Kurt Herwarth Ball
Kurt Herwarth Ball (* 7. September 1903 in Berlin; † 24. April 1977 in Leipzig), Pseudonyme Jochim Dreetz[1] und Hanns Tedesko[2], war ein deutscher Schriftsteller.
Leben
Der Arbeitersohn Kurt Herwarth Ball übte nach dem Ersten Weltkrieg verschiedene Tätigkeiten aus, unter anderem als Arbeiter in einer Holzteerfabrik und als Heizer in einer Berliner Wohnanlage. Dann zogen seine Eltern nach Angermünde um, wo er auch in der Landwirtschaft tätig war. Schon in den 1920er Jahren war er mit Artikeln und Erzählungen für Zeitungen und Zeitschriften literarisch aktiv. Nachdem er in dieser Zeit den begleitenden Text zu einigen Bildbänden geschrieben hatte, erschien 1930 sein erster eigenständiger Roman, Fehde auf Island, in dem er altisländische Sagenstoffe aufgriff.
1930 zog Kurt Herwarth Ball nach Leipzig um, wo er in der Mühligstraße 3 lebte. In dieser Zeit war er auch schon längst ein begeisterter Anhänger des Nationalsozialismus. Zum 1. Mai 1933 trat er in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 3.545.700).[3] In Leipzig lernte er offenbar auch den bekannten Antisemiten Theodor Fritsch kennen, der seit 1902 die Zeitschrift Hammer herausgab, und wurde dessen Mitarbeiter. Nach dem Tod des Fritsch führte er dessen Zeitschrift ganz in seinem antisemitischen Sinne weiter, als Hauptschriftleiter von 1932 bis 1935. Ball war als V-Mann des SD tätig.[4] Der "Reichssender Leipzig" lobte 1936 Balls „Kampfschriften des nordischen Geistes“. In dieser Zeit war Ball auch Autor der SS-Zeitschrift Das Schwarze Korps und weiterer NS-Zeitschriften.[5]
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Balls Schriften Die Wege der Wolfsöhne (Limpert, Berlin 1938), Spuk an der Oder (Schmidt & Spring, Leipzig 1938) und Der blinde Bauer (Ludendorff, München 1939) in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[6]
Ball passte sich in der Nachkriegszeit an. Er trat 1949 in die NDPD ein, wurde Stadtbezirksverordneter in Leipzig-West und 1952 Sekretär des Leipziger Schriftstellerverbandes. Jedoch musste er 1957 wieder zurücktreten. Ab 1945 arbeitete er für einige Jahre als Hilfsarbeiter in einer Leipziger Stahlgießerei. Seine Erlebnisse dort verarbeitete er, ganz im „Sinne des sozialistischen Realismus“, in dem 1949 erschienenen Buch Halle zwo. Anschließend arbeitete er für längere Zeit in der Redaktion der Leipziger Volkszeitung, war von 1949 bis 1952 Chefredakteur der Leipziger Beilage der National-Zeitung und veröffentlichte mehrere unterhaltsame Romane und Erzählungen, die sich meist mit Alltagsproblemen beim propagierten Aufbau des Sozialismus beschäftigten. Gemeinsam mit Lothar Weise hat er mehrere Titel aus dem Science-Fiction-Genre geschrieben.
Als das DDR-Ministerium des Inneren 1950 die Akte "Ball" schloss, wunderte sich der Chef der örtlichen Leipziger Polizei-Abteilung, die für die Verfolgung von Nationalsozialisten zuständig war (K5), und meinte, Ball hätte für seine SD-Tätigkeit stattdessen eine mehrjährige Gefängnisstrafe verdient[7].
