Luftspinnverfahren (Drahtseil)

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Zeichnung aus Roeblings Patent N° 4945

Das Luftspinnverfahren ist ein Verfahren zur Herstellung von Paralleldrahtseilen für die Tragkabel einer Hängebrücke.

Diese Bezeichnung ist eigentlich ein falscher Ausdruck, da die Drähte parallel gelegt und nicht verdreht (gesponnen) werden. Mit dem Luftspinnverfahren der Textilindustrie hat es nichts zu tun.

Zunächst werden für die Arbeiter über die Pylone führende schmale Laufstege (Catwalks) eingerichtet, die den gleichen Durchhang wie die zukünftigen Tragkabel haben. Dann wird über jedem Catwalk ein umlaufendes endloses Schleppseil installiert, das von einer Antriebsrolle an einem Ende der Brücke (Ankerblock) angetrieben und um eine Umlenkrolle am anderen Ende geführt wird.

Die große Haspel mit dem Stahldraht für die Brücke wird bei ihrem Ende aufgestellt; das freie Ende des Drahtes wird daneben am Ankerblock befestigt. Der Draht wird in einer Schlaufe über eine Rolle gehängt, die unter dem Schleppseil befestigt ist. Die Rolle wird vom Schleppseil über die Pylone gezogen und wickelt dabei den Draht von der Haspel, während sein Ende nach wie vor am Ankerblock befestigt ist. Am anderen Ende wird die Drahtschlaufe über den Kabelsattel gehängt, die Rolle wird vom Schleppseil zurückgezogen und wickelt dabei weiteren Draht von der Haspel ab. Diese Schlaufe wird beim ersten Ankerblock über einen Kabelsattel gehängt und der Vorgang beginnt von Neuem.[1]

Die Drähte werden dann nebeneinander ausgerichtet, zu Strängen gebündelt, von Seilpressmaschinen unter hohem Druck zum Tragkabel verdichtet und anschließend ummantelt.

Dieses Verfahren kann bei großen Hängebrücken mehrere Monate dauern. Bei der Golden Gate Bridge dauerte das Luftspinnverfahren für beide Tragkabel sechs Monate und neun Tage. Dabei wurden für jedes Tragkabel 27572 Drähte über die Pylone gezogen.

John Augustus Roebling entwickelte das Verfahren zur Praxisreife und erhielt in den USA dafür ein Patent,[2] wobei er sich auf Vorarbeiten von Louis-Joseph Vicat stützen konnte.

Einzelnachweise

  1. Gerhard Mehlhorn, Manfred Curbach (Hrsg.): Handbuch Brücken. 3. Auflage, Springer-Vieweg, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-658-03339-2, S. 605 und S. 607, Bild 6.7–2
  2. Patent US4945: Apparatus for passing suspension-wires for bridges across rivers. Angemeldet am 26. Januar 1847, Anmelder: John A. Roebling, Erfinder: John A. Roebling.