Liga von Prizren

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die von der Liga von Prizren bestrebten Gebiete, die unter osmanischer Oberhoheit Autonomie bekommen und von Nachbarländern des Osmanischen Reiches verteidigt werden sollten.
Gründungsort in der Altstadt von Prizren

Die Liga von Prizren (albanisch 

Lidhja e Prizrenit

) war eine im Jahr 1878 im heutigen kosovarischen Prizren gegründete Vereinigung albanischer Intellektueller, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die im Frieden von San Stefano vorgesehene Aufteilung von Albanern bewohnter Gebiete unter Bulgarien, Montenegro und Serbien durch politischen und militärischen Druck zu verhindern. Darüber hinaus strebte sie die Vereinigung der vier osmanischen Vilâyets Yanya (Ioannina), Manastır (Bitola), İşkodra (Shkodra) und Kosova (Kosovo) zu einer administrativen Einheit an.[1]

Entstehung

Nach der Niederlage des Osmanischen Reiches im Russisch-Osmanischen Krieg 1878, in dem viele Albaner an Seite der Osmanen kämpften, wurde der Frieden von San Stefano unterzeichnet, der voraussah, dass diverse von Albanern bewohnten Gebiete unter slawischer Herschafft kommen. Es formierten sich spontan lokale albanische Verteidigungskomitees in den Vilâyets Shkodra, Kosova und Monastir.

Am 10. Juni 1878 versammelten sich über 300 albanische Delegierte in Prizren, um gemeinsam gegen die Abtretung albanischer Territorien an die Nachbarstaaten vorzugehen.[1] Die Versammlung gründete die Albanische Liga, die auch Liga von Prizren genannt wurde. 47 albanische Beys unterzeichneten am 18. Juni 1878 die sogenannte Kararname, die die politischen und kulturellen Interessen der Albaner zum Ausdruck brachte. Außenpolitische Ziele der Liga waren die Verhinderung von Gebietsabtretungen, die Rückgabe der besetzten osmanischen Gebiete, die Entsendung einer Delegation zum Berliner Kongress und eine Autonomie für die von Albanern bewohnten Gebiete innerhalb des Osmanischen Reichs. Eine ihrer ersten Maßnahmen war die Erstellung eines Memorandums an den Earl of Beaconsfield, den britischen Vertreter auf dem Berliner Kongress. In ihm formulierten sie:

“Just as we are not and do not want to be Turks, so we shall oppose with all our might anyone who would like to turn us in Slavs or Austrians or Greeks. We want to be Albanians.”

„Genauso, wie wir keine Türken sind oder sein wollen, werden wir uns mit all unserer Kraft jedem widersetzen, der aus uns Slawen, Österreicher oder Griechen machen will. Wir wollen Albaner sein.“

Liga von Prizren: Miranda Vickers: The Albanians. A modern history. London/New York 2014, ISBN 978-1-78076-695-9, S. 31

Während die vom Königreich Serbien besetzten Gebiete aufgegeben wurden, verteidigten die Truppen der Liga diejenigen Gebiete, die dem Fürstentum Montenegro zugesprochen worden waren, sowie die vom Königreich Griechenland beanspruchten Städte Janina und Preveza in der Region Epirus.

Mitglieder

Wichtigste Figur und Präsident der Liga von Prizren: Abdyl Frashëri

Zu den wichtigsten Mitgliedern der Liga gehörten Abdyl Frashëri, Sulejman Vokshi, Pashko Vasa, Idriz Seferi, Isa Boletini, Ymer Prizreni und viele weitere. Frashëri wurde zum Präsidenten der Liga, zum Vorsitzenden der Außenkommission und zum ausländischen Vertreter der albanischen Interessen gekürt. Vokshi übernahm die Finanzkommission und Vasa war Stellvertreter Frashëris im Ausland. Ymer Prizreni wurde zum Premierminister erwählt.

