Moritz Geisenheimer

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Moritz Geisenheimer (* 1818; † 27. März 1878 in Düsseldorf) war ein deutscher Kaufmann, Dramatiker, Aktivist der jüdischen Emanzipation und der deutschen Turn- und Nationalbewegung, einer der ersten