Landesverkehrsgesellschaft Sachsen

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Die Landesverkehrsgesellschaft Sachsen (LVG) war von 1996 bis zu ihrer Auflösung 1999 der Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) im Freistaat Sachsen.

Gründung

Mit Umsetzung der Bahnreform und der Regionalisierung des SPNV in Deutschland wurde 1995 gemäß § 1 des Gesetzes zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetz) die Aufgabe der Sicherstellung einer angemessenen Nahverkehrsversorgung an die Bundesländer übertragen, die Näheres durch Landesrecht zu regeln haben.[1] Sachsen entschloss sich, im Bereich des SPNV die Aufgabenträgerfunktion befristet bis 2002 von einer landeseigenen Gesellschaft wahrnehmen zu lassen und erst danach schrittweise auf die teilweise noch zu gründenden kommunalen Zweckverbände zu übertragen.[2] Zum Zeitpunkt der Gründung der neuen Landesverkehrsgesellschaft bestanden mit dem Zweckverband Verkehrsverbund Oberelbe (ZVOE), dem Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (ZVON) und dem Zweckverband ÖPNV Vogtland (ZVV) noch nicht flächendeckend Zweckverbände.

Mit einem Stammkapital von 55.000 DM gründete der Freistaat daher 1996 die Landesverkehrsgesellschaft als GmbH, die zu 100 % im Besitz des Freistaats war.[3] Die Mitwirkung der bestehenden Zweckverbände und der Kommunen sollte über den Aufsichtsrat erfolgen, in dem alle Zweckverbände und einige Landräte vertreten waren. Vorsitzender wurde der damalige Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA), Wolfgang Zeller.

Die Geschäftsstelle der LVG wurde in Dresden eingerichtet, als Geschäftsführer Herwig Nowak eingesetzt. Maximal waren bei der LVG acht Mitarbeiter beschäftigt.

Tätigkeit

Als Aufgabe der LVG wurden folgende Tätigkeiten definiert:[3]

  • Bestellung der Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs für den Freistaat,
  • Strukturentscheidungen, insbesondere zur Infrastruktur, für den Schienenpersonennahverkehr auf Basis der vorhandenen landesplanerischen Vorgaben treffen
  • Entwicklung eines landesweit koordinierten und mit den übrigen Aufgabenträgern des ÖPNV abgestimmten Angebots für den SPNV

In der kurzen Zeit ihrer Existenz führte die LVG zum einen den bereits 1995 durch den Freistaat mit der DB AG abgeschlossenen Verkehrsvertrag fort. Auf Basis der Vorgaben des SMWA bestellte sie jeweils zu den Fahrplanwechseln 1997 auf sechs, 1998 auf dreizehn und 1999 auf drei sächsischen Strecken den Schienenpersonennahverkehr ab. Diese umfassenden Einstellungen auf vielen sächsischen Nebenbahnen wurden von vielen Landkreisen sowie Fahrgast- und Umweltverbänden wie Pro Bahn und VCD vehement kritisiert,[4][5][6] ebenso die fehlende Bereitschaft zur Abstimmung mit benachbarten Aufgabenträgern in Sachsen-Anhalt und Brandenburg.[7] Bemängelt wurden zudem unzureichende oder fehlende Kriterien zur Entscheidung über Beibehaltung oder Abbestellung von SPNV-Leistungen.[8]

Auflösung

Die LVG sollte ursprünglich bis 2002 die Aufgabenträgerfunktion wahrnehmen. Seitens der bereits bestehenden Zweckverbände und vieler Kommunen war jedoch durch die über ihre Köpfe hinweg getroffenen Entscheidungen ein erheblicher Unmut über die Arbeit der LVG entstanden. Sie wurde lediglich als ausführendes Organ des SMWA empfunden, das überdies den Kommunen die unpopulären Entscheidungen delegieren würde.[9]

Mit dem Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) und dem Zweckverband Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS), die beide 1998 entstanden, waren für ganz Sachsen die nach ÖPNV-Gesetz vorgesehenen Zweckverbände vorhanden. Nachdem der ZVOE und der ZVON bereits zuvor schrittweise für ihre Strecken die Aufgabenträgerfunktion übernommen hatten, gab die LVG Ende 1998 auch die entsprechenden Funktionen für Mittelsachsen und den Raum Leipzig an die dortigen Zweckverbände ab. 1999 wurde die LVG schließlich aufgelöst und liquidiert.[10]

