National-Demokratische Partei Deutschlands
National-Demokratische Partei Deutschlands | |
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Parteivorsitzender | Lothar Bolz (1948–1972) Heinrich Homann (1972–1989) Günter Hartmann (1989–1990) Wolfgang Glaeser (1990) Wolfgang Rauls (1990) |
Gründung | 1948 |
Gründungsort | Potsdam, SBZ |
Fusion | 12. August 1990 (aufgegangen in: FDP) |
Hauptsitz | Ost-Berlin, DDR |
Ausrichtung | Konservatismus, Nationalkonservatismus, Liberalismus |
Farbe(n) | Gelb |
Mitgliederzahl | ca. 110.000 (Ende der 1980er Jahre) |
Mindestalter | 18 Jahre |
Die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) war eine Blockpartei in der DDR. Sie wurde 1948 in der Sowjetischen Besatzungszone gegründet und unterstützte die Politik der SED. 1990 ging sie in der gesamtdeutschen FDP auf.
Gründung
Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) ließ im Sommer 1945 vier Parteien zu: die KPD, die SPD, die CDU und die LDP. Die SPD wurde im April 1946 mit der KPD zur SED zwangsvereinigt. Auf Grund des guten Abschneidens von CDU und LDP bei den Landtagswahlen in der SBZ 1946 bemühte sich die SED, diesen Parteien künstliche Konkurrenz zu bereiten. Dazu gründete sie im April 1948 auf Weisung und in Abstimmung mit der SMAD eine Bauernpartei (DBD) und am 25. Mai 1948 die National-Demokratische Partei Deutschlands. An diesem Tag trafen sich die Vorsitzenden der Gründungsausschüsse; das wurde später als Gründungsdatum festgelegt.[2]
Stalin äußerte im März 1948, es sei an der Zeit, „die Trennlinie zwischen ehemaligen Nazis und Nichtnazis aufzuheben“.[3] Bereits am 26. Februar 1948 hatte der SMAD-Befehl Nr. 35 die Entnazifizierung in der Sowjetzone beendet; dadurch war es fortan „nichtbelasteten“ NSDAP-Mitgliedern möglich, „an der Sicherung der Einheit und der demokratischen Entwicklung Deutschlands ehrlich mitzuarbeiten“.[2] Am 22. März 1948 erschien erstmals die neue National-Zeitung, das spätere Zentralorgan der NDPD.
Neben alten NSDAP-Mitgliedern sollten auch ehemalige Offiziere und Vertriebene von der neuen Partei aufgefangen werden. Der SED-Vorstand erläuterte auf seiner Tagung im Mai 1948, „diese politisch unklaren Menschen“ sollten bei der nächsten Wahl nicht „das Stimmvieh“ für die bürgerlichen Parteien CDU und LDP abgeben.[4]
Erster Vorsitzender der NDPD wurde Lothar Bolz, seit 1928 KPD-Mitglied und später Mitarbeiter beim Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD, 1943–1945) in der Sowjetunion. Die Partei trat im September 1948 dem Demokratischen Block bei. Klaus Schroeder zufolge waren in die SED wesentlich mehr ehemalige NSDAP-Mitglieder eingebunden als in die NDPD.[5]
Politische Arbeit in der DDR
In ihrem Parteiprogramm forderte die NDPD unter anderem die Förderung des Mittelstands, die Eingliederung der einstigen Berufsbeamten, ein Ende der Diskriminierung der einfachen NSDAP-Mitglieder und der Offiziere der Wehrmacht, eine vollständige Bodenreform und die Enteignung der Konzerne. Die nationalkonservativen Angehörigen des Mittelstands und Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft[6] stellten den überwiegenden Anteil der Mitglieder. Die NDPD war nach dem Muster der SED und dem Prinzip des Demokratischen Zentralismus organisiert. Höchstes Gremium war der im fünfjährigen Rhythmus zusammentretende Parteitag, der einen Hauptausschuss wählte. Ein Sekretariat erledigte die laufenden Geschäfte. Neben der werktäglich erscheinenden National-Zeitung gab der Parteivorstand die Zweimonatszeitschrift Die Nation („Zeitschrift für Theorie und Praxis nationaler Politik“) heraus. Der parteieigene Verlag der Nation spezialisierte sich „auf sogenannte ‚Wandlungsliteratur‘“[7] für die Parteiklientel ehemaliger Nazis, Offiziere und Berufssoldaten.
