Landwehrschenke
Die Landwehrschenke war ein historischer Gasthof im Leinegraben bei Göttingen. Den Studentenverbindungen diente sie früher als Pauklokal. Das alte Fachwerkgebäude steht unter Denkmalschutz.
Geschichte
Zwischen 1380 und 1420 wurde um die Stadt Göttingen herum eine Landwehr errichtet, die später im Süden um zwei weiter entfernte Landwehren ergänzt wurde.[1] An der nach Süden verlaufenden alten Handelsstraße nach Witzenhausen und Heiligenstadt befand sich der Durchlass mit einem Schlagbaum, ein Wartturm, die sogenannte „Dreckwarte“, kontrollierte die Durchfahrt. In der frühen Neuzeit, als die Landwehr an Bedeutung verlor, entwickelte sich an dieser Stelle der Landwehrkrug „Dreckwarte“ als Gasthof und Ausspanne. 1784 wurde die Chaussee um etwa 500 Meter nach Osten auf die Strecke verlegt, auf der noch heute die Bundesstraße 27 nach Niedernjesa verläuft.[2] Auch die Gastwirtschaft wurde an die Durchführung der neuen Straße durch die Landwehr verlagert. Die erste Erwähnung der neuen Landwehrschenke findet sich in einer Inventaraufnahme aus dem Jahr 1787,[3] das heutige Hauptgebäude ist nur wenig jünger.[4]
Die Landwehrschenke mit ihrer Kegelbahn diente ab dem 18. Jahrhundert auch als Ausflugsziel für die Göttinger Bevölkerung samt Studentenschaft, das nach einer guten halben Stunde Fußmarsch zu erreichen war. Hauptkonkurrenz für den Betrieb war die um 1800 durch die Herren von Hardenberg 1,7 Kilometer südlich an derselben Straße angelegte Garteschenke.[3] Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verkehrte in der Landwehrschenke auch der Corpsstudent Heinrich Heine mit seinen Corpsbrüdern. Aus dieser Zeit ist die Geschichte einer Bedienung der Landwehrschenke überliefert. Das Lottchen von der Landwehr beeindruckte nicht nur Heine schwer, wusste sich jedoch so standhaft und bestimmt gegen jegliche Frivolität zu erwehren, dass Heine sich noch in späteren Lebensjahren dieses für ihn peinlichen Moments erinnerte.[5] Ebenfalls seit Mitte des 19. Jahrhunderts war die Landwehrschenke beziehungsweise eines ihrer Nebengebäude Pauklokal des Göttinger Senioren-Convents, wo die Corps ihre Mensuren ausfochten. Der schmucklose Saal war mit einer Biertheke ausgestattet und enthielt im Übrigen an den Seiten Tische für jedes der sieben Göttinger Corps sowie für die ebenfalls teilnehmende schwarze Verbindung Lunaburgia. Zur ärztlichen Wundversorgung war noch ein Flickzimmer vorhanden, in dem die Paukärzte die Schmisse nähten. Die Landwehrschenke blieb bis zum Verbot der Studentenverbindungen durch die Nationalsozialisten 1935 das bevorzugte Pauklokal des Göttinger SC. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg fochten die Göttinger Corps nach der Entscheidung des BGH im Göttinger Mensurenprozess (1953) während der 1950er Jahre wieder bevorzugt auf der Landwehr.
Die anfangs in städtischem Besitz befindliche Landwehrschenke wurde 1871 an Louis Aschoff verkauft, etwas später wurde im Zuge der Verkoppelung die alte Landwehr eingeebnet.[3] Das ursprüngliche Fachwerkgebäude ist erhalten, allerdings wurde der Eingangsbereich umgebaut. Ein Anbau auf der Nordseite stammt aus der Zeit um 1900,[4] ein weiterer Anbau wurde später wieder abgetragen. Der mittelalterliche Wartturm wurde von den Betreibern der Gastwirtschaft abgetragen und das Material für den Bau von Nebengebäuden verwendet.[3]
Die Landwehrschenke war zeitweilig auch einer der Haltepunkte der Gartetalbahn, einer Kleinbahn, die von 1897 bis 1959 zwischen Göttingen und Duderstadt verkehrte.
Bis 2019 wurde die Landwehrschenke viele Jahre als Bordell genutzt.
Literatur
- Gerhard Eckhardt: Wo man einst gern eingekehrt – Vergangene Göttinger Gaststätten. Göttingen 2007, S. 149–156.
Einzelnachweise
- ↑ Sven Schütte: Die Befestigungsanlagen der Stadt Göttingen im Mittelalter. In: Klaus Grote, Sven Schütte: Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland. Band 17: Stadt und Landkreis Göttingen, Konrad Theiss, Stuttgart 1988, ISBN 3-8062-0544-2, S. 142f
- ↑ Dietrich Denecke: Göttingen im Netz der mittelalterlichen Verkehrswege. In: Dietrich Denecke, Helga-Maria Kühn: Göttingen – Geschichte einer Universitätsstadt. Band 1: Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Göttingen 1987, S. 379 ff.
- ↑ a b c d Vera Lenz: Treuenhagen – Der Stadtteil den es nicht gibt. Göttingen 1984, S. 38f
- ↑ a b Ilse Röttgerodt-Riechmann: Stadt Göttingen. In: Christiane Segers-Glocke (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Baudenkmale in Niedersachsen. Band 5.1. Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1982, ISBN 3-528-06203-7, S. 80.
- ↑ Eckhardt (2007), S. 150 ff.
Koordinaten: 51° 30′ 35″ N, 9° 56′ 19″ O