Lagervertrag

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Der Lagervertrag verpflichtet im Lagergeschäft den Lagerhalter, das Lagergut zu lagern und aufzubewahren.

Allgemeines

Eine Lagerung wird erforderlich, wenn bewegliche Sachen nicht sofort ihrer endgültigen Verwendung als Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenstand zugeführt werden. Der Lagerhalter unterhält Vorrats-, Umschlags- und Auslieferungslager als gewerbliche Dienstleistung für Industrie- und Handelsunternehmen. Darüber hinaus dient seine Tätigkeit in wichtigen Versorgungsbereichen öffentlichen Aufgaben, z. B. wenn die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Lagerhalter mit der Lagerung von Getreide und anderen Lebensmitteln beauftragt.

Vertragsparteien des Lagervertrags sind der Lagerhalter und der die Sachen einliefernde Einlagerer, Vertragsgegenstand können Handelswaren oder sämtliche übrigen lagerfähigen Gegenstände (Hausrat, Kraftfahrzeuge, Möbel, auch Flüssigkeiten oder Gase) sein. Auf den Aggregatzustand der Sachen kommt es nicht an; sie müssen nur lagerfähig sein, weil über nicht lagerfähige Sachen wie lebende Tiere, Geld oder Wertpapiere kein Lagervertrag geschlossen werden kann.[1] Von großer Bedeutung ist das Lagergeschäft, wenn Waren innerhalb einzelner Absatz- und Lieferketten zwischengelagert werden müssen, was oft im internationalen Handelsverkehr der Fall ist.[2]

Rechtsfragen

Der Lagervertrag ist eine handelsrechtliche Sonderform des entgeltlichen Verwahrungsvertrages§ 688 ff. BGB).[3] Der Hauptleistungspflicht des Lagerhalters zur Lagerung und Aufbewahrung des Lagerguts steht die Pflicht des Einlagerers gegenüber, die vereinbarte Vergütung zu zahlen (§ 467 HGB). Die Behandlung von zu lagerndem Gefahrgut ist in § 468 HGB geregelt. Vertretbare Sachen verschiedener Einlagerer dürfen in Form der Sammellagerung vermischt werden, wenn alle Einlagerer einverstanden sind (§ 469 HGB). Treten nach Einlagerung Veränderungen an dem Lagergut ein oder ist zu befürchten, dass der Verlust oder die Beschädigung des Gutes oder Schäden zu erwarten sind, so hat gemäß § 471 Abs. 2 HGB der Lagerhalter dies dem Einlagerer unverzüglich anzuzeigen und dessen Weisungen einzuholen. Den Lagerhalter trifft nach § 475 HGB eine Obhutshaftung für den Sachschaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Lagerung bis zur Auslieferung entsteht, es sei denn, dass der Schaden durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht abgewendet werden konnte. Die Regelungen zur Haftung des Lagerhalters sind abänderbar, was auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) möglich ist. Als klassische abweichende AGB sind hierbei die ADSp zu erwähnen. Haftungsbeschränkungen der Haftung des Lagerhalters gegenüber Verbrauchern (§ 13 BGB) sind nur sehr eingeschränkt möglich (vgl. dazu § 305 ff. BGB).

Für den Lagervertrag gelten subsidiär die Vorschriften über die Verwahrung und durch Einbeziehung auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen.[4]

Lagerpapiere

Der Lagerhalter ist zudem verpflichtet, das Gut aufzubewahren und auszuliefern. Hierüber kann ein Lageraufnahmeschein oder ein Lagerempfangsschein ausgestellt werden. Von größerer Bedeutung sind jedoch die folgenden Urkunden:

  • Der Lagerschein[5] ist ein Wertpapier, und zwar ein gekorenes Orderpapier des § 363 HGB (Warenbegleitpapier). Es ist ein vom Lagerhalter ausgestelltes Dokument, in dem sich der Lagerhalter verpflichtet, die von ihm eingelagerten Güter an die Person auszuliefern, die ihm den Lagerschein vorlegt. Sein Pflichtinhalt ist in § 475c HGB aufgeführt, er ist vom Lagerhalter zu unterzeichnen. Zu Gunsten des legitimierten Besitzers des Lagerscheins wird gemäß § 475d HGB vermutet, dass er der aus dem Lagerschein Berechtigte ist. Der legitimierte Besitzer des Lagerscheins ist berechtigt, vom Lagerhalter die Auslieferung des Gutes zu verlangen (§ 475e HGB), dazu ist der Lagerschein dem Lagerhalter vorzulegen und auszuhändigen (§ 475e Abs. 2 HGB). Der Lagerschein gilt für das Rechtsverhältnis zwischen dem Lagerhalter in dem legitimierten Besitzer des Lagerscheins, während für die Rechtsbeziehung zwischen Lagerhalter und Einlagerer der Lagervertrag maßgeblich ist (§ 475d Abs. 3 HGB).
    • Namenslagerschein (Rektapapier): Die eingelagerte Ware wird nur der Person ausgehändigt, die auf dem Lagerschein namentlich erwähnt ist. Er kann nur per Abtretung übertragen werden. Bei einer Abtretung wird nur der Herausgabeanspruch übertragen, nicht das Eigentum an der Ware.
    • Orderlagerschein (Orderpapier): Diese Urkunde ist als Traditionspapier leichter übertragbar als der Namenslagerschein. Dazu wird mindestens ein Indossament angebracht, und der durch eine lückenlose Indossamentenkette legitimierte Inhaber ist gleichzeitig Eigentümer der gelagerten Waren (§ 475g HGB). Einen Orderlagerschein darf seit Juli 1998 jeder Lagerhalter ausstellen. Die vom Regierungspräsidenten früher ausgestellten Zertifikate für Orderlagerhalter ergaben sich aus der Orderlagerscheinverordnung vom Dezember 1931, die seit Juli 1998 aufgehoben ist.
  • Der Fiata Warehouse Receipt (FWR) wird für ausländische Einlagerer ausgestellt. Er hat eine ähnliche Aufgabe wie der Orderlagerschein. Er darf nur von Lagerhaltern ausgestellt werden, die Mitglied des BSL, einer Unterorganisation der FIATA, sind.
Gesetzliches Pfandrecht

