Lürssen-Effekt
Der Lürssen-Effekt beschreibt die Ausnutzung einer hydrodynamischen Besonderheit bei Bootsentwürfen der deutschen Werft Lürssen ab den 1930er Jahren, durch den die Fahreigenschaften verbessert wurden. Die Einrichtungen dazu wurde im Zweiten Weltkrieg auf fast allen deutschen Schnellbooten verbaut.
Funktionsweise
Boote, die diesen Effekt ausnutzten, wurden durch drei Propeller angetrieben und waren mit drei Ruderblättern im Strom der Propeller ausgestattet, wobei am Heck ein Staukeil den Wasserstrom nach unten ablenkte. Das eigentliche Steuerruder befand sich in der Mitte, die zwei kleineren Stauruder waren in einem leichten Winkel zur Senkrechten nach außen geneigt im Strom der seitlichen Propeller angeordnet.
Ab etwa 25 Knoten (kn) wurden die beiden Stauruder mittels je eines Handrades und spezieller Ruderpinnen um etwa 30° nach außen gedreht. Dadurch kam es zu einem Strömungsabriss hinter den Staurudern und es bildete sich ein luftgefüllter Raum in der Heckwelle. Dies veränderte die Strömungsstruktur der Heckwelle und an den Propellern. Nach dem Einsetzen des Lürssen-Effektes konnte der Anstellwinkel und damit auch der Strömungswiderstand der Stauruder auf etwa 17–22° reduziert werden. Aufgrund der unsymmetrischen Strömung, welche die drei Propeller erzeugten, von denen zwei in die gleiche Richtung drehten, musste der Anstellwinkel steuerbords größer eingestellt werden. Bei Geschwindigkeiten von unter 20 kn brach der Effekt wieder zusammen.
Der Effekt trat plötzlich ein und äußerte sich merklich vor allem in drei Wirkungen:
- Anheben des Hecks um bis zu 75 cm, wodurch sich das Seeverhalten und die Manövrierfähigkeit wegen der horizontaleren Lage des Rumpfes im Wasser verbesserte.
- Geschwindigkeitszuwachs von bis über 2 kn ohne zusätzlichen Maschineneinsatz, zum einen, weil der Wirkungsgrad der Propeller durch die veränderte Anströmung stieg und zum anderen, weil durch die horizontalere Lage des Bootskörpers der Strömungswiderstand verringert war.
- Abflachung der Heckwelle, die sich erst etwa 27 m hinter dem Heck der Boote aufwarf, wodurch die maximal erreichbare Geschwindigkeit erhöht wurde, denn der Abstand von Bug- und Heckwelle (normalerweise der Rumpflänge entsprechend) begrenzt die Höchstgeschwindigkeit (siehe Rumpfgeschwindigkeit).
Entwicklung
Aus der Entwicklung einer günstigeren Rumpfform und Bauweise durch die Lürssen-Werft, die hohe Geschwindigkeiten von über 30 kn ermöglichte, ging 1929 das Schnellboot S 1 hervor, die Basis für die Schnellbootwaffe der Kriegsmarine im Zweiten Weltkrieg. Schon dieses Boot konnte aufgrund des günstigen Strömungsverlaufes und einer Abflachung der Heckwelle mit Hilfe eines Staukeils vor der Abrisskante am Heck Geschwindigkeiten jenseits der klassischen Grenze für die Rumpflänge erreichen.
Bei Testfahrten mit dem ersten Serienboot S 2 wurde dann zufällig entdeckt, dass das Boot bei hoher Geschwindigkeit und Hartruderlage nicht mehr auf den Lenkausschlag reagierte, sondern die geschilderten Effekte zeigte. Bei der Suche nach den Ursachen wurden die Grundlagen des Lürssen-Effektes gefunden. Die Boote ab S 2 wurden daraufhin mit den beiden kleinen Rudern neben dem eigentlichen Ruder ausgestattet.
Literatur
- H. Docter: Die Entwicklung der deutschen Torpedo-Schnellboote. In: Nauticus. Jahrbuch für Seefahrt und Weltwirtschaft. 1960. 32. Jahrgang. Frankfurt a. M. Herausgegeben von Alexander von Borries. S. 136 ff.
- Schnellboot-Entwicklung auf PrinzEugen.com (engl.)
- Freundeskreis Schnellboote und Korvetten: Schema zum Lürssen-Effekt bei den Schnellbooten S10 und S14.