Lina Carstens
Lina Carstens (* 6. Dezember 1892 in Wiesbaden; † 22. September 1978 in München) war eine deutsche Film- und Theaterschauspielerin.
Leben und Werk
Die Tochter eines Sägewerkbesitzers besuchte eine höhere Mädchenschule und nahm Schauspielunterricht bei Hans Oberländer in Wiesbaden. Carstens begann ihre Karriere als Schauspielerin 1911 am Hoftheater Karlsruhe, wo sie bis 1915 engagiert war. Während des Weltkriegs bis kurz danach gehörte sie dem Kabarett Retorte um den Schriftsteller Joachim Ringelnatz an.
In der Zeit vor bis nach dem Zweiten Weltkrieg war sie Mitglied verschiedener bedeutender Theaterensembles, so ab 1915 am Leipziger Schauspielhaus und von 1927 bis 1942 am Städtischen Theater Leipzig, zwischendurch 1919/20 am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, 1926/27 an den Münchner Kammerspielen und von 1937 bis 1944 an der Volksbühne in Berlin. Sie spielte vorwiegend resolute Frauengestalten wie Marthe Rull in Der zerbrochne Krug, Mutter Wolffen in Der Biberpelz sowie Charis in Amphitryon.
Ab 1922 arbeitete sie auch beim Film. Der Regisseur Douglas Sirk, zugleich ihr langjähriger Schauspieldirektor in Leipzig, gab ihr von 1935 an verschiedene Hauptrollen. Carstens stand 1944 in der Gottbegnadeten-Liste des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda.[1]
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sie ihre Karriere als Charakterschauspielerin fort. Am Theater Koblenz spielte sie 1945 die erste Mutter Courage auf einer deutschen Bühne in dem gleichnamigen Stück von Bertolt Brecht. Ab 1948 wirkte sie am Bayerischen Staatsschauspiel, seit 1958 war sie freie Schauspielerin.
Anders als beim Theater spielte sie im Film fast ausschließlich Nebenrollen als souveräne, alleinstehende Haushälterin, Zimmerwirtin oder Krankenschwester. In den 1960er und 1970er Jahren arbeitete sie überwiegend für das Fernsehen. So verkörperte sie in der ZDF-Frankreich-Rumänien TV-Koproduktion, dem Abenteuervierteiler von 1968/1969 Tom Sawyers und Huckleberry Finns Abenteuer die Tante Polly. In der ZDF-Fernsehserie Der Bastian hatte sie 1973 eine Rolle neben Horst Janson und Karin Anselm.
Ihr größter Erfolg wurde 1975 die Titelrolle in Lina Braake oder Die Interessen der Bank können nicht die Interessen sein, die Lina Braake hat, einer der wenigen gelungenen Komödien im Neuen Deutschen Film. Zudem arbeitete sie umfangreich als Synchronsprecherin und lieh u. a. Margaret Rutherford (in Blockade in London), Françoise Rosay (in Das Spiel war sein Fluch) und Helene Thimig (in Entscheidung vor Morgengrauen) ihre Stimme.
Seit der Gründung des Südwestfunks 1946 arbeitete sie neben ihrer künstlerischen Tätigkeit auch als Sprecherin für den Sender.[2]
Lina Carstens war von 1941 an bis zu dessen Tod 1970 mit dem Autor Otto Ernst Sutter verheiratet (zuvor mit Eugen Ortner laut Berliner Tageblatt, 9. April 1925). Sie starb in einem Münchner Krankenhaus und wurde auf der Nordsee seebestattet.
Ehrungen
- 1939 wurde sie zur Staatsschauspielerin ernannt.
- 1972: Deutscher Filmpreis: Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film.
- 1974: Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.
- 1975: Deutscher Filmpreis: Filmband in Gold (Darstellerin) für Lina Braake.
Filmografie (Auswahl)
- 1922: Leidendes Land
- 1924: Der Schönheitswettbewerb (Kurzfilm)
- 1924: Verkrachte Existenzen
- 1935: April, April!
- 1935: Das Mädchen vom Moorhof
- 1937: Zu neuen Ufern
- 1937: Der zerbrochene Krug
- 1937: Tango Notturno
- 1938: Heimat
- 1939: Mann für Mann
- 1939: Der ewige Quell
- 1940: Kriminalkommissar Eyck
- 1941: Ein Windstoß
- 1942: Hochzeit auf Bärenhof
- 1944: Der Engel mit dem Saitenspiel
- 1949: Der Ruf
- 1951: Dr. Holl
- 1951: Blaubart
- 1952: Ich heiße Niki
- 1952: Illusion in Moll
- 1952: Die große Versuchung
- 1953: Ein Herz spielt falsch
- 1953: Fanfaren der Ehe
- 1953: Heimlich, still und leise …
- 1954: Sauerbruch – Das war mein Leben
- 1954: Feuerwerk
- 1954: Die verschwundene Miniatur
- 1955: Gestatten, mein Name ist Cox
- 1955: Geliebte Feindin
- 1955: Himmel ohne Sterne
- 1956: Heute heiratet mein Mann
- 1956: Zärtliches Geheimnis, Alternativtitel: Ferien in Tirol
- 1958: Wir Wunderkinder
- 1958: Zum goldenen Ochsen
- 1958: Auferstehung
- 1958: Ich war ihm hörig
- 1959: Der Engel, der seine Harfe versetzte
- 1959: Ein Mann geht durch die Wand
- 1959: Die Wahrheit über Rosemarie
- 1959: Arzt ohne Gewissen
- 1960: Das schwarze Schaf
- 1960: Der Frieden unserer Stadt
- 1960: Gustav Adolfs Page
- 1962: Er kann’s nicht lassen
- 1962: Liebling, ich muß dich erschießen
- 1968: Tom Sawyers und Huckleberry Finns Abenteuer
- 1969: Asche des Sieges
- 1972–1974: Kara Ben Nemsi Effendi
- 1973: Tod auf der Themse
- 1973: Der Bastian (TV-Serie)
- 1974: Der Räuber Hotzenplotz
- 1974: Drei Männer im Schnee
- 1974: Derrick: Waldweg (1. Folge der FS-Serie Derrick)
- 1974: Lina Braake oder Die Interessen der Bank können nicht die Interessen sein, die Lina Braake hat
- 1975: Berlinger
- 1975: Haus ohne Hüter
- 1975: Der Kommissar, Folge: Fährt der Zug nach Italien?
- 1975: Sonderdezernat K1, Folge: Sackgasse
- 1976: Die Ilse ist weg
- 1977: Hans und Lene
- 1977: Haus der Frauen
- 1977: Heinrich
- 1978: Der Schimmelreiter
- 1978: Eurydike oder Das Mädchen von Nirgendwo
Hörspiele (Auswahl)
- 1957: Charles Dickens: Die Glocken von London (Dorothy Chickenstalker) – Regie: Hanns Korngiebel (SWF/RIAS Berlin / RB)
- 1961: Georges Simenon: Maigret und der gelbe Hund. Bearbeitung: Gert Westphal. Regie: Heinz-Günter Stamm (Hörspiel – BR) Der Audio Verlag 2005. ISBN 978-3898133906.
- 1966: Rolf Schneider: Zwielicht (Sie) – Regie: Otto Kurth (Original-Hörspiel – BR/WDR/HR)
- 1967: Eduard von Keyserling: Abendliche Häuser – Regie: Fritz Schröder-Jahn (Hörspiel – BR)
- 1974: Pierre Frachet: Abélard und Héloise – Regie: Otto Kurth (Kriminalhörspiel – SDR)
- 1975: Ellis Kaut: Meister Eder und sein Pumuckl: Der erste Schnee – Regie: Alexander Malachovsky[3]
Literatur
- Thomas Blubacher: Lina Carstens. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 1, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 348.
- Gerke Dunkhase: Lina Carstens – Schauspielerin. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 28, 1996.
- C. Bernd Sucher (Hg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 1995, 2. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 108.
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 2: C – F. John Paddy Carstairs – Peter Fitz. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 7 f.
Weblinks
- Literatur von und über Lina Carstens im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Lina Carstens in der Internet Movie Database (englisch)
- Lina Carstens bei filmportal.de
- Lina Carstens in der Deutschen Synchronkartei
- Lina Carstens bei cyranos.ch
- Lina Carstens auf wiesbaden.de
Einzelnachweise
- ↑ Carstens, Lina. In: Theodor Kellenter: Die Gottbegnadeten : Hitlers Liste unersetzbarer Künstler. Kiel: Arndt, 2020 ISBN 978-3-88741-290-6, S. 239
- ↑ Stadtarchiv Gengenbach, Bestand Altakten, Signatur 203531
- ↑ Der erste Schnee - Die Pumucklhomepage. Abgerufen am 24. April 2017.
Personendaten | |
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NAME | Carstens, Lina |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Film- und Theaterschauspielerin |
GEBURTSDATUM | 6. Dezember 1892 |
GEBURTSORT | Wiesbaden |
STERBEDATUM | 22. September 1978 |
STERBEORT | München |