Die NDPD entsandte 52 Abgeordnete in die Volkskammer und stellte je einen Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats und des Vorsitzenden des Staatsrats der DDR (letzteres Amt hatte von 1960 bis 1989 Heinrich Homann inne). Regierungsmitglieder waren Lothar Bolz als Außenminister, Wilhelm Feldmann und später Gunter Halm als Minister für Leichtindustrie sowie Manfred Flegel als Minister für Materialwirtschaft bzw. Handel und Versorgung. Das Parteimitglied Ferdinand Graf von Thun und Hohenstein war ein hochrangiger Diplomat der DDR (Botschafter im Iran).[8]
Zu weiteren prominenten Mitgliedern der Partei gehörten der Dirigent Hermann Abendroth, die ehemaligen Wehrmachtsoffiziere Arno von Lenski, Vincenz Müller (einer der ersten NVA-Generäle), Rudolf Petershagen, Egbert von Frankenberg und Proschlitz und Herbert Stößlein, die Schriftsteller Vilmos Korn, Günther Deicke, Ulrich Grasnick und Franz Fühmann, der Architekt Hans Gericke, der Rostocker Parteifunktionär Artur Pommerenke, die Komponistin und Organistin Ruth Zechlin, der Schauspieler und Entertainer Lutz Jahoda, der Theaterregisseur Erwin Leister, der Bildhauer Jo Jastram, die Schauspielerin Regina Jeske, der Theaterkritiker Klaus Baschleben, die Schlagersängerin Regina Thoss sowie der Quedlinburger Bürgermeister und spätere FDP-Landespolitiker Rainhard Lukowitz.[9]
Nach eigenen Angaben hatte die NDPD folgende Mitgliederzahlen:
- 1949: 17.000
- 1953: 232.605
- 1975: 80.000
- Ende der 1980er: etwa 110.000[10]
Publikationen
Das Zentralorgan der NDPD war die in Berlin erscheinende National-Zeitung. Als weitere NDPD-nahe Zeitung kamen die Mitteldeutschen Neuesten Nachrichten ab dem 14. Juli 1952 mit einer Auflage von 18.500 Exemplaren in den Bezirken Halle, Leipzig und Magdeburg heraus; die Sächsischen Neuesten Nachrichten erschienen in den Bezirken Dresden und Karl-Marx-Stadt. Weitere Regionalzeitungen der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands entstanden in der Folge mit den Thüringer, Brandenburgischen und Norddeutschen Neuesten Nachrichten, die zusammen eine Auflage von 103.000 Exemplaren erreichten.
Wendezeit 1989/90
Am 7. Dezember 1989 trat die Partei aus dem „Demokratischen Block“ aus. Die Partei war mit drei Vertretern am Runden Tisch beteiligt.
Auf dem 14. Parteitag am 20./21. Januar 1990 wurde Wolfgang Glaeser mit 32 Prozent Gegenstimmen zum Vorsitzenden gewählt; er vertrat in seinem Schlusswort einen stark reformorientierten Standpunkt. Führungskräfte und Teile der Mitgliederschaft distanzierten sich davon, und Glaeser trat zwei Tage später zurück.[11] Auf dem Parteitag am 11. Februar 1990 wurde Wolfgang Rauls zum neuen Vorsitzenden der Partei gewählt.
Die NDPD erhielt bei der freien Volkskammerwahl vom 18. März 1990 nur 0,39 % der Stimmen und zwei Mandate. Sie trat im Wahlkampf für eine soziale Marktwirtschaft, einen Stufenplan zur deutschen Einheit über eine Wirtschafts- und Währungsunion und den Beitritt der DDR zur Europäischen Gemeinschaft ein.
Ein von der NDPD vorgeschlagener Wahlverbund der nationalen und liberalen Parteien in der DDR wurde von den im Bund Freier Demokraten zusammengeschlossenen Parteien abgelehnt. Daraufhin schloss sich die NDPD auch dem Bund Freier Demokraten an und ging mit ihm am 12. August 1990 in der Freien Demokratischen Partei (FDP) auf.
