Lesezirkel Hottingen

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Gessner-Feier des Lesezirkels Hottingen beim Forsthaus Sihlwald (1903)

Der Lesezirkel Hottingen war ein 1882 in Hottingen als Verein gegründeter und 1940 liquidierter Lesezirkel.

Geschichte

Der Lesezirkel Hottingen wurde am 4. November 1882 durch die Hottinger Turnvereinskollegen Wilfried Treichler (1854–1946) und Hans Bodmer (1863–1948)[1] im Wirtshaus zur Sonnegg gegründet. In der Frühzeit abonnierte der Verein Zeitschriften, die er in Mappen seinen Mitgliedern zur Verfügung stellte, und im Winterhalbjahr organisierte er im Hottinger Gemeindehaus jeweils fünf Bildungsabende.[2] 1890 hatte die Vereinigung bereits mehr als Tausend Mitglieder und entwickelte sich zu einem überregional tätigen Unternehmen, welches sich mit seinen Aktivitäten bewusst an Familien und auch an Frauen richtete.[3] Der Lesezirkel besass eine umfangreiche Ausleihbibliothek, 1914 wurden in verschiedenen Mappen 120 Zeitschriften angeboten.[4] Zum umfangreichen Programm gehörten öffentliche Vorträge, Literaturabende, Dichterfeiern, Reisen und Ausstellungen.[5] An den Abenden für Literatur und Kunst lasen u. a. Gottfried Keller, Conrad Ferdinand Meyer, Carl Spitteler, Frank Wedekind, Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke, Gerhart Hauptmann, Albert Schweitzer, Hermann Hesse, Thomas Mann und Heinrich Mann.[6] Die Veranstaltungen fanden hauptsächlich in der 1895 erbauten neuen Tonhalle Zürich oder in der Trichtenhauser Mühle in Zollikon statt. 1898 initiierte der Lesezirkel das erste Schweizerische Trachtenfest in Zürich. 1902 wurde innerhalb des Lesezirkels als Untersektion der Literarische Club gegründet, der bis heute besteht.

Der Lesezirkel gab in den Jahren 1913 bis 1932 die Zeitschrift Der Lesezirkel in der Form von thematischen Heften heraus.[7] Im Eigenverlag veröffentlichte der Lesezirkel zahlreiche Publikationen.

Nach dem Vorbild des Deutschen Literaturarchivs Marbach plante der Lesezirkel Hottingen 1918 das Gottfried-Keller-Haus als Schweizerisches Literaturarchiv und gründete zu diesem Zweck eine entsprechende Genossenschaft.[8]

1940 wurde der Lesezirkel aus finanziellen Gründen liquidiert.[9] Der Verein übergab sein Archiv dem Staatsarchiv Zürich.

Quellen

Publikationen (Auswahl)

  • Aus allen Gauen. Dichtungen in den Schweizerischen Mundarten. Müller, Zürich 1896.
  • Von Hottingen bis Jeddo. Handbuch für die Teilnehmer an der Orientfahrt des Lesezirkels Hottingen. Nebst einer Routenkarte und allerlei nützlichen Winken und Ratschlägen. Verlag des Quadrifoliums, Zürich 1899.
  • Das Fest des Fischerkönigs. Ein dramatisches Spiel zur Sommerfahrt des Lesezirkels Hottingen nach der Ufenau und Rapperswyl. Verlag des Lesezirkels Hottingen, Zürich 1901.
  • Eduard Korrodi: Das poetische Zürich. Miniaturen aus dem 18. Jahrhundert. Lesezirkel Hottingen, Zürich 1913.
  • Hugo Blümmer: Das grüne Ross oder Der schlaue Bauer. Ein Spass. Lesezirkel Hottingen, Zürich 1914.
  • Schwyzerländli. Mundarten und Trachten in Lied und Bild. Lesezirkel Hottingen, Zürich 1915.
  • Die Geschichte vom Soldaten. Gelesen, gespielt und getanzt. In 2 Teilen. Freie Nachdichtung von Hans Reinhart. Musik von Igor Strawinsky. Lesezirkel Hottingen, Zürich 1924.
  • Carl Friedrich Wiegand: Die Hochzeit des Theseus. Eine Shakespeare-Phantasie. Frühlingsfest des Lesezirkels Hottingen, Samstag, den 15. März 1924 im Hotel Baur au Lac, Zürich. Lesezirkel Hottingen, Zürich 1924.

Literatur

  • Hedwig Bleuler-Waser: Leben und Taten des Lesezirkels Hottingen. Von seiner Geburt bis zu seinem 25. Altersjahre 1882–1907 erzählt. Zürich 1907.
  • Alfred Cattani: Der Lesezirkel Hottingen. In: Neue Zürcher Zeitung. 23. Dezember 1981, S. 29 (PDF; 949 kB).
  • Rainer Diederichs: "Dieses Buch ist mein". Eine Exlibris-Sammlung im Archiv des Lesezirkels Hottingen. In: Librarium. Zeitschrift der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft. Band 26, 1983, S. 48–54, doi:10.5169/seals-388397.
  • Ernst Fischer: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Das Kaiserreich 1871-1918. Band 1, Nr. 3. Walter de Gruyter, 2001 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Irma Schurfer-Goeringer: Das Rheinfest des Lesezirkels Hottingen. In: Die Schweiz. Schweizerische illustrierte Zeitschrift. Band 6, 1902, doi:10.5169/seals-574666.
  • Conrad Ulrich: Der Lesezirkel Hottingen. In: Librarium. Zeitschrift der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft. Band 21, 1978, S. 189–193, doi:10.5169/seals-388307.
  • Conrad Ulrich: Der Lesezirkel Hottingen. Zürich 1981 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • M.W.: Die Chronik des Lesezirkels Hottingen. In: Die Schweiz. Schweizerische illustrierte Zeitschrift. Band 11, 1907, doi:10.5169/seals-576408.
  • O.W.: Die Tellenfahrt des Lesezirkels Hottingen. In: Die Schweiz. Schweizerische illustrierte Zeitschrift. Band 8, 1904, doi:10.5169/seals-574833.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ruedi Graf: Hans Bodmer. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  2. Ulrich: Der Lesezirkel Hottingen. 1978, S. 28–30, 190.
  3. Fischer 2001, S. 317, Anm. 11.
  4. Fischer 2001, S. 317, Anm. 11.
  5. Fischer 2001, S. 317.
  6. Ulrich: Der Lesezirkel Hottingen. 1978, S. 189.
  7. Ulrich: Der Lesezirkel Hottingen. 1978, S. 189.
  8. MM 3.40 RRB 1926/0662 im Staatsarchiv Zürich.
  9. Löschung im Handelsregister im Staatsarchiv Zürich.