kulturelle Blüte, die sich noch heute an zahlreichen erhaltenen Kunstwerken wie dem Giselakreuz und dem Uta-Codex ermessen lässt. Als Reichsabtei musste Niedermünster einen Beitrag zur Versorgung des Kaisers bei seiner Anwesenheit in Regensburg in Form eines servitium regis leisten. Dieses betrug bis 1073 die Ablieferung von 60 Schweinen. Aufgrund der Intervention der Äbtissin Gertrud reduzierte Kaiser Heinrich IV. diese als drückend empfundene Abgabe auf 40 Schweine; im weiteren Verlauf wurde diese Naturalabgabe in eine Geldzahlung von 10 Pfund Regensburger Pfennig umgewandelt und 1218 durch König Friedrich II. völlig erlassen.[5]

Die Reichsunmittelbarkeit des Stifts wurde 1216 durch Friedrich II. bestätigt und die jeweilige Äbtissin hatte Sitz und Stimme auf der Prälatenbank des Reichstages. Die Entwicklung bis zur Säkularisation 1803 verlief ohne besondere Höhepunkte in ruhigen Bahnen. 1802 wurde das Klosterstift der Administration des Fürstentums Regensburg, regiert von Karl Theodor von Dalberg unterstellt und mit Auflösung des Fürstentums 1810 in das Königreich Bayern eingegliedert und säkularisiert.[6][7] Nach 1821 diente das Stift als bischöfliche Residenz und als Ordinariat. Die Kirche wurde zur Dompfarrkirche.[8]

Nach der Säkularisation

Ab 1820 wurde das Stift teilweise vermietet. 1821 bekam der Bischof Räume als Wohnung zugewiesen, auch das Ordinariat wurde in Räume des ehemaligen Stifts verlegt.

Äbtissinnen von Niedermünster

Für die Daten des Früh- und Hochmittelalters wird die Auffassung vertreten, dass es sich um frühneuzeitliche Erfindungen handelt.[9]

  • Wildrade von Lernberg 900–928
  • Tutta I. von Reidenburg 928–942
  • Himetrade von Hohenburg 942– < 974
  • Judith von Bayern 974–990
  • Richenza I. von Limburg 990–994
  • Kunigunde I. von Kirchberg 994–1002
  • Uta I. von Kirchberg 1002–1025
  • Heilka I. von Rothenburg 1025–1052
  • Gertrud I. von Hals 1052–1065
  • Mathilde I. von Luppurg 1065–1070
  • Heilka II. von Franken 1070–1089
  • Uda II. von Marburg 1089–1103
  • Richenza II. von Zolling 1103–1109
  • Mathilde II. von Kirchberg 1109–1116
  • Richenza III. von Abensberg 1116–1126
  • Richenza IV. von Dornburg 1126–1130
  • Heilka III. von Kirchberg 1130–1136
  • Kunigunde II. von Kirchberg 1136–1177
  • Tutta II. von Falkenstein 1177–1180
  • Adelheid I. von Wolffershausen 1180–1190
  • Bertha von Frontenhausen 1190–1197
  • Heilka IV. von Rotheneck 1197–1218
  • Heilka V. von Wittelsbach 1218–1224
  • Frideruna von Falkenstein 1224–1229
  • Mathilde III. von Henffenfeld 1229–1239
  • Tutta III. von Dalmässing 1239–1242
  • Irmgard I. von Scheyern 1242–1245
  • Hildegard von Kirchberg 1245–1249
  • Kunigunde III. von Stein 1249–1257
  • Kühnheit Pinzingerin 1257–1259 ?
  • Wilburg von Lobsingen 1259 ?–1261
  • Tutta IV. von Putingen 1261–1264
  • Gertrud II. von Stein 1264–1271
  • Wilburg von Lobsingen 1271–1273 (erneut)
  • Elisabeth I. Stauffin von Stauffenburg 1273–1276
  • Hedwig Kropflin 1276–1285
  • Kunigunde IV. Hainkhoverin 1285–1300
  • Adelheid II. von Treidenberg 1300–1304
  • Irmgard II. von Köfering 1304–1314
  • Euphemia von Winzer 1314–1333
  • Elisabeth II. von Eschen 1333–1340
  • Petrissa von Weidenberg 1340–1353
  • Margarethe I. Gösslin von Altenburg 1353–1361
  • Margarethe II. Pinzingerin 1361–1365
  • Elisabeth III. von Rhein 1365–1391
  • Sophia von Daching 1391–1410
  • Katharina I. von Egloffstein 1410–1413
  • Barbara I. Höfferin 1413–1417
  • Herzenleid von Wildenwarth 1417–1422
  • Anna I. von Streitberg 1422–1427
  • Beatrix von Rotheneck 1427
  • Osanna von Streitberg 1427–1444
  • Ursula von Tauffkirchen-Hohenrain und Höchlenbach 1444–1448
  • Ottilia von Abensberg 1448–1475 mit
  • Margarethe III. von Paulstorff 1469–1475
  • Agnes von Nothafft 1475–1520 - Notthafft (Adelsgeschlecht)
  • Barbara II. von Aham 1520–1569
  • Anna II. von Kirmbreith 1569–1598
  • Katharina II. Scheifflin 1598–1605
  • Eva von Uhrhausen 1605–1616
  • Anna Maria von Salis 1616–1652
  • Maria Margarethe von Sigertshofen 1652–1675
  • Maria Theresia von Muggenthal 1675–1693
  • Regina Recordin von Rein und Hamberg 1693–1697
  • Johanna Franziska Sibylla von Muggenthal 1697–1723
  • Maria Katharina Helena von Aham-Neuhaus 1723–1757
  • Anna Katharina von Dücker-Hasslen-Urstein-Winkel 1757–1768
  • Anna Febronia Elisabeth von Speth-Zwyfalten 1769–1789
  • Maria Franziska Xaveria von Königfeld 1789–1793
  • Maria Violanta von Lerchenfeld-Premberg 1793–1801
  • Maria Helena von Freien-Seiboltsdorf 1801–1803

Bauwerke

Profangebäude

Unter der Niedermünsterkirche befindet sich das document niedermünster, das in fotorealistischen, dreidimensionalen Rekonstruktionen den Originalbefund des römischen Regensburg mit dem Lager der Legio III Italica, den ersten sakral genutzten Bau aus römischem Steinmaterial, die Kirchenbauten der Karolingerzeit sowie der Ottonik, die Herzogsgräber und die Grabstelle des Heiligen Erhard im Vergleich mit dem realen Gang durch die Ausgrabungen zeigt.

Sakralgebäude

Die Niedermünsterkirche wurde 1152 nach dem Brand eines vermutlich bereits um 700 zu Zeiten von Herzog Theodo II. bestehenden Kirchengebäudes im romanischen Stil neu errichtet. Seit 1821 wird sie als Dompfarrkirche genutzt.

Literatur

  • Anke Borgmeyer, Achim Hubel, Andreas Tillmann, Angelika Wellnhofer: Stadt Regensburg, Denkmäler in Bayern. Band III.37, Regensburg 1997, S. 406–416, ISBN 3-927529-92-3.
  • Claudia Märtl: Die Damenstifte Obermünster, Niedermünster, St. Paul. In Peter Schmid (Hrsg.): Geschichte der Stadt Regensburg, Bd. 2, Friedrich Pustet, Regensburg 2000, S. 745–763, ISBN 3-7917-1682-4.
  • Heinz Wolfgang Schlaich: Das Ende der Regensburger Reichsstifte St. Emmeram, Ober- und Niedermünster (VHVO 97) 1956, S. 163–376.
  • Max Spindler (Hg.): Geschichte der Oberpfalz. Handbuch der Geschichte Bayerns, Bd. III/3, München 1995, S. 271–286.

Weblinks

Commons: Stift Niedermünster (Regensburg) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Karl Bauer: Regensburg Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte. MZ-Buchverlag in H. Gietl Verlag & Publikationsservice GmbH, Regenstauf 2014, ISBN 978-3-86646-300-4, S. 60.
  2. Peter Morsbach: Regensburger Kirchen. Friedrich Pustet, Regensburg 1990, ISBN 3-7917-1253-5, S. 74.
  3. Peter Morsbach: Regensburger Kirchen. Friedrich Pustet, Regensburg 1990, ISBN 3-7917-1253-5, S. 76.
  4. Karl Bauer: Regensburg Kunst-, Kultur- und Alltagsgeschichte. MZ-Buchverlag in H. Gietl Verlag & Publikationsservice GmbH, Regenstauf 2014, ISBN 978-3-86646-300-4, S. 61 f.
  5. Peter Schmid: Von der Herzogskirche zum kaiserlichen Reichsstift. In Ratisbona sacra: Das Bistum Regensburg im Mittelalter. Ausstellung anläßlich des 1250jährigen Jubiläums der kanonischen Errichtung des Bistums Regensburg durch Bonifatius, 739–1989; Diözesanmuseum Obermünster, Regensburg, 2. Juni bis 1. Okt. 1989. Schnell & Steiner, München 1989, S. 143–144. ISBN 3795406471.
  6. Alois Schmid. Regensburg. Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern, Heft 60, München 1995, S. 236
  7. Max Spindler (Hg.): Geschichte der Oberpfalz. Handbuch der Geschichte Bayerns, Bd. III/3, München 1995, S. 284
  8. Peter Morsbach: Regensburger Kirchen. Friedrich Pustet, Regensburg 1990, ISBN 3-7917-1253-5, S. 76.
  9. https://archivalia.hypotheses.org/134136.

Koordinaten: 49° 1′ 10,2″ N, 12° 6′ 2,4″ O