Streuungsmaß (Statistik)

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Streuungsmaße, auch Dispersionsmaße (lateinisch dispersio „Zerstreuung“, von dispergere „verteilen, ausbreiten, zerstreuen“) oder Streuungsparameter genannt, fassen in der deskriptiven Statistik verschiedene Maßzahlen zusammen, die die Streubreite von Werten einer Stichprobe beziehungsweise einer Häufigkeitsverteilung um einen geeigneten Lageparameter herum beschreiben. Die verschiedenen Berechnungsmethoden unterscheiden sich prinzipiell durch ihre Beeinflussbarkeit beziehungsweise Empfindlichkeit gegenüber Ausreißern.

Anforderungen an ein Streuungsmaß

Es sei eine Stichprobe und eine Funktion. heißt ein Streuungsmaß, wenn es im Allgemeinen folgende Anforderungen erfüllt:

  • ist eine nichtnegative reelle Zahl, die Null ist, wenn alle Beobachtungen gleich sind (in den Daten ist keinerlei Variabilität vorhanden), und zunimmt, wenn die Daten vielfältiger werden. Wenn mindestens zwei Merkmalswerte voneinander verschieden sind, dann streuen die Daten untereinander bzw. um einen Mittelwert, was auch beim Streuungsmaß zum Ausdruck kommen sollte.
  • Bei einem Streuungsmaß wird Nichtnegativität gefordert, da bei Streuung „das Ausmaß“ statt „die Richtung“ konstituierend ist. Ein Streuungsmaß sollte also umso größer sein, je stärker Beobachtungswerte voneinander abweichen. Noch strenger wird oft gefordert, dass sich ein Streuungsmaß bei einer Ersetzung eines Beobachtungswertes durch einen neuen Merkmalswert nicht verkleinern darf.
  • ist translationsinvariant[1], d. h. eine Verschiebung des Nullpunktes hat keinen Einfluss auf die Verteilung. Es muss also folgendes gelten:
  • Es ist auch wünschenswert, dass das Streuungsmaß gegenüber Maßstabsänderungen invariant ist.[2]

Ein einfacher Ansatz für ein Streuungsmaß wäre, die Differenzen der Werte vom empirischen Mittel aufzusummieren. Dies führt zu

Diese Summe ergibt allerdings stets 0, weil sich positive und negative Summanden gegenseitig aufheben (Schwerpunkteigenschaft). Das ist also nicht geeignet als Streuungsmaß, da der Wert nicht zunimmt, wenn die Variabilität der Daten steigt. Möglichkeiten bestehen also darin, die Absolutbeträge oder die Quadrate der Abweichungen zu summieren.

Maßzahlen

Um das arithmetische Mittel

Summe der Abweichungsquadrate

Das intuitivste Streuungsmaß stellt die Summe der Abweichungsquadrate dar. Sie ergibt sich als -fache empirische Varianz

.

Empirische Varianz

Einer der wichtigsten Streuungsparameter ist die Varianz, die in zwei leicht unterschiedlichen Varianten definiert wird. Die Herkunft dieser Unterschiede und ihre Verwendung wird im Hauptartikel erläutert. Die Fassungen sind gegeben als

beziehungsweise

Hierbei bezeichnet jeweils das arithmetische Mittel der Stichprobe .

Empirische Standardabweichung

Die Standardabweichung ist definiert als die Wurzel aus der Varianz und liegt demnach auch in zwei Versionen vor:

beziehungsweise

Ein wesentlicher Unterschied zur empirischen Varianz ist, dass die empirische Standardabweichung dieselbe Dimension und damit dieselben Einheiten wie die Stichprobe besitzt.

Variationskoeffizient

Der empirische Variationskoeffizient wird gebildet als Quotient aus empirischer Standardabweichung und arithmetischem Mittel :

.

Er ist dimensionslos und somit nicht einheitenbehaftet.

Mittlere absolute Abweichung

Die mittlere absolute Abweichung einer Zufallsvariablen von ihrem Erwartungswert ist definiert durch

.