Der Lagerhalter hat für alle Forderungen aus dem Lagervertrag ein gesetzliches Pfandrecht an dem ihm zur Lagerung übergebenen Gut des Einlagerers (§ 475b HGB)

  • wegen aller durch den Lagervertrag begründeten Forderungen sowie
  • wegen aller unbestrittener Forderungen aus anderen mit dem Einlagerer abgeschlossenen Lager-, Fracht- und Speditionsverträgen.

§ 475b Abs. 1 HGB entspricht insoweit den Bestimmungen über das gesetzliche Pfandrecht im Fracht- oder Speditionsrecht. § 475b Abs. 2 HGB sagt darüber hinaus, dass dem Lagerhalter das Pfandrecht gegen den Berechtigten (= legitimierten Besitzer) aus einem durch Indossament übertragenen Orderlagerschein zusteht. Jedoch erstreckt sich das Pfandrecht hierbei „nur“ auf Forderungen, die aus dem Orderlagerschein selbst erkennbar sind, und/oder Forderungen, die dem Berechtigten bei Erwerb des Lagerscheins bekannt waren oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben waren. Das Pfandrecht besteht, solange der Lagerhalter das Gut in seinem Besitz hat, insbesondere solange er mittels Konnossements, Ladescheins oder Lagerscheins hierüber verfügen kann (§ 475b Abs. 3 HGB).

Abgrenzung zum Logistikvertrag

Im Gegensatz zum landläufigen Sprachgebrauch ist der Lagervertrag nicht mit einem Logistikvertrag gleichzusetzen. Letzterer geht üblicherweise über die reine Lagerung deutlich hinaus, d. h. umfasst neben der reinen Lagerung weitere "Dienste" wie z. B. Kommissionierung und/oder Verpackung der Ware. Im Gegensatz zum Lagervertrag und zum Frachtvertrag ist der Logistikvertrag im deutschen Recht nicht eigenständig geregelt.

International

In Österreich ergibt sich der Lagervertrag aus den §§ 416 ff. UGB, wonach Lagerhalter ist, wer die Lagerung und Aufbewahrung von Gütern übernimmt. Wegen der Rechte und Pflichten verweist § 417 UGB auf die Vorschriften für den Kommissionär, das Lagergeld ist in § 420 UGB geregelt, eine Sammellagerung vertretbarer Sachen durch Vermischung ist mit Erlaubnis der Einlagerer möglich § 419 UBG. Das gesetzliche Pfandrecht des Lagerhalters ergibt sich aus § 421 UGB.

In der Schweiz gehört der Lagervertrag zu den Hinterlegungsverträgen. Nach Art. 482 Abs. 1 ZGB kann ein Lagerhalter, der sich öffentlich zur Aufbewahrung von Waren anerbietet, von der zuständigen Behörde die Bewilligung erwirken, für die gelagerten Güter Warenbegleitpapiere auszugeben. Er ist nach Art. 483 Abs. 1 ZGB zur Aufbewahrung der Güter verpflichtet wie ein Kommissionär. Die Vermischung ist in Art. 484 ZGB geregelt, der Anspruch des Lagerhalters auf Lagergeld ergibt sich aus Art. 485 ZGB. Ein gesetzliches Pfandrecht des Lagerhalters gibt es in der Schweiz nicht.

Siehe auch

Literatur

Deutsches Recht
  • Wieske, Thomas, Transportrecht schnell erfasst, 4. Aufl., Berlin Heidelberg 2020, Verlag: Springer, ISBN 978-3-662-58487-3
  • Hartenstein, Olaf/ Reuschle, Fabian (Hrsg.), Handbuch des Fachanwalts für Transport- und Speditionsrecht, 3. Aufl., Köln 2015, Verlag Carl Heymanns, ISBN 978-3-452-28142-5
  • Baumbach/Hopt, HGB. Kommentar, 40. Aufl., München 2021, Verlag C.H Beck, ISBN 978-3-406-75414-2
  • Koller, Ingo, Transportrecht. Kommentar, 10. Aufl., München 2020, Verlag C.H. Beck, ISBN 978-3-406-74187-6
  • Valder: AGB-Kontrolle in besonderen Fällen - im Lagerrecht (PDF; 500 kB), transpr 2010, 27 (veröffentlicht u. a. auf der Internetseite der „Dt. Gesellschaft für Transportrecht e.V.“ [DGTR]).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jürgen Tunn, Lagerrecht, Kontraktlogistik, 2005, S. 7
  2. Hanno Merkt, in: Adolf Baumbach/Klaus Hopt/Christoph Kumpan/Hanno Merkt/Markus Roth (Hrsg.), Handelsgesetzbuch: mit GmbH & Co., Handelsklauseln, Bank- und Börsenrecht, Transportrecht (ohne Seerecht), 37. Auflage, 2015, § 467, Rn. 1–4
  3. Bernd Rebe, Lagergeschäft, in: Wolfgang Lück (Hrsg.), Lexikon der Betriebswirtschaft, 2004, S. 424
  4. Carl Creifelds, Creifelds Rechtswörterbuch, 16. Auflage, 2000, S. 815 ff.
  5. Albert Bayerdoerffer, Das Lagerhaus- und Warrant-System, Jena 1878, S. 2 ff.