Kampf gegen montenegrinische Gebietsansprüche

Gruppenfotografie der Ligamitglieder (vor 1888); erste Reihe links der Heerführer Ali Pascha Gucia

Schon im August 1878 war der osmanische Vertreter der Kommission, die die neue montenegrinisch-osmanische Grenze festlegen sollte, von aufgebrachten Albanern in Gjakova ermordet worden. Montenegro forderte darauf 1879 die Räumung der Grenze von osmanischen Truppen, obwohl die genaue Grenze noch nicht gezogen worden war. Als die osmanischen Truppen abgezogen waren, besetzten Truppen der Liga unter Ali Pascha Gucia die Stadt Gucia. Nach Kämpfen im Winter 1879/80 – darunter die Schlacht von Nokšić – musste das Fürstentum Montenegro nach Niederlagen die Ansprüche auf Plava und Gucia aufgeben. Statt diesem Gebiet wurde Montenegro ein Landstreifen an der Cijevna zugesprochen, der jedoch ebenfalls nach dem Abzug der Türken von Albanern besetzt wurde. Nachdem sich im Gebiet etwa 10.000 Albaner versammelt hatten, forderten die Großmächte die türkische Regierung auf, entweder die Abtretung des Cijevna-Gebiets durchzusetzen oder die Stadt Ulqin mit einem Küstenstreifen an Montenegro abzutreten. Nach internationalem Druck entschied sich die türkische Regierung für die Abtretung von Ulqin und eroberte im November die Stadt gegen den Widerstand der Liga. Am 26. November rückten schließlich montenegrinische Truppen in die Küstenstadt ein.

Zerschlagung

Da die Liga die Abtretung von albanisch besiedeltem Gebiet nicht verhindern konnte, begann sie sich auf die Durchsetzung von innenpolitischen Forderungen zu konzentrieren. Diese waren von den nordostalbanischen Ligaführern in Prizren präsentiert worden und setzten sich vor allem für eine autonome Provinz der albanischen Landesteile mit albanischen Beamten ein. Dazu sollten die vier Vilâyets Yanya (heutige Stadt Ioannina), Kosova, Manastır und İşkodra (heutige Stadt Shkodra) in einer Provinz vereinigt werden, und die albanische Sprache als Verwaltungssprache eingeführt werden. Die Wahl des Walis dieser Provinz sollte der Sultan vornehmen, die Provinz-Einkünfte sollten zum Großteil in der Provinz verbleiben. Im Oktober 1880 wurden diese Punkte auch von Vertretern aus ganz Albanien in der Stadt Dibra angenommen.

Nachdem diese Reformvorschläge aber am Widerstand zentralistischer Kreise gescheitert waren, übernahm das Ligakomitee bis zum Frühjahr 1881 die Regierungsgewalt und die Verwaltung des Vilayet Kosovo. Die türkische Regierung reagierte mit der Entsendung von Truppen, die die Ligamitglieder verhaften und in entfernten Provinzen internieren ließ. Der Ligapräsident Abdyl Frashëri wurde sogar zum Tode verurteilt, doch seine Strafe wurde später abgemildert. Die Herrschaft der Liga war damit endgültig zerstört und die Folge war eine verstärkte kulturelle Emanzipation, die jedoch auch immer wieder von lokalen Unruhen begleitet war.

Einzelnachweise

  1. a b Miranda Vickers: The Albanians. A modern history. London/New York 2014, ISBN 978-1-78076-695-9, S. 27–29

Literatur

  • Peter Bartl: Albanien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg 1995, ISBN 3-7917-1451-1.
  • Peter Bartl: Die Albanischen Muslime zur Zeit der nationalen Unabhängigkeitsbewegung (1878-1912). Wiesbaden 1968.
  • Peter Bartl: Die Liga von Prizren im Lichte vatikanischer Akten. (Archiv der Propagandakongregation). In: Südost-Forschungen, 47 (1988) S. 145–186.
  • Skendi Stavro: The Albanian National Awaking 1878-1912. Princeton, New Jersey 1967, ISBN 0-691-05100-3.