Damit ist sie das erste absolute zentrierte Moment der Zufallsvariable . Im Falle einer konkreten Stichprobe mit dem arithmetischen Mittel wird sie errechnet durch

Die mittlere absolute Abweichung wird in der mathematischen Statistik meist zugunsten der quadratischen Abweichung umgangen, welche analytisch leichter zu behandeln ist. Die in der Definition verwendete Betragsfunktion ist nicht überall differenzierbar, was die Berechnung des Minimums erschwert.

Aufgrund der Ungleichung vom arithmetisch-quadratischen Mittel ist die mittlere absolute Abweichung kleiner oder gleich der Standardabweichung (Gleichheit gilt nur für konstante Zufallsgrößen).

Für symmetrische Verteilungen, d. h. Verteilungen mit der Eigenschaft für alle reellen , mit monoton fallender Dichte für , gilt

.

Für die stetige Gleichverteilung gilt das Gleichheitszeichen.

Um den Median

Quantilsabstand

Der Quantilsabstand ist die Differenz zwischen dem - und -Quantil:

mit

Innerhalb des liegen Prozent aller Messwerte.

Interquartilsabstand

Der Interquartilsabstand (engl.

interquartile range

), abgekürzt IQR, wird als Differenz

der Quartile und berechnet:

Innerhalb des IQR liegen 50 % aller Messwerte. Er ist – wie auch der Median bzw. – unempfindlich gegenüber Ausreißern. Es lässt sich zeigen, dass er einen Bruchpunkt von hat.

Der Interquartilsabstand ist gleich dem Quantilsabstand

Mittlere absolute Abweichung vom Median

Die mittlere absolute Abweichung (engl.

mean deviation from the median

, abgekürzt MD) vom Median ist definiert durch

Im Falle einer konkreten Stichprobe wird sie errechnet durch

Aufgrund der Extremaleigenschaft des Medians gilt im Vergleich mit der mittleren absoluten Abweichung stets

,

d. h. die mittlere absolute Abweichung bezüglich des Medians ist erst recht kleiner als die Standardabweichung.

Für symmetrische Verteilungen stimmen Median und Erwartungswert und damit auch und überein.

Für die Normalverteilung gilt:

Median der absoluten Abweichungen

Die mittlere absolute Abweichung (engl.

median absolute deviation

, auch MedMed), abgekürzt MAD, ist definiert durch

Im Falle einer konkreten Stichprobe wird sie errechnet durch

Durch die Definition ergibt sich im Falle von normalverteilten Daten folgender Zusammenhang zur Standardabweichung:

ist das 0,75-Quantil der Standardnormalverteilung und beträgt ca. 0,6745.

Die mittlere absolute Abweichung ist ein robuster Schätzer für die Standardabweichung. Es lässt sich zeigen, dass sie einen Bruchpunkt von hat.

Weitere Streuungsmaße

Spannweite

Die Spannweite (englisch range) berechnet sich als Differenz zwischen dem größten und dem kleinsten Messwert:

Da die Spannweite nur aus den zwei Extremwerten berechnet wird, ist sie nicht robust gegenüber Ausreißern.

Geometrische Standardabweichung

Die geometrische Standardabweichung ist ein Streuungsmaß um das geometrische Mittel.

Graphische Darstellungsformen

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Andreas Büchter, H.-W. Henn: Elementare Stochastik - Eine Einführung. 2. Auflage. Springer, 2007, ISBN 978-3-540-45382-6, S. 83.
  2. Hans Friedrich Eckey et al.: Statistik: Grundlagen — Methoden — Beispiele., S. 74. (1. Aufl. 1992; 3. Aufl. 2002 (ISBN 3409327010). Die 4. Aufl. 2005 und die 5. Aufl. 2008 erschienen unter dem Titel Deskriptive Statistik: Grundlagen — Methoden — Beispiele).

Literatur

  • Günter Buttler, Norman Fickel (2002), „Einführung in die Statistik“, Rowohlt Verlag
  • Jürgen Bortz (2005), Statistik: Für Human- und Sozialwissenschaftler (6. Auflage), Springer Verlag, Berlin
  • Bernd Rönz, Hans G. Strohe (1994), Lexikon Statistik, Gabler Verlag

Weblinks

Wiktionary: Streuung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen