Kurvenradius

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Zwei ICE 3 fahren parallel auf der mit 300 km/h befahrbaren Schnellfahrstrecke Nürnberg–Ingolstadt. Die beiden im Bild zu sehenden Kurven ermöglichen mit ihrem Radius von 4085 m bei einer Überhöhung von 160 mm, diese Geschwindigkeit zu fahren. Dazwischen sind zwei je rund 500 m lange Übergangsbögen angeordnet, die ihrerseits durch eine rund 100 m lange Gerade verbunden sind. Die Verkehrswegebündelung zwischen Eisenbahn und der ungleich enger trassierten Autobahn muss in diesem Bereich aufgegeben werden.

Der Kurvenradius oder Radius einer Kurve (in der Eisenbahntechnik auch Bogenhalbmesser) ist ein wichtiger Parameter für die in einem Bogen zulässige Geschwindigkeit eines Straßen- oder Schienenwegs. Enge Kurvenradien bedeuten eine größere Fliehkraft, weshalb für höhere Geschwindigkeiten eine Trassierung mit flacheren Kurven nötig ist.

Dies bringt jedoch erhöhte Schwierigkeiten bei der Anpassung der Trasse an das Gelände, insbesondere bei Bahnstrecken. Wenn die höchstzulässige Krümmung der Bahn- oder Straßentrasse merklich unter jener der Höhenlinien des Geländes bleibt, entstehen erhöhte Kosten für den Bau von Einschnitten und Dämmen.

Seit etwa 100 Jahren trassiert man Verkehrswege so, dass die geraden Stücke nicht unmittelbar in die Kurven übergehen, sondern Übergangsbögen dazwischen angeordnet werden. Als solche werden vielfach Klothoiden verwendet, sodass der Kehrwert des Kurvenradius, mit null beginnend, linear zunimmt. Dies entspricht bei einem Kraftfahrzeug einem gleichmäßig zunehmenden Lenkeinschlag.

Zu einem bestimmten Kurvenradius und der Geschwindigkeit gehört auch eine geeignete Überhöhung der Kurve, um ausreichende Schräglage und Haftreibung der Fahrzeuge sicherzustellen. Auch diese Überhöhung muss von null (in der Geraden) auf den aktuellen Wert im Kurvenscheitel mit einer geeigneten Funktion zunehmen, um eine gute Fahrdynamik zu gewährleisten. Für diese Zunahme wird im Straßenbau ebenfalls die Klothoide verwendet, für Eisenbahnlinien hingegen die kubische Parabel.

Schienenverkehr

Im Schienenverkehr reicht das Spektrum typischer Radien von etwa 30 Metern (bei Straßenbahnen) bis zu einigen tausend Metern (beispielsweise bei Neubaustrecken des Hochgeschwindigkeitsverkehrs). Eine Kurve wird zur Gerade, wenn ihr Radius nach Unendlich strebt.

Für die Straßenbahn Lissabon mit 900 mm Schmalspur wird ein kleinster Radius von 9 m angegeben. Die gleich schmal gespurte Straßenbahn Linz wies namensgebend an der „Biegung“ in Urfahr, Linie 3 kurz vor dem Mühlkreisbahnhof einen besonders engen Kurvenradius auf. Heute wird diese Kurve von der auf 900 mm umgespurten Pöstlingbergbahn befahren.

Als kleinste Kurvenradien für normalspurige (1435 mm) Straßenbahnen werden für Graz 17,5 m und für Wien 20 m, ausnahmsweise 18 m angegeben. Auch die Straßenbahn München hat und hatte enge Kurvenradien, darunter von 1908 bis 2012 am Pasinger Marienplatz mit 14 m.[1] Die U-Bahn Wien hat an der U2 100 m Minimalradius (Schottentor–Rathaus).[2]

Lokale Gebirgsbahnen haben minimale Kurvenradien von etwa 50 bis 100 Meter (z. B. Berninabahn 45 m, Wengernalpbahn 60 m), bei überregionaler Bedeutung mit höherer Ausbaugeschwindigkeit etwa 200 m (z. B. Semmeringbahn 190 m).

In Deutschland wurde mit der Neufassung der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung[3] 1967 eine neue Formel zur Berechnung der zulässigen Fahrgeschwindigkeit von Zügen in Gleisbögen eingeführt:

mit

= Geschwindigkeit in km/h
= Bogenhalbmesser in m
= Überhöhung in mm
= Überhöhungsfehlbetrag in mm

Damit wurde die zulässige Geschwindigkeit in Gleisbögen erhöht und dabei die zulässige Seitenbeschleunigung von 0,65 m/s² auf 0,85 m/s² angehoben.[4]

Die Betriebsordnung (BO) sah 1925 in § 66 einen festen Zusammenhang von Krümmungshalbmesser und zulässiger Geschwindigkeit vor. Die größte zulässige Geschwindigkeit, 120 km/h, erforderte auf Hauptbahnen einen Halbmesser von 1300 m, die geringste noch zulässige Geschwindigkeit waren 45 km/h (bei 180 m Halbmesser).[5]

Straßenverkehr

Bei Straßen treten die kleinsten Radien oft in Kehren von Serpentinen – stärker für die innenliegende Fahrspur – oder innerorts etwa bei Abbiegerelationen an Kreuzungen oder Umfahrung eines Gebäudeecks auf.

Bei kleinen Radien ist die Schleppkurve der längstmöglichen Kfz – Bus, Sattelzug, Lkw-Zug – zu berücksichtigen, die den erhöhten Breitenbedarf längs eines gekurvten Weges aufzeigt. In beengt angelegte Parkplätze wird mit frontgelenkten Fahrzeugen platzeffizienter rückwärts ein- und vorwärts ausgeparkt. Sicht nach hinten und das Rückwärtsfahren mit ein- und besonders zwei-gelenkigen Fahrzeugzügen stellen höhere Anforderungen an den Lenker.

Damit die Haftreibung ausreicht, um die nötige Zentripetalkraft aufzubringen, muss (auf ebener Straße) folgende Ungleichung erfüllt sein:


µ = Haftreibungskoeffizient
g = Erdbeschleunigung

Einzelnachweise

  1. Arnd Wether: Wendeschleife (II) - Pasing Marienplatz ist Geschichte. In: BahnInfo. BahnInfo e. V., 12. Dezember 2012, abgerufen am 29. Mai 2021.
  2. Vergleichswerte für den Kurvenradius (Eisenbahn) Rechner zur Bestimmung der Maximalgeschwindigkeit in Kurven, johannes-strommer.com, abgerufen 25. Januar 2020.
  3. § 40 (7) EBO.
  4. Ernst Kockelkorn: Auswirkungen der neuen Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) auf den Bahnbetrieb. In: Die Bundesbahn. ISSN 0007-5876, 13/14/1967, S. 445–452.
  5. Erich Giese, Otto Blum, Kurt Risch: Linienführung (= Robert Otzen [Hrsg.]: Handbibliothek für Bauingenieure. Band 2, Nr. 2). Julius Springer, Berlin 1925, S. 205 f.