Lavinia Schulz
Lavinia Berta Schulz (* 23. Juni 1896[1] in Lübben (Spreewald); † 19. Juni 1924 in Hamburg) war eine deutsche expressionistische Schauspielerin und Maskentänzerin.
Leben und Werk
Mit 16 Jahren ging Lavinia Schulz nach Berlin, um akademisches Zeichnen zu studieren.[2] Um 1917 lernte sie dort Lothar Schreyer kennen, Redakteur der expressionistischen Zeitschrift Der Sturm und Leiter der Sturm-Bühne in Berlin, wo Schulz als Schauspielschülerin blieb.[3] 1918 war ihr Nacktauftritt im Drama Sancta Susanna von August Stramm ein Skandal. 1919 folgte Schulz Schreyer nach Hamburg, der dort die Kampfbühne gründete.[2][3]
Bei der Kampfbühne lernte Schulz den Schauspieler Walter Holdt (* 20. Dezember 1899 in Hamburg[1]) kennen, den sie 1921 heiratete. 1923 bekamen sie einen Sohn, Hans Heinz.[4]
Ab 1919 entwarfen Schulz und Holdt gemeinsam Tanzvorführungen in eigens dafür entwickelten Ganzkörperkostümen. Seit 1921 wurden ihre Aufführungen vom avantgardistischen Komponisten Hans Heinz Stuckenschmidt musikalisch begleitet. Auch auf den populären Hamburger Künstlerfesten – wie die Götzenpauke 1921 im Curio-Haus – traten sie auf.[2]
Am 18. Juni 1924 erschoss Lavinia Schulz ihren 25-jährigen Ehemann, alarmierte die Nachbarschaft, und versuchte dann, sich selbst zu erschießen. Sie starb am folgenden Tag an ihren Verletzungen. Das Motiv für die Tat wurde nie endgültig geklärt.[3] Ein Grund könnten finanzielle Schwierigkeiten gewesen sein, da das Künstlerpaar seine Tanzvorstellungen dem Publikum ohne Bezahlung vorführte.[2]
Bereits im März 1925 fand im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe eine Gedächtnis-Ausstellung mit den Masken des Künstlerehepaares statt. Danach gerieten Lavinia Schulz und Walter Holdt in Vergessenheit. Erst 1988 wurden auf dem Dachboden des Museums drei Kisten mit rund 20 Ganzkörpermasken von dem Kuratoren Nils Jockel wiederentdeckt. Die Kostüme wurden restauriert und 1989 in der Ausstellung „Flugkraft in goldene Ferne...“ - Bühnentanz in Hamburg seit 1900 und 2006 in der Ausstellung Entfesselt – Expressionismus in Hamburg um 1920 der Öffentlichkeit gezeigt.[2][3]
In Hamburg erinnert auf dem Ohlsdorfer Friedhof im Bereich des Gartens der Frauen ein Element der Erinnerungsspirale an Lavinia Schulz. Das Leben und die Kunst von Lavinia Schulz und Walter Holdt sowie ihre Relevanz für die Gegenwart stehen im Mittelpunkt des 2019 erschienenen Romans Pixeltänzer von Berit Glanz[5].
Literatur
- Kirsten Beuster: „Gegen den Strom …“ – Die expressionistischen Masken-Tänzer Lavinia Schulz und Walter Holdt. In: Lichtwark-Heft Nr. 72. Verlag HB-Werbung, Hamburg-Bergedorf 2007. ISSN 1862-3549.
- Karl Toepfer: Empire of Ecstasy. Nudity and Movement in German Body Culture, 1919–1935 (= Weimar and now, Band 13). University of California Press, Berkeley [u. a.] 1998, ISBN 0-520-20663-0, S. 214–216 (Biografie von Walter Holdt und Lavinia Schulz, englisch)
- Ralf Beil, Claudia Dillmann (Hrsg.): Gesamtkunstwerk Expressionismus. Kunst, Film, Literatur, Theater, Tanz und Architektur 1905 bis 1925. Hatje Cantz, Ostfildern 2010, ISBN 978-3-7757-2712-9, S. 432–445 (anlässlich der gleichnamigen Ausstellung Mathildenhöhe Darmstadt, 24. Oktober 2010 – 13. Februar 2011)
- Athina Chadzis: Die expressionistischen Maskentänzer Lavinia Schulz und Walter Holdt (= Studien und Dokumente zur Tanzwissenschaft, Band 1). Lang, Frankfurt am Main [u. a.] 1998, ISBN 3-631-33057-X; zugleich: Magisterarbeit, Universität Hamburg, 1994.
- Dianne S. Howe: Individuality and Expression. The Aesthetics of the New German Dance, 1908–1936 (= New studies in aesthetics, Band 24). Lang, New York [u. a.] 1996, ISBN 0-8204-2656-3.
- Rüdiger Joppien u. a. (Hg.): Entfesselt. Expressionismus in Hamburg um 1920. Katalog, Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg 2006, ISBN 978-3-923859-64-1, ISBN 3-923859-64-3 (anlässlich der gleichnamigen Ausstellung vom 25. Februar bis 5. Juni 2006).
- Lothar Schreyer: Expressionistisches Theater. Aus meinen Erinnerungen (= Hamburger Theaterbücherei, Band 4). Toth, Hamburg 1948.
- Ingrid Pfeiffer, Max Hollein (Hrsg.): Sturm-Frauen: Künstlerinnen der Avantgarde in Berlin 1910-1932. Wienand, Köln 2015, ISBN 978-3-86832-277-4 (Katalog der gleichnamigen Ausstellung, Schirn Kunsthalle Frankfurt, 30. Oktober 2015 bis 7. Februar 2016).
- Nils Jockel: Die Maskentänzer Lavinia Schulz und Walter Holdt, ("Flugkraft in goldene Ferne...", Bühnentanz in Hamburg seit 1900, Hamburg, 1989, Katalog der gleichnamigen Ausstellung, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, 1989)
Weblinks
- Fotoserie von Schulz' Ganzkörpermasken, 1924
- Biografie bei hamburg.de/frauenbiografien
Einzelnachweise
- ↑ a b Artikel über Lavinia Schulz und Walter Holdt
- ↑ a b c d e Belinda Grace Gardner: „Entfesselt“ fesselt. Expressionismus-Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe. In: Welt. 19. Februar 2006 (Artikel zur Ausstellung Entfesselt – Expressionismus in Hamburg um 1920)
- ↑ a b c d Reinhard Krause: Fegefeuer und Nahrungssorgen. Auf: taz.de, 18. März 2006 (Artikel zur Hamburger Ausstellung Entfesselt – Expressionismus in Hamburg um 1920)
- ↑ Karl Toepfer: Empire of Ecstasy. Nudity and Movement in German Body Culture, 1919–1935 (= Weimar and now, Band 13). University of California Press, Berkeley [u. a.] 1997, ISBN 0-520-20663-0, S. 214–216 (Biografie von Walter Holdt und Lavinia Schulz, englisch)
- ↑ Berit Glanz: Pixeltänzer. Schöffling, Frankfurt am Main 2019, ISBN 978-3-89561-192-6.
Personendaten | |
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NAME | Schulz, Lavinia |
ALTERNATIVNAMEN | Schulz, Lavinia Berta (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche expressionistische Schauspielerin und Maskentänzerin |
GEBURTSDATUM | 23. Juni 1896 |
GEBURTSORT | Lübben (Spreewald) |
STERBEDATUM | 19. Juni 1924 |
STERBEORT | Hamburg |