Parteitage
- 1. Parteikonferenz im September 1948 in Potsdam
- 1. Parteitag im Juni 1949 in Halle
- 2. Parteitag im Juni 1950 in Leipzig
- 3. Parteitag im Juni 1951 in Leipzig
- 4. Parteitag im Juni 1952 in Leipzig
- 5. Parteitag im Oktober 1953 in Leipzig
- 6. Parteitag im September 1955 in Leipzig
- 7. Parteitag im Mai 1958 in Leipzig
- 8. Parteitag im Mai 1963 in Erfurt
- 9. Parteitag im September 1967 in Magdeburg
- 10. Parteitag im April 1972 in Potsdam
- 11. Parteitag im April 1977 in Leipzig
- 12. Parteitag im April 1982 in Leipzig
- 13. Parteitag im Mai 1987 in Leipzig
- 14. Parteitag im Januar/Februar 1990 in Ost-Berlin
- Letzte Parteikonferenz im März 1990 in Ost-Berlin
Personen
Parteivorsitzende
- 1948–1972: Lothar Bolz
- 1972–1989: Heinrich Homann, seit 1967 bereits geschäftsführend
- 1989–1990: Günter Hartmann
- 1990: Wolfgang Glaeser
- 1990: Wolfgang Rauls
Vorsitzende der Landesverbände 1948–1952
- Berlin
- Alfred Wunderlich (1949)
- Egbert von Frankenberg und Proschlitz (1951–1952)
- Brandenburg
- Oswald Koltzenburg (1948–1951)
- Hans Lohrisch (1951–1952)
- Mecklenburg
- Jonny Löhr (1948–1950)
- Gustav Siemon (1950–1951)
- Sachsen
- Vilmos Korn (1949)
- Wilhelm Adam (1949–1952)
- Kurt Lachner (1952)
- Sachsen-Anhalt
- Jakob-Adolf Heilmann (1949)
- Otto Rühle (1949–1952)
- Thüringen
- Rudi Reinwarth (1948–1949)
- Günther Ludwig (1949)
- Walter König (1949–1952)
Vorsitzende der Bezirksverbände
Weblinks
Literatur
- Jürgen Frölich: Transmissionsriemen, Interessenvertretung des Handwerks oder Nischenpartei? Zu Rolle, Bedeutung und Wirkungsmöglichkeiten der NDPD. In: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“. Band II/4. Nomos, Baden-Baden, ISBN 3-7890-4034-7, S. 1542–1578.
- Bernd Gottberg: Die Gründung und die ersten Jahre der NDPD 1948–1954. In: Jürgen Frölich (Hrsg.): „Bürgerliche“ Parteien in der SBZ/DDR. Zur Geschichte von CDU, LDP(D), DBD und NDPD 1945 bis 1953. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1995, ISBN 3-8046-8813-6, S. 73–87.
- Josef Haas: Die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD). Geschichte, Struktur und Funktion einer DDR-Blockpartei. Dissertation, Bamberg 1988, DNB 881230421.
- Andreas Herbst (Hrsg.), Winfried Ranke, Jürgen Winkler: So funktionierte die DDR. Band 2: Lexikon der Organisationen und Institutionen (M–Z) (= rororo-Handbuch. Band 6349). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1994, ISBN 3-499-16349-7 (Art. National-Demokratische Partei Deutschlands).
- Roland Höhne: Von der Wende zum Ende. Die NDPD während des Demokratisierungsprozesses. In: Oskar Niedermayer, Richard Stöss (Hrsg.): Parteien und Wähler im Umbruch. Parteiensystem und Wählerverhalten in der ehemaligen DDR und den neuen Bundesländern. Westdeutscher Verlag, Opladen 1994, ISBN 3-531-12648-2, S. 113–142.
- Roland Höhne: Aufstieg und Niedergang einer nationalen Blockpartei 1948–1990. In: Heiner Timmermann (Hrsg.): Die DDR in Deutschland. Ein Rückblick auf 50 Jahre. Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-10418-8, S. 269–311.
