Malum morale

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Im Kontext seiner Bearbeitung der Theodizeefrage entwarf Gottfried Wilhelm Leibniz auf der Grundlage der Argumentation des Aurelius Augustinus das Konzept der drei Übel, die alles Leid in der Welt begründen: Das malum physicum, das durch natürliche Ursachen herbeigeführt wird (z. B. durch Erdbeben, Flutwellen, Vulkanausbrüche etc.), das malum metaphysicum, das die grundsätzliche Mangelhaftigkeit der Schöpfung nach dem Sündenfall bedingt ist und das malum morale, das auf das willentliche und bewusste böswillige Handeln des menschlichen Individuums zurückzuführen ist.

Man kann das Uebel metaphysisch, physisch und moralisch auffassen. Das metaphysische Uebel besteht in der einfachen Unvollkommenheit; das physische Uebel in den Schmerzen und das moralische Uebel in der Sünde. Obgleich das physische und moralische Uebel nicht nothwendig sind, so genügt deren Möglichkeit in Folge der ewigen Wahrheiten, und da diese ungeheure Region von Wahrheiten alle Möglichkeiten befasst, so muss es der möglichen Welten unendlich viele geben, und das Uebel muss in mehreren derselben mit eingehen und selbst die beste muss dessen enthalten. Dies ist es, was Gott bestimmt hat, das Uebel zuzulassen.[1]

Bei Augustinus findet sich die folgende Passage, in die Rolle des Willens im Zustandekommen des moralischen Übels (i.e. der Sünde) hervorgehoben wird:

Und ich bemühte mich einzusehen, was ich gehört hatte: die freie Willensentscheidung sei die Ursache unserer Sünden und dein gerechtes Gericht die Ursache unserer Leiden; aber ich konnte das nicht klar einsehen. Ich versuchte, das Auge meines Geistes aus der Tiefe emporzuheben, doch ich sank wieder hinein, und so oft S. 134 ich es wiederholte, erging es mir immer wieder so. Es hob mich nämlich zu deinem Lichte empor das Bewußtsein, ebenso einen Willen wie das Leben selbst zu haben. Wenn ich daher etwas wollte oder nicht wollte, so war ich ganz sicher, daß niemand anders als ich es wollte oder nicht wollte, und immer mehr wurde mir offenbar, daß darin der Grund meiner Sünde liege.[2]

Anmerkungen

  1. G.W. Leibniz: Die Theodizee. Übersetzt von J.H. v. Kirchmann, Holzinger: Berlin 2003 (=Nachdruck der Ausgabe von Dürr, Leipzig 1879), 91.
  2. Aurelius Augustinus: Bekenntnisse VII, 3.