Milesisches System

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͵βκβʹ
2022 dargestellt als milesische Zahl

Das Milesische System ist ein Zahlensystem, das im antiken Griechenland sowie in Byzanz verwendet wurde. Es wird auch als „alphabetisches Zahlensystem“ bezeichnet. Es teilt das Alphabet in drei Gruppen von je neun Zeichen für die Darstellung der Einer, der Zehner und der Hunderter ein. Erst im 14. Jahrhundert wurde es im byzantinischen Reich durch das indisch-arabische Zahlensystem abgelöst. Letzteres setzte sich – vor allem durch die Arbeit von Adam Ries – schließlich auch gegen das römische Zahlensystem durch.

Griechenland

In der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. wurden die ersten drei der aus jeweils neun Ziffern bestehenden hieratisch-demotischen Zahlenreihen durch die Buchstaben des Alphabets ersetzt. Um die benötigte Gesamtzahl von 3 × 9 = 27 Zeichen zur Verfügung zu haben, wurden zum Zweck der Zahlendarstellung drei zusätzliche Zeichen aufgenommen:[1]

  • 006 = Digamma
    Es entspricht dem lateinischen F. Als Minuskel wird die Wortende-Variante des Sigmas (ς) zusammen mit einem Tau (τ) als Ligatur (ϛ) verwendet, die auch als Stigma gedeutet wird. In heutigen Druckwerken wird meistens die Buchstabenkombination sigma-tau (στ) verwendet.
  • 090 = Koppa
    Das ist das alte Qoph, also das lateinische Q. Ursprünglich geschrieben in der Form ϙ, später auch in der Schreibform: ϟ.
  • 900 = Sampi
    Sampi oder Tsampi entspricht dem phönizischen Sade (San), sowie dem hebräischen Tzade; grafisch im Griechischen: ϡ.

Mit diesen 27 Zeichen und den ihnen fest zugeordneten Zahlwerten ließen sich durch additive Verbindung von Einern, Zehnern und Hundertern bereits die Zahlen 1 bis 999 schreiben, also 8 = η (Eta), 88 = πη (Pi + Eta = 80 + 8), 318 = τιη (Tau + Iota + Eta = 300 + 10 + 8). Ein Zeichen für die Null gab es nicht und war für die Zwecke der Zahlschreibung auch nicht erforderlich, indem man etwa 200 = σ (Sigma), 202 = σβ (Sigma + Beta = 200 +2), 220 = σκ (Sigma + Kappa = 200 + 20) schrieb.

α β γ δ ε ϝ/ϛ ζ η θ
1 2 3 4 5 6 7 8 9
ι κ λ μ ν ξ ο π ϟ
10 20 30 40 50 60 70 80 90
ρ σ τ υ φ χ ψ ω ϡ
100 200 300 400 500 600 700 800 900

Um die Zahlen im Schriftbild von Wörtern zu unterscheiden, wurden Erstere in den Handschriften meist mit einem Strich überschrieben, beispielsweise = 310. Ist die Identität als Zahl aber klar, wird darauf auch manchmal verzichtet. Im Zeitalter des Buchdrucks hat sich ein Apostroph  ʹ  (δεξιά κεραία) hinter der letzten Ziffer eingebürgert.

Auch die Zahlen ab 1000 können mit alphabetischen Zahlenzeichen dargestellt werden. Dazu wurde der erste Zahlbuchstabe durch Hinzufügung eines diakritischen Zeichens mit Tausend multipliziert. Handschriftlich verwendet man meist ein Zeichen, das in Form eines kleinen nach links offenen Hakens, links oben vor der Ziffer steht. Im Buchdruck hat sich dafür der tiefgestellte Apostroph  ͵  (αριστερή κεραία) durchgesetzt.

Zahlenwerte
hebräisch Wert griechisch
Aleph א 1 Alpha α
Beth ב 2 Beta β
Gimel ג 3 Gamma γ
Daleth ד 4 Delta δ
He ה 5 Epsilon ε
Waw ו 6 Digamma ϝ
Zajin ז 7 Zeta ζ
Chet ח 8 Eta η
Tet ט 9 Theta θ
Jod י 10 Iota ι
Kaph כ 20 Kappa κ
Lamed ל 30 Lambda λ
Mem מ 40 My μ
Nun נ 50 Ny ν
Samech ס 60 Xi ξ
Ajin ע 70 Omikron ο
Pe פ 80 Pi π
Tzade צ 90 Qoppa ϟ
Koph ק 100 Rho ρ
Resch ר 200 Sigma σ
Schin ש 300 Tau τ
Taw ת 400 Ypsilon υ
Kaph (final) ך 500 Phi φ
Mem (final) ם 600 Chi χ
Nun (final) ן 700 Psi ψ
Pe (final) ף 800 Omega ω
Tzade (final) ץ 900 Sampi ϡ

Hebräische Zahlschrift

Auch die Hebräische Zahlschrift verwendet dieses System. Die Ähnlichkeiten in der Bezeichnung der Buchstaben und die weitgehende Übereinstimmung bei den Zahlenwerten erklären sich teilweise durch den gemeinsamen Ursprung des griechischen und des hebräischen Alphabets in der phönizischen Schrift.

Andere Verwendung

Bis in die heutige Zeit wird das Milesische System in der Zahlensymbolik, insbesondere in der Gematrie verwendet. Die Forschung nimmt an, dass diese Verwendung vor allem auf griechische Einflüsse zurückgeht, da die pythagoreische Zahlenmystik weit verbreitet war.[2] Dabei gibt es verschiedene Entwicklungsströmungen auch in der Kabbalistik bis hin zur hermetischen Kabbala und anderen esoterischen Strömungen. Ein oft zitiertes Beispiel sind die Lieder von König Salomo:

  • 1 Kön 5,12 EU berichtet, dass der weise König Salomo 1.005 Lieder gedichtet hat. Dies entspricht der Summe des Zahlenwerts der hebräischen Buchstaben שיר למלך שלמה, welche „Lieder von König Salomo“ bedeuten.[3]

Literatur

  • Karl Menninger: Zahlwort und Ziffer – eine Kulturgeschichte der Zahl. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. Band 2. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1958, S. 76–79 (Digitalisat).
  • Hans Wußing: 6000 Jahre Mathematik – eine kulturgeschichtliche Zeitreise. Band 1. Springer, Berlin / Heidelberg 2008, S. 151–154.

Einzelnachweise

  1. std.dkuug.dk (PDF; 250 kB)
  2. O. Böcher: Gematrie, Sp. 777.
  3. כ = ך; vgl. Carl Steuernagel: Die Zahl der Sprüche und Lieder Salomos (1. Reg 5,12). In: ZAW 30, 1910, S. 70 f. Zu den „3.000 Sprüchen“ Salomos in Vers 12 verweist Steuernagel darauf, dass die Summe der in im folgenden Vers genannten Naturerscheinungen (bei Pleneschreibung eines Wortes) den Zahlenwert 3.000 ergibt.