Liste ägäischer Ortsnamen vom Totentempel Amenophis III.

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Die Liste ägäischer Ortsnamen vom im 14. Jahrhundert v. Chr. errichteten Totentempel Amenophis III. (auch: Liste EN) in Kom el-Hetan (heute arabisch كوم الحيطان 

Kōm/Kaum al-Ḥīṭān

) ist eine altägyptische Liste, die Ortsnamen aus dem Ägäisraum auflistet. Die Inschrift wurde 1965 in der Nekropole von Kom el-Hetan in Theben-West gefunden und befindet sich auf dem Sockel einer Statue im nördlichen Säulenhof. Sie gehört zu einer Serie mehrerer Ortsnamenlisten, die im Totentempel entdeckt wurden.

Inschrift

Die Inschrift läuft in 17 Spalten von links nach rechts, wobei die Inschriften der letzten beiden Spalten verloren sind und die drittletzte unleserlich ist. Die ersten beiden Spalten (a,b) schauen nach links und zeigen die Namen Keftiu und Tanaja. Es wird angenommen, dass damit die Länder Kreta und Griechenland gemeint sind und danach einzelne Orte dieser Länder bezeichnet werden. Diese Deutung der Liste wird in der Forschung allgemein anerkannt, wenn auch mit Vorbehalt.

Rechts der Spalte a folgen mehrere Spalten, die alle nach rechts schauen und Ortsnamen enthalten. Die ersten drei Ortsnamen (1,2,3) wurden nachträglich abgeändert. Ein Ortsname kommt zweimal vor (1,11). Die Identifizierung der einzelnen Orte mit mykenischen und antiken Ortsnamen ist nicht völlig gesichert und teilweise umstritten. Am sichersten sind Knossos und Amnisos, da sie benachbart liegen und in der Liste nacheinander genannt werden, auch Kydonia und Kythera werden allgemein anerkannt. Alle anderen Namen werden aus verschiedenen Gründen als weniger sicher betrachtet. Am unsichersten ist der Name Wilaja (?), für den verschiedene Orte auf Kreta vorgeschlagen werden, so das antike Elaea (ev. bei Phalasarna) in Westkreta oder etwas attraktiver das antike Heleia (Ἥλεια) bei der bronzezeitliche Stadt Palaikastro in Ostkreta. Andere Forscher schlagen Elis (Ἦλις, eleisch: Ϝαλις /Wālis/) in der Peloponnes vor oder gar Ilion-Troia (Ἴλιον < *Wilion). Die letztere Deutung ist aber höchst unwahrscheinlich.[1] Zudem werden noch die beiden mykenischen Ortsnamen wa-e-ro[2] und wi-ja-er-ra2[1] vorgeschlagen, die nicht sicher lokalisiert werden können, aber im Reich von Pylos lagen.

Schließlich wird unleserlich Spalte 13 manchmal als **Sitaja ergänzt, einem kretischen Ortsnamen, was aber spekulativ ist.

Nur vier Namen zeigen das Zeichen „Fremdland“, nämlich Keftiu (a), Mezana (6), Nauplia (7) und Kutira (8). Es besteht die Möglichkeit, dass diese vier Namen Ländernamen sind, während die anderen Städte bezeichnen. Dann müsste Nauplia aber neu gedeutet werden, da bis dahin nur eine Stadt dieses Namens bekannt ist.

Zwei 2004 ausgegrabene Fragmente (FN; GN) nennen möglicherweise Ionien und weitere Namen im Ägäisraum.

Liste EN

Über den 17 Spalten mit den Ortsnamen steht die Überschrift: „Fremdländer weit im Norden von Asien“. Da die Spalten a und b nach links schauen, ist Spalte b am linken Rand und Spalte 1 schließt sich an Spalte a an.

