Konversationsmaximen
Die Grice’schen Konversationsmaximen sind vier von Paul Grice aufgestellte Grundsätze innerhalb des Kooperationsprinzips, die Grice im Zusammenhang mit der Implikatur beschrieben hat. In einem rationalen Gespräch geht der Hörer davon aus, dass der Sprecher diese Grundsätze befolgt, ohne dass dies zwingend der Fall sein muss. Die Grundsätze entsprechen den vier Kategoriengruppen der reinen Verstandesbegriffe nach Immanuel Kant und sind in der Linguistik, insbesondere in der Teildisziplin der Pragmatik, von großer Bedeutung.
Kooperationsprinzip nach Grice
Das Kooperationsprinzip lautet: Gestalte deinen Gesprächsbeitrag so, dass er dem anerkannten Zweck oder der akzeptierten Richtung des Gesprächs dient, an dem du gerade zusammen mit deinen Kommunikationspartnern teilnimmst.
Dieses übergeordnete Prinzip kann eingehalten werden, indem man sich als Sprecher an folgenden Maximen orientiert:
- Maxime der Quantität (Maxim of Quantity)
- Gestalte deinen Gesprächsbeitrag mindestens so informativ, wie es für den anerkannten Zweck des Gesprächs nötig ist.
- Gestalte deinen Beitrag nicht informativer, als es für den anerkannten Zweck des Gesprächs nötig ist.
- Maxime der Qualität (Maxim of Quality)
- Versuche einen Gesprächsbeitrag zu liefern, der wahr ist.
- Sage nichts, wovon du glaubst, dass es falsch ist.
- Sage nichts, wofür du keine hinreichenden Anhaltspunkte hast.
- Maxime der Relation / Relevanz (Maxim of Relevance)
- Maxime des Stils / der Modalität (Maxim of Manner)
- Vermeide Unklarheit.
- Vermeide Mehrdeutigkeit.
- Vermeide unnötige Weitschweifigkeit.
- Vermeide Ungeordnetheit.
Zusammengefasst: Sage nur, was informativ, wahr und themenbezogen ist, und sage dies klar und deutlich![1]
Die vier Maximen der Konversationslogik stellen eine Vereinbarung zwischen den Kommunikationspartnern dar, die eine optimierte Kommunikation garantieren soll.[2]
Hinweise
Grice selbst hat die Maximen nicht für eindeutig gehalten, da sie sich überlappen und teilweise in Konkurrenz zueinander stehen. Später wurde vor allem versucht, die Maxime der Modalität in den anderen aufgehen zu lassen, indem etwa „Vermeide unnötige Weitschweifigkeit“ als Maxime der Quantität erfasst wurde usw.
Auch beschreiben das Kooperationsprinzip und die Maximen nicht normative Richtlinien, wie ein Gespräch zu führen sei. Dieser Eindruck wird allerdings durch die Bezeichnung als Maximen und die dabei verwendeten Imperative vermittelt. Die Maximen werden nämlich vielfach gar nicht eingehalten, ohne dass das die rationale Kommunikation stören würde. Entscheidend ist vielmehr, dass Gesprächspartner einander die Befolgung der Maximen unterstellen. Sowohl das Befolgen der Maximen wie deren (scheinbare) Missachtung können Schlussfolgerungsprozesse (Inferenzen, z. B. Implikaturen) auslösen.
1986 kritisierten Sperber und Wilson, dass sich die vier Maximen auch nur unter der Maxime der Relevanz zusammenfassen lassen. Dabei soll sich diese Maxime aus zwei Prinzipien zusammensetzen, für die das Ziel einer möglichst ressourceneffizienten Kommunikation gilt. Das kognitive Prinzip repräsentiert dabei die Absichten des Senders, während das kommunikative Prinzip den Austausch zwischen den Kommunikationspartnern beschreibt.
Damit gilt also die Forderung, dass die Kommunikation nicht nur die Absichten des Senders erfüllen soll, sondern auch nach den Absichten und Kompetenzen des Empfängers ausgerichtet sein muss. So wird nicht nur der Sender seiner eigenen Relevanz gerecht, sondern auch sein Kommunikationspartner kann Relevanz aus dem Gespräch ziehen. Nur wenn beide Prinzipien erfüllt sind, gilt die Kommunikation als gelungen, sodass beidseitige Verständigung herrscht.
Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Sender einer Nachricht die Absichten und Kompetenzen seines Gesprächspartners erkennen. Das bedeutet auch, dass die Kommunikation vom Vorwissen des Gesprächspartners abhängig ist. Um Ressourcen einzusparen, werden häufig bereits kommunizierte Inhalte beim Empfänger als bekannt vorausgesetzt. Dieser Leitgedanke wird bei Clark und Carlson auch als „audience design“ bezeichnet, also als eine auf den Zuhörer angepasste Kommunikation, wobei der Common Ground der gemeinsame Wissenshintergrund der Kommunikationspartner ist.[2]
Es gibt Anzeichen dafür, dass die Annahme des Kooperationsprinzips und den Maximen nicht nur für Gespräche Gültigkeit hat, sondern auch für andere Formen der Interaktion – schon Grice hat von „kooperativer Interaktion“ gesprochen.