Einsatz für die Bücherverbrennung
Zur Bücherverbrennung im Rahmen der Aktion wider den undeutschen Geist im April und Mai 1933 äußerte sich die Deutsche Studentenschaft, DSt, durch Ball in seinem Aufruf "Deutsch", den die DSt in ihrem "Artikeldienst" reichsweit verbreitete. Darin propagiert Ball die „12 Thesen wider den undeutschen Geist“, die am 12. April 1933 als Auftakt in den Universitäten plakatiert wurden:[8]
„Und dann muß noch ein anderes sein, dieses das die Deutsche Studentenschaft begonnen: Der Kampf gegen das Untermenschentum der Fremdblütigen. Wenn wir die Seele des deutschen Volkes zur lodernden Flamme wiedergestalten und erhalten wollen, dann greifen wir getrost nach den Händen, die uns die 12 Thesen der Deutschen Studentenschaft entgegenstrecken. Zwölfmal dieser harte Wille des jungen Geschlechts: ,Deutsch!' Zwölfmal der urstarke, blutsmäßige, bodenständige Ruf: ,Deutsch!' Und dieser Ruf von Studenten, von einer jungen Generation, die das harte Muß kennengelernt hat als Werkstudent in den Hungerjahren, als Wehrstudent in ehrlosen Jahren. Schließen wir die Reihen der deutschen Menschen, die da um die Zukunft kämpfen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Schrifttum, in aller Kunst, stehen wir zusammen, eine neue Front, die unaufhaltsam marschiert, deren Ruf nur ein Wort ist: Deutschland!“
Die fünf regionalen Zeitschriften Fränkischer Kurier, Würzburger Generalanzeiger, Fränkisches Volksblatt, Neue Bayerische Landeszeitung und Fränkisches Volk wurden durch Zuschrift der DSt genötigt, den kompletten Artikel Balls am gleichen Tag, dem 22. April, abzudrucken und folgten diesem Verlangen. Münchener Zeitungen wurden ebenfalls dazu aufgefordert[9].
Auszeichnungen
Werke
- Fehde auf Island Berlin ca. 1930
- Die Jomsburgwikinger, 1936
- Germanische Sturmflut, 1936
- Blaues Licht am Schwedenturm, 1937
- Drei Menschen und ein Hof, 1937
- Die Tochter, 1937
- Egil, Kämpfer und Skalde, 1937
- Die Wege der Wolfsöhne, 1938
- Der Bauernmord von Zabern, 1938
- Spuk an der Oder, 1938
- Der blinde Bauer, 1939[11]
- Die Jomsburgwikinger, 1941
- De drie Kiezelsteenen. Een Sprookje voor groote Menschen. Niederländisch, Übers. Martien Beversluis. Westland, Amsterdam 1942[12]
- Ernte, 1944
- Halle zwo, 1949
- Schandauer Novelle, 1952
- Warum schweigt Anna Kersten?, 1954
- Am Wochenend geschrieben, 1955
- Wer rief Überfall 01?, 1955, erschienen in „Das neue Abenteuer“ 65
- Geschäft mit Barbara, 1956
- Ein harmloser Urlauber. 1956
- ... fährt doch nach Port Said, 1957
- Sonderauftrag, 1957
- Liebenrosa. Roman einer kleinen Stadt, 1957
- Alarm auf Station Einstein, 1957 mit Lothar Weise, erschienen in „Das neue Abenteuer“ 119 & 120
- Kathrin Wenzel, 1958
- Signale von der Venus, 1958 mit Lothar Weise, erschienen in „Das neue Abenteuer“ 134
- Brand im Mondobservatorium, 1959 mit Lothar Weise, erschienen in „Das neue Abenteuer“ 161
- Atomfeuer über dem Pazifik, 1959 mit Lothar Weise, erschienen in „Spannend erzählt“ 31
- auch 1962 unter dem Pabel-Verlagspseudonym Fred Morgan in „Utopia-Großband“ 190
- Wie du und ich, 1959
- Begnadigt von unserer Zeit, 1959
- Meister Annette, 1960
- Die Drachmensammlung, 1961
- Majoll im Labyrinth, 1961
- Mord ohne Spuren, 1963
- Günter und Christiane, 1964
- Alarm an der Brücke, 1965
- Im Sommer danach, 1966
- Skandal um einen Arzt, 1966
- Der Gletscher kommt, 1966
- Im Eis des Kometen, 1968 mit Lothar Weise, erschienen in „Das neue Abenteuer“ 270
- Wer schickte Maria Z.?, 1972
- Im Orkan vor Kamtschatka, 1973
- Gefährlicher Alleingang, 1975
- Wunder finden nicht alle Tage statt, 1976
- Ein Menschenleben später, 1978
Literatur
- Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (Hrsg.): SBZ-Biographie, Bonn/Berlin 1964, S. 22f.
- Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn: Reclams Science-fiction-Führer. Reclam, Stuttgart 1982, ISBN 3-15-010312-6, S. 27.
- Günther Buch: Namen und Daten. Biographien wichtiger Personen der DDR. Dietz, Berlin (West)/Bonn-Bad Godesberg 1973, ISBN 3-8012-0020-5, S. 10.
- Olaf Kappelt: Braunbuch DDR – Nazis in der DDR. Elisabeth Reichmann Verlag, Berlin 1981, ISBN 3-923137-00-1, S. 141f.
- Hartmut Mechtel: Kurt Herwarth Ball. In: Erik Simon, Olaf R. Spittel (Hrsg.): Die Science-fiction der DDR. Autoren und Werke. Ein Lexikon. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1988, ISBN 3-360-00185-0, S. 101 f.
- Freya Leinemann: Erst rechts, dann links. Wie der Leipziger Schriftsteller Kurt Herwarth Ball deutsche Geschichte schrieb. In: Vom Autor zur Zensurakte. Abenteuer im Leseland DDR. Hgg. Siegfried Lokatis, Theresia Rost, Grit Steuer. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2014 ISBN 9783954621101 S. 93–103.
Weblinks
- Literatur von und über Kurt Herwarth Ball im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurt Herwarth Ball in der Internet Speculative Fiction Database (englisch)
- Werke von und über Kurt Herwarth Ball bei Open Library
Einzelnachweise
- ↑ Heinz Rusch: Kurt Herwarth Ball. In: Börsenblatt des Deutschen Buchhandels (Leipzig) 6/1953, S. 520.
- ↑ Kürschners Deutscher Literatur-Kalender 1937/38, Sp. 22.
- ↑ Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/1310591
- ↑ Carsten Schreiber: Elite im Verborgenen, Oldenbourg, München 2008, S. 15
- ↑ Freya Leinemann: Erst rechts, dann links. Wie der Leipziger Schriftsteller Kurt Herwarth Ball deutsche Geschichte schrieb. In: Vom Autor zur Zensurakte. Abenteuer im Leseland DDR. Hgg. Siegfried Lokatis, Theresia Rost, Grit Steuer. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2014, S. 96.
- ↑ Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, Liste der auszusondernden Literatur. Berlin: Zentralverlag, 1946; abgerufen am 11. Januar 2017.
- ↑ Carsten Schreiber: Elite im Verborgenen. Ideologie und regionale Herrschaftspraxis des Sicherheitsdienstes der SS und seines Netzwerks am Beispiel Sachsens. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2008 ISBN 3486585436 S. 366
- ↑ zitiert nach: Die Bücherverbrennung. Hrsg. Gerhard Sauder. Ullstein, Frankfurt 1985, S. 86. Auch in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, VfZ, 1968, H. 4, S. 354 Online (PDF; 5,8 MB). Sperrung im Orig.
- ↑ zitiert nach: Die Bücherverbrennung. Hrsg. Gerhard Sauder. Ullstein, Frankfurt 1985, S. 86. Auch in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, VfZ, 1968, H. 4, S. 361 Online (PDF; 5,8 MB). Sperrung im Orig.
- ↑ Karl-Heinz Schubert: Fakten, an denen man als Linker nicht vorbeikommt. Braunbuch DDR, abgerufen am 11. Januar 2017.
- ↑ Der blinde Bauer auf archive.org, abgerufen am 11. Januar 2017.
- ↑ deutsch laut DNB: Drei Kieselsteine auf einem Weg, es ist nicht nachweisbar, dass tatsächlich in Deutsch erschienen. Der niederländische Verlag war ein Unternehmen der deutschen Besatzer.
Personendaten | |
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NAME | Ball, Kurt Herwarth |
ALTERNATIVNAMEN | Dreetz, Joachim (Pseudonym) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Science-Fiction-Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 7. September 1903 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 24. April 1977 |
STERBEORT | Leipzig |