Kulturelle Vielfalt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Unter kultureller Vielfalt (selten auch als „Soziodiversität“ bezeichnet)[1] versteht man die Existenz von vielfältigen Identitäten und Kulturen innerhalb und zwischen menschlichen Gruppen und Gesellschaften. Kulturelle Vielfalt ist eine Erscheinungsform von Diversität.

Aspekte

Die Allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt der Vereinten Nationen postuliert, dass kulturelle Vielfalt „als Quelle des Austauschs, der Erneuerung und der Kreativität für die Menschheit ebenso wichtig wie die biologische Vielfalt für die Natur“ ist.[2]

Ein Aspekt von kultureller Vielfalt ist die Sprachenvielfalt.

Der Begriff der kulturellen Vielfalt oder kulturellen Diversität wurde in weiteren internationalen Erklärungen und Übereinkommen aufgegriffen wie der UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (2005), der Erklärung von Montréal (2007) sowie in Dokumenten der Europäischen Union.

Kulturelle Vielfalt wird als eine der Wurzeln des Kulturwandels betrachtet, wobei dieser als Weg zu einer erfüllteren intellektuellen, emotionalen, moralischen und geistigen Existenz verstanden wird.[3] Ein Versuch zur Erfassung und Klassifizierung der Vielfalt auf der Erde stellen die Modelle der Kulturareale dar.

Eine besonders große Vielfalt verschiedener indigener und lokaler Kulturen findet sich in jenen Gebieten, die sich ebenfalls durch eine außergewöhnlich hohe Biodiversität auszeichnen.[4] Die gegenseitige Beeinflussung von kultureller und biologischer Diversität erforscht die interdisziplinäre Wissenschaft der biokulturellen Diversität.

Der Welttag der kulturellen Vielfalt für Dialog und Entwicklung (englisch: World Day for Cultural Diversity, for Dialogue and Development) ist ein Aktionstag der UNESCO, der jährlich am 21. Mai begangen wird. Er soll Bewusstsein für kulturelle Vielfalt schaffen.

Zunahme oder Rückgang von Soziodiversität

Thomas Bauer[5] kann keine Tendenz zu steigender kultureller Vielfalt der Welt erkennen; er sieht in der Folge der globalen Rationalisierungs- und Säkularisierungsprozesse den Verlust der Kulturen, Sprachen und Lebensweisen an Diversität als vorherrschende Tendenz an. Bereits in den 1920er Jahren empfand Stefan Zweig ein „leises Grauen vor der Monotonisierung der Welt“.[6] Die Ursache sah er vor allem in den aus den USA importierten „Mechanisierungsmitteln der Menschheit [...], die Vergnügen bieten, ohne Anstrengung zu fordern“.[7] Als Indikatoren dienten ihm die Vereinheitlichung von Moden, Tanz, Frisuren, Kino, Sport- und Unterhaltensformen im Alltag, durch die wir „Kolonien seines (Amerikas) Lebens“ werden.[8] Ähnlich argumentierte bereits vor dem Ersten Weltkrieg Walter Rathenau, Spezialisierung und Abstraktion der Maschinenwelt hätten den mentalen Habitus der Menschen so sehr geprägt, dass zunehmend alle Lebensgebiete von komplizierter Gleichförmigkeit bestimmt würden.[9]

Siehe auch

Portal: Integration – Artikel, Kategorien und mehr zu interkulturellem Dialog und Integration

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Carl Christian von Weizsäcker: Logik der Globalisierung. Vandenhoeck & Ruprecht, 1999, ISBN 3-525-34010-9, S. 166.
  2. siehe Artikel 1 in Allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt, abgerufen am 16. September 2019 von der Website der deutschen UNESCO-Kommission.
  3. Allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt. Website der UNESCO. Abgerufen am 28. Juli 2013.
  4. Anja von Hahn: Traditionelles Wissen indigener und lokaler Gemeinschaften zwischen geistigen Eigentumsrechten und der public domain. Springer, Berlin 2004, S. 38–39.
  5. Thomas Bauer: Die Vereindeutigung der Welt: Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt. Reclam, Stuttgart 2018.
  6. Stefan Zweig: Die Monotonisierung der Welt. (1925) In: Ders.: Die Monotonisierung der Welt: Aufsätze und Vorträge. Frankfurt 1976, S. 7.
  7. Zweig 1976, S. 12.
  8. Zweig 1976, S. 10.
  9. Walter Rathenau: Die Mechanisierung der Welt. Sozialwissenschaftliche Schriftenreihe Nr. 7, Neckar-Verlag, Schwenningen 1948.