Anwendung
Befolgen der Maximen
- Maxime der Quantität: „Hanna hat drei Kinder.“ → Hanna hat nicht mehr als drei Kinder (sonst hätte der Sprecher das gesagt). Diese Art der Implikatur nennt man auch skalare Implikatur. Dabei wird vom Hörer darauf geschlossen, dass kein höherer Wert vorliegt.
- Maxime der Qualität: „Susanne ist zu Hause.“ → Der Sprecher glaubt, dass Susanne zu Hause ist (der Satz: „Susanne ist zu Hause, aber ich glaube das nicht“ wäre paradox).
- Maxime der Relevanz: A: „Ich habe kein Benzin mehr.“ – B: „Um die Ecke ist eine Tankstelle.“ → A kann annehmen, dass B glaubt, dass die Tankstelle offen ist und Benzin vorrätig hat.
- Maxime der Modalität (hier: Vermeide Ungeordnetheit): „Hanna heiratete und bekam ein Kind“ wird so verstanden, dass sie erst heiratete und dann ein Kind bekam. Die Konjunktion „und“ wird als „und dann“ interpretiert. Diese Schlussfolgerung tritt nicht auf, wenn der Sprecher im gleichen Atemzug sagt: „Ich weiß allerdings nicht in welcher Reihenfolge.“
(Scheinbare) Missachtung der Maximen
- Maxime der Quantität: „Krieg ist Krieg.“ → Im Krieg ist es halt so, dass … (Tautologien sind immer wahr, aber eigentlich uninformativ; der Hörer nimmt deshalb an, dass mehr gesagt werden soll).
- Maxime der Qualität: A: „Die Konkurrenz ist schon ziemlich stark.“ B: „Dabei kontrollieren wir doch die gesamte Weltwirtschaft.“ → Natürlich ist die Konkurrenz stark, wir können ja auch nicht die gesamte Weltwirtschaft kontrollieren. (Ironie)
- Maxime der Relevanz: Telefongespräch: A: „Na, dann sehen wir uns heute Abend?“ – B (im Geschäft): „Einverstanden, Herr Müller, dann rufe ich Sie später noch einmal an.“ → B hatte einen Grund, das Gespräch nicht angemessen fortzuführen, z. B. weil der Chef ins Büro kam.
- Maxime der Modalität: „Er brachte eine Reihe von Tönen hervor, die den Noten einer Arie aus Rigoletto nahe kamen.“ → Er tat nicht gerade das, was man als Singen bezeichnen könnte (da nicht in der gebotenen Kürze ausgedrückt).
Siehe auch
- Implikatur (mit weiteren Beispielen), Maxime
- Geltungsansprüche
- Metakommunikation
- Sprechakttheorie
- Pragmatik
- Theorie des kommunikativen Handelns
Literatur
- H. Paul Grice: Logic and Conversation. In: Peter Cole, Jerry L. Morgan (Hrsg.): Speech acts (= Syntax and Semantics. Bd. 3). Academic Press, New York NY 1975, S. 41–58 (in deutscher Sprache: Logik und Konversation. In: Georg Meggle (Hrsg.): Handlung, Kommunikation, Bedeutung (= Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1083). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-518-28683-8, S. 243–265).
- Eckard Rolf: Sagen und Meinen. Paul Grices Theorie der Konversations-Implikaturen. Westdeutscher Verlag, Opladen 1994, ISBN 3-531-12640-7.
- Claus Ehrhardt, Hans Jürgen Heringer: Pragmatik (= UTB 3480 Sprachwissenschaft). Fink, Paderborn 2011, ISBN 978-3-7705-5168-2, S. 72–81.
- Dan Sperber, Deirdre Wilson: Relevance: communication and cognition. 2. Auflage. Blackwell Publishers, Oxford 2001, ISBN 0-631-19878-4.
- Herbert H. Clark, Thomas B. Carlson: Hearers and Speech Acts. In: Language. Band 58, Nr. 2, 1982, S. 332–373.
Einzelnachweise
- ↑ a b Vgl. (ausführlicher) Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0, Konversationsmaximen.
- ↑ a b c Margarete Boos, Kai J. Jonas: Medienvermittelte Kommunikation. In: Medienpsychologie (= Springer-Lehrbuch). Springer, Berlin, Heidelberg, 2008, ISBN 978-3-540-46894-3, S. 195–217, doi:10.1007/978-3-540-46899-8_8 (springer.com [abgerufen am 31. Januar 2018]).