Mere-Exposure-Effekt

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Mit Mere-Exposure-Effekt bezeichnet man in der Psychologie den Befund, dass allein die wiederholte Wahrnehmung einer anfangs neutral beurteilten Sache ihre positivere Bewertung zur Folge hat.

Zum Beispiel lässt die Vertrautheit mit einem Menschen diesen attraktiver und sympathischer erscheinen.[1] Der Mere-Exposure-Effekt tritt nicht auf, wenn die Bewertung beim ersten Kontakt negativ ausfiel; in diesem Fall wird durch wiederholte Darbietung die Abneigung stärker.[2]

Der Effekt tritt auch bei unterschwelliger Wahrnehmung auf, das heißt, es spielt keine Rolle, ob sich die Person des Kontakts bewusst ist oder nicht.[3] Deshalb wird er auf Deutsch auch Effekt des bloßen Kontakts genannt.

Entdeckt wurde er 1968 von Robert Zajonc.

Beispiele

  • Je mehr Kontakt Menschen haben (auch zufällig), umso wahrscheinlicher werden sie Freunde.[4] Dies zeigte auch eine Untersuchung von Leon Festinger, Stanley Schachter und Kurt Back (1950) am MIT, die eine Beziehung zwischen der räumlichen Anordnung von Wohnheimzimmern und den Freundschaftsverhältnissen ihrer Bewohner zeigen konnten.
  • Im Experiment von Moreland und Beach (1992) nahmen Konfidenten (eingeweihte Helfer des Versuchsleiters) an 0 (Kontrollgruppe) bis 15 Terminen eines Hochschulseminars teil. Anschließend wurde die Attraktivität ihrer Persönlichkeit von den übrigen Seminarteilnehmern bewertet. Es gab einen linearen Zusammenhang zwischen Anzahl der Teilnahmen und Sympathie.[5]
  • Werden Hühnereier regelmäßig mit einem bestimmten Ton beschallt, führt dieser Ton bei den geschlüpften Küken zu einer Verminderung von Stress.[6]

Theoretischer Hintergrund

Zajonc’ eigene Erklärung des Effekts ist evolutionspsychologisch. Er schreibt: „Die Konsequenzen wiederholter Darbietung nutzen dem Organismus in seinen Beziehungen zur unmittelbaren belebten und unbelebten Umwelt. Sie erlauben dem Organismus, zwischen sicheren und gefährlichen Dingen und Biotopen zu unterscheiden, und sie bilden die primitivste Grundlagen für soziale Bindungen. Daher bilden sie die Basis für soziale Organisation und Zusammenhalt – die grundlegenden Quellen psychologischer und sozialer Stabilität.“[7] In diesem Sinne beruht der Effekt mindestens zum Teil auf dem Erlernen eines Sicherheitsreizes im Sinne der Klassischen Konditionierung.

Außerdem führt Familiarität zu einer erhöhten Reiz-Verarbeitungsflüssigkeit, „Fluency“, d. h. die Verarbeitung wird schneller, leichter und effizienter.[8] Fluide Verarbeitung geht mit positivem Affekt, also einem leicht guten Gefühl einher, was zu einer positiveren Bewertung des häufig verarbeiteten Stimulus zu führen scheint.[9]

Zudem scheint es, dass nicht der Stimulus an sich den Mere-Exposure-Effekt erzeugt, sondern die motorischen Repräsentationen, die mit dem Stimulus mitaktiviert werden.[10]

Mere-Exposure-Effekte werden durch die Art der Darbietung der Stimuli beeinflusst. So erhöht beispielsweise die Anzahl der Darbietungen des Stimulus, die Dauer und die Sequenz den Effekt oder die Positivität der Bewertung.

Anwendung im Marketing

Im Marketing führt dieser Effekt zu der Erkenntnis, dass beispielsweise kurze, mehrmalige Wiederholungen einer Produktwerbung mittelfristig dazu führen, dass ein beworbenes Produkt oder eine Dienstleistung positiver vom Konsumenten wahrgenommen wird (auch unbewusst).

Anwendung in Theorien zur Partnerwahl

Die Theorie, dass mehrmalige Begegnungen mit einer Person des bevorzugten Geschlechts die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass man diese attraktiv findet, ergänzt Ansätze über den Einfluss räumlicher Nähe und den Einfluss von genereller Ähnlichkeit der Interessen. Beides, Nähe und Ähnlichkeit in den Interessen, führt zu vermehrten Begegnungen.

Siehe auch

Literatur

  • Robert Zajonc: Attitudinal Effects of Mere Exposure. Journal of Personality and Social Psychology, 1968, 9, 2, 1–27.
  • R. F. Bornstein: Exposure and affect: Overview and meta-analysis of research, 1968–1987. Psychological Bulletin, 1989, 106, 265–289.
  • X. Fang, S. Singh, R. AhluWalia: An Examination of Different Explanations for the Mere Exposure Effect. Journal of Consumer Research, 2007, 34, 97–103.

Einzelnachweise

  1. Moreland & Zajonc (1982): Exposure effects in person perception: Familiarity, similarity, and attraction. Journal of Experimental Social Psychology, 18, S. 395–415
  2. Rita Faullant: Psychologische Determinanten der Kundenzufriedenheit. Der Einfluss von Emotionen und Persönlichkeit. Deutscher Universitäts-Verlag, 2007, ISBN 3-8350-0668-1
  3. Daniel Kahneman: Thinking, fast and slow, Allen Lane Paperback, ISBN 978-1-846-14606-0, S. 67
  4. Berscheid & Reis (1998). Attraction and close relationships. In: Gilbert, Fiske & Lindzey (Hgg.): The handbook of social psychology. New York: McGraw-Hill
  5. Moreland & Beach (1992): Exposure effects in the classroom: The development of affinity among students. Journal of Experimental Social Psychology, 28, S. 255–276
  6. D. W. Rajecki: Effects of Prenatal Exposure to Auditory or Visual Stimulation on Postnatal Distress Vocalization in Chicks. Behavioral Biology 11, 1974, S. 525–536
  7. im Original: „The consequences of repeated exposure benefit the organism in its relations to the immediate animate and inanimate environment. They allow the organism to distinguish objects and habitats that are safe from those that are not, and they are the most primitive basis of social attachments. Therefore, they form the basis for social organization and cohesion – the basic sources of psychological and social stability“. Zitiert nach: Daniel Kahneman: Thinking, fast and slow, Allen Lane Paperback, ISBN 978-1-846-14606-0, S. 67
  8. R. Reber, P. Winkielman, N. Schwarz: Effects of perceptual fluency on affective judgments. Psychological Science, 9, 1998, 45–48
  9. R. Reber, P. Wurtz, T. D. Zimmermann: Exploring „fringe“ consciousness: The subjective experience of perceptual fluency and its objective bases. Consciousness and Cognition, 13, 2004, 47–60
  10. S. Topolinski, Fritz Strack: Motormouth: Mere Exposure Depends on Stimulus-Specific Motor Simulations. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition. 2009, 35 (2), 423–433.