Spalte Inschrift Transkription silbische Umschrift myk. Name antiker Name Identifizierung und Bemerkungen
    Fremdländer weit im Norden von Asien
a. <hiero>k:I9-U33-w-N25</hiero> k-f-tj-w Fremdland ka-f-tu - Κρήτη Kreta, vgl. akkad. Kaptara, bibl. Kaphtor
b. <hiero>U33-M17-N35:G1-M17-M17-G43</hiero> tj-n3-jj-w ta-na-ju oder ta.na-ja - Δαναοί Danaer sind bei Homer eine von mehreren Bezeichnung der Griechen vor Troia. Gemeint ist mit Tanaju sehr wahrscheinlich der mykenisch geprägte Teil des griechischen Festlands
1. <hiero>M17-A2-D38-N35:Z4-M8</hiero> []ʿ-m-nj-š3 ʿa-m-ni-ša a-mi-ni-so
Amnīsos
Άμνισός Amnisos, kret. Hafen mit myk. Überresten
1b.   über
[]ʿ-m-k-ra
ʿa-m-k-la - Ἀμύκλαι Amyklai, Heiligtum in Lakonien, das bis in die Bronzezeit zurückgeht
2. <hiero>b-G29-M17-M17-M8</hiero> b3-jj-š3-tj bi-ja-š-ta pa-i-to
Phaistos
Φαιστός Phaistos, kret. Stadt mit einem minoischen Palast
2b.   über b3-j-š3-jj
oder b3-i-s3tjj
bi-ša-ja pi-sa2
Pīswā
Πῖσα ev. die pylische Provinz Piswa oder die Pisatis in Elis.
3. <hiero>kA:Z1-X1:G43-N35:G1-M17-M17</hiero> k3-tw-n3-jj ku-tu-na-ja ku-do-ni-ja
Kudōniā
Κυδωνία Kydonia, kret. Stadt, mit myk. Palast
3b.   über
k3-tw-mj-[]-ra
ku-tu-mi-[]-ra -   unklar
4. <hiero>D37:G43-k-M17-N35:Z7</hiero> mw-k-jʿ-nw mu-k-ʿa-nu (*Mukānā) Μυκῆναι Mykene, myk. Palast
5. <hiero>D46:Z4-N29:G1-A28-M17-G1:z</hiero> dj-q3j-j3-z di-qa-ja-s te-qa
Thēguai
Θῆβαι Theben in Böotien, myk. Palast. Da Theben etwas fernabliegt, wird auch eine Identifizierung mit Tegea (Τεγέα) in Arkadien erwogen.[1]
6. <hiero>D37:Z4-U28-G1-N35-M17-G1-N25</hiero> mj-ḏ3-n3-j Fremdland mi-ḏa-na-j me-za-na
Medzānā
Μεσσάνα Eventuell Messene, was aber unsicher ist, da das antike Messene erst im 4. Jh. v. Chr. gegründet und bis jetzt noch keine myk. Objekte gefunden wurden. Das Zeichen „Fremdland“ deutet aber möglicherweise auf einen Landesnamen hin, also könnte Messenien gemeint sein.
7. <hiero>W24:Z1-p:Z1*Z1-r:Z1-M17-M17-N25</hiero> nw-pj-r3-j-jj Fremdland nu-pi-ra-ja na-u-pi-ri-jo
Nauplioi Ethn.
Ναυπλία Nauplia, Hafen in der Argolis mit mykenischen Funden. Es wurde auch vorgeschlagen, dass Tiryns einst diesen Namen trug. Das Zeichen „Fremdland“ deutet aber möglicherweise auf einen Landesnamen hin und kann dann nicht sicher identifiziert werden.
8. <hiero>kA:Z1-U33:Z4*M17-r:Z1-N25</hiero> k3-tj-j-rʿ Fremdland ku-ti-ra ku-te-ra3
Kuthērai Ethn.
Κύθηρα die Insel Kythera mit myk. Funden
9. <hiero>V4-N18:N21*Z1-r-M17*M17:Z4</hiero> w3-jw-r-jj-j wa-i-ra-ja - - unklar; vorgeschlagen werden diverse Orte auf Kreta oder in der Peloponnes sowie Ilion-Troia (Ἴλιον < *Wilion); siehe oben.
10. <hiero>kA:Z1-N35:M17*M17*G43-M8:G1</hiero> k3-jn-jw-š3 ku-nu-ša ko-no-so
Knōsos
Κνωσός Knossos auf Kreta, minoischer Palast, nach myk. Eroberung Kretas weitergenutzt.
11. <hiero>M17-A2-D38-N35:Z4-M8:G1</hiero> jʿ-m-nj-š3 ʿa-m-ni-ša a-mi-ni-so
Amnīsos
Άμνισός siehe Spalte 1
12. <hiero>r:Z4-k:G1-U33:M17</hiero> rj-k3-tj ri-ka-ta ru-ki-to
Luk(i)tos/Lukistos?
Λύκτος Lyktos, kret. Stadt. Der myk. Name könnte aber eher mit Lykastos identisch sein.
13.   []-j[]-t3-[] - - - Die Inschrift ist nur teilweise leserlich und kann nicht identifiziert werden.
14. verloren
15. verloren

Listen FN und GN

Zwei Fragmente, die bei den Grabungen der Jahre 2004/05 zum Vorschein kamen, nennen ebenfalls weitere geographische Namen. Die Listen werden mit FN (2 Namen erkennbar) und GN (5 Namen erkennbar) bezeichnet. Obwohl die Inschriften offensichtlich nicht fertiggestellt wurden, weist der Kontext auf Gebiete nördlich von Ägypten, also Ägäis und Anatolien.