Planungen zur Neugründung

Am 1. November 2018 kündigte der Sächsische Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Martin Dulig, an, seitens des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr die Voraussetzungen dafür zu schaffen, eine neue Landesverkehrsgesellschaft zu gründen. Er begründete dies damit, die angestrebten Verbesserungen im sächsischen ÖPNV alleine auf Basis der Zusammenarbeit der Zweckverbände und der Landkreise nicht erreichen zu können, insbesondere nicht den Aufbau eines flächendeckenden sogenannten Plusbus-Netzes mit Taktverkehr und die Einführung eines preisgünstigen landesweiten Bildungstickets für Schüler und Auszubildende. Anders als die frühere Landesverkehrsgesellschaft solle diese daher nicht nur für den Schienenpersonennahverkehr, sondern auch für ein Busnetz mit landesweiter Bedeutung, die Umsetzung des Sachsentarifs als Dachtarif und die Verwaltung der Mittel für das landesweite Bildungsticket zuständig sein. Eine Zeitschiene zur Umsetzung des Vorhabens wurde nicht angegeben.[11]

Am 13. Februar 2019 informierten das Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, der Sächsische Landkreistag und der Sächsische Städte- und Gemeindetag in einer gemeinsamen Pressemitteilung darüber, zentrale Vereinbarungen zur Weiterentwicklung des sächsischen ÖPNV getroffen zu haben. Dazu gehören insbesondere Tarifangebote für Auszubildende und Schüler, die Einführung eines Sachsen-Tarifs und ein Angebotsausbau bei PlusBus und TaktBus für Sachsen. Von der Gründung einer neuen Landesverkehrsgesellschaft war keine Rede mehr.[12] Medienberichten zufolge standen damit wieder Sachfragen im Mittelpunkt, nicht mehr Strukturfragen. Staatsminister Dulig zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden, allein die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag erklärte, weiter am Ziel einer Landesverkehrsgesellschaft arbeiten zu wollen.[13]

Am 1. Oktober 2019 nahm in den Büroräumen des VVO in Dresden das sogenannte „Kompetenzcenter Sachsen-Tarif“ seine Arbeit auf. Es geht auf einen Beschluss zwischen den fünf Zweckverbänden und der sächsischen Staatsregierung zurück, einen gemeinsamen Dachtarif für den öffentlichen Personennahverkehr in Sachsen zu entwickeln. Die Finanzierung erfolgt durch das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr.[14]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Regionalisierungsgesetz (PDF; 24 kB)
  2. ÖPNVG Sachsen, Stand bis 2008 (Memento des Originals vom 1. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mobiles-sachsen.de (PDF; 19 kB)
  3. a b Sächsisches Staatsministerium der Finanzen: Beteiligungsbericht 1998, S. 81
  4. Kerstin Eckstein, Gunnar Saft: Der Finanzminister macht jetzt Verkehrspolitik, Sächsische Zeitung vom 26. September 1997
  5. Frank von Meissner: Regionalisierung in Sachsen: Abbruch Ost, in: PRO BAHN Zeitung: Das Magazin der Fahrgäste des öffentlichen Verkehrs, Heft 73: Februar – April 1998
  6. Volker Eichmann: Alles neu macht der Mai… (oder auch nicht), Fahrplanwechsel in Sachsen, in: Neue Wege. Informationsblatt der VCD-Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, Ausgabe 1/98, Leipzig 1998
  7. Mitteldeutsche Zeitung vom 16. Mai 1998: Ende für die Aue-Bahn nach Leipzig
  8. Kerstin Eckstein: Die Opposition brandmarkt den Bahn-"Kunstgriff", Sächsische Zeitung vom 1. Oktober 1997
  9. Christian Kerl: Zwischen Jubel und Entsetzen, Freie Presse vom 1. Oktober 1997
  10. Sächsisches Staatsministerium der Finanzen: Beteiligungsbericht 2000, S. 58
  11. Verkehrsminister Dulig: „Neue Landesgesellschaft soll künftig für einen modernen und bezahlbaren Nahverkehr sorgen“. Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, 1. November 2018, abgerufen am 1. November 2018.
  12. Aktuelle Vereinbarungen zur Weiterentwicklung des sächsischen ÖPNV. Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, 13. Februar 2019, abgerufen am 6. März 2019.
  13. Minister und Landräte finden einen Kompromiss zum ÖPNV, kommen aber nicht zum Punkt. Leipziger Internet Zeitung, 14. Februar 2019, abgerufen am 6. März 2019.
  14. Pressemitteilung des VVO vom 4. Oktober 2019