- Harald Krieg: LDP und NDP in der „DDR“ 1949–1958. Ein Beitrag zur Geschichte der „nichtsozialistischen“ Parteien und ihrer Gleichschaltung mit der SED. Westdeutscher Verlag, Köln 1965, DNB 452589614.
- Roderich Kulbach, Helmut Weber: Parteien im Blocksystem der DDR. Aufbau und Funktion der LDPD und der NDPD (= Schriftenreihe des Studienkollegs für zeitgeschichtliche Fragen. Bd. 3). Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1969, DNB 457317418.
- Peter Joachim Lapp: Die „befreundeten Parteien“ der SED. DDR-Blockparteien heute. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1988, ISBN 3-8046-8699-0.
- Peter Joachim Lapp: Ausverkauf. Das Ende der Blockparteien. Edition Ost, Berlin 1998, ISBN 3-932180-58-5.
- Christoph Schreiber: „Deutsche, auf die wir stolz sind.“ Untersuchungen zur NDPD (= Studien zur Zeitgeschichte. Band 108). Dr. Kovač, Hamburg 2018, ISBN 3-339-10360-7.
- Dietrich Staritz: Die National-Demokratische Partei Deutschlands 1948–1953. Ein Beitrag zur Untersuchung des Parteiensystems der DDR. Dissertation, FU Berlin 1968, DNB 482641355.
- Dietrich Staritz: National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD). In: Martin Broszat, Hermann Weber: SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945–1949. Oldenbourg, München 1990, ISBN 3-486-55261-9, S. 574–583.
- Michael Walter: National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD). In: Gerd-Rüdiger Stephan, Andreas Herbst, Christine Krauss, Daniel Küchenmeister, Detlef Nakath (Hrsg.): Die Parteien und Organisationen der DDR. Ein Handbuch. Dietz, Berlin 2002, ISBN 3-320-01988-0, S. 366–401.
- Christoph Wunnicke: Die Blockparteien der DDR. Kontinuitäten und Transformation 1945–1990 (= Schriftenreihe des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Band 34). LStU Berlin, Berlin 2014, S. 112–133 (berlin.de; PDF; 434 kB (Memento vom 9. September 2014 im Internet Archive)).
Einzelnachweise
- ↑ Erhart Hohenstein: Wie aus Wache Wachtel wurde. In: Potsdamer Neuste Nachrichten. 14. August 2009.
- ↑ a b Andreas Herbst, Winfried Ranke, Jürgen Winkler: So funktionierte die DDR. Band 2. Rowohlt, Hamburg 1994, s.v. „National-Demokratische Partei Deutschlands“, S. 714.
- ↑ Klaus Schroeder: Der SED-Staat. Partei, Staat und Gesellschaft 1949–1990, 2. Auflage, Propyläen: München 2000 (1998), S. 42.
- ↑ Klaus Schroeder: Der SED-Staat. Partei, Staat und Gesellschaft 1949–1990. 2. Auflage, Propyläen, München 2000 (1998), S. 41/42.
- ↑ Klaus Schroeder: Der SED-Staat. Partei, Staat und Gesellschaft 1949–1990. 2. Auflage, Propyläen, München 2000 (1998), S. 42/43.
- ↑ Beispielsweise Wolfgang Rösser
- ↑ Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis: „Jedes Buch ein Abenteuer“. Zensur-System und literarische Öffentlichkeit in der DDR bis Ende der sechziger Jahre. Akademie Verlag, Berlin 1998, ISBN 3-05-003118-2, S. 108.
- ↑ Helmut Müller-Enbergs: Thun, Ferdinand. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
- ↑ Günter Hartmann, Gert Walter (Hrsg.): NDPD – Auskünfte zur Zeit von Mitgliedern der NDPD aus vier Jahrzehnten. Verlag der Nation, Berlin 1988.
- ↑ Andreas Herbst, Winfried Ranke, Jürgen Winkler: So funktionierte die DDR. Band 2. Rowohlt, Hamburg 1994, s.v. „National-Demokratische Partei Deutschlands“, S. 715.
- ↑ Andreas Herbst, Winfried Ranke, Jürgen Winkler: So funktionierte die DDR. Band 2. Rowohlt, Hamburg 1994, s.v. „National-Demokratische Partei Deutschlands“, S. 717.