Die genaue Lokalisierung und Identifizierung dieser Namen ist problematisch, da die Namenskartuschen teilweise unten abgebrochen sind. Die ersten Publikationen identifizierten die Toponyme mit wohlbekannten Namen wie Groß-Ionien, Luwien, Mitanni und Naharina.[3] oder Adana und Tarsus[4] Heute wird nur noch die Lesung „Groß-Jonien“ als einigermaßen gesichert betrachtet. Daneben werden nochmals die Danaer genannt.

Spalte Inschrift Transkription silbische Umschrift mögliche Deutung
FN x+1 <hiero>X1-M17-N35</hiero> tj-n-[3-jj-w] ta-na-ji Danaer, wie in Liste EN, nach Haider Danaja (= östl. Peloponnes)[5]
FN x+2 <hiero>N37-Z1-W11-D21</hiero>
oder
<hiero>N37-Z1-Q3-D21</hiero>
š-g-r-[ ] oder
š-p-r-[ ]
ša-g/par/l… nach Haider Šakarita in Anatolien; Šaparanta bei Tyana oder Šaparašana od. Šaparima in Anatolien; oder ähnlicher Ortsname in der Ägäis[5] (vgl. SU-KI-RI-TA)
GN x+1   [ ]    
GN x+2 <hiero>D21*Z1:M17*A17-V4*G43:N35-G1</hiero> ra-ʿa-w3-3-n-3 r/la-wa-na; Luwana/Lamena in Kilikien oder ein unbekannter Ort im Ägäisraum. Die Deutung als „Luwien“ wird aus lautlichen Gründen nicht mehr anerkannt.
GN x+3 <hiero>M17*M17*G43-N35:Z1*Z1:D36-D36:Y1</hiero> jj-w-nj-ʿ3Det.-ʿ3 ju-ni-a/ ja-wa-ni-a (oä.) Groß-Ionien, nach einigen Ionien in Westanatolien, nach Haider eher Mittelgriechenland.[5]
GN x+4 <hiero>G20-D46-G43-N35</hiero> mʿ-d-w-n-[ ] ma-du-na-[ ] Maddunašša, eine Grenzstadt von Mira in Anatolien oder ein Ort im Ägäisraum
GN x+5   [ ]    

Literatur

  • Michael C. Astour: Aegean Place-Names in an Egyptian Inscription. In: American Journal of Archaeology, Band 70, 1966, S. 313–317 (online bei www.jstor.org).
  • John Strange: Caphtor/ Keftiu: A New Investigation (= Acta Theologica Danica. Band 14). Brill, Leiden 1980, ISBN 90-04-06256-4.
  • Wolfgang Helck: Die Beziehungen Ägyptens und Vorderasiens zur Ägäis bis ins 7. Jahrhundert v. Chr. 2. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, ISBN 978-3-534-12904-1.
  • Elmar Edel, Manfred Görg: Die Ortsnamenlisten im nördlichen Säulenhof des Totentempels Amenophis III. Hanstein, Bonn 2005, ISBN 978-3-447-05219-1.
  • Eric H. Cline & Steven M. Stannish: Sailing the Great Green Sea? Amenhotep III’s “Aegean List” from Kom el-Hetan, Once More. Journal of Ancient Egyptian Interconnections, Vol. 3:2, 2011, 6–16. (online; academia.edu).
  • John Bennet: The Geography of the Mycenaean Kingdoms. In: Yves Duhoux, Anna Morpurgo Davies (Hrsg.): A Companion to Linear B. Mycenaean Greek Texts and their World. Band 2, Peeters, Louvain 2011, ISBN 978-90-429-2403-1, S. 137–168.
  • Peter W. Haider: War ein „Groß-Ionien“ tatsächlich um 1360 v. Chr. in Westkleinasien existent? In: Klio, Band 90, Nummer 2, 2008, S. 291–306.

Einzelnachweise

  1. a b c John Bennet: The Geography of the Mycenaean Kingdoms. Louvain 2011, S. 160.
  2. M. C. Astour: Aegean Place-Names in an Egyptian Inscription. 1966, S. 315.
  3. H. Sorouzian, R. Stadelmann: Die älteste Erwähnungen von Ioniern und Danaern. In: Antike Welt. (AW) Band 36, Nr. 6, 2005, S. 79–83.
  4. M. Görg: Ionien und Kleinasien in früher außerbiblischer Bezeugung. In: Biblische Notizen. Neue Folge, Band 127, 2005, S. 5–10.
  5. a b c Peter W. Haider: War ein „Groß-Ionien“ tatsächlich um 1360 v. Chr. in Westkleinasien existent? In: Manfred von Clauss, Peter Funke, Hans-Joachim Gehrke (Hrsg.): Klio. Beiträge zur Alten Geschichte. Band 90, Heft 2, 2008, ISSN 0075-6334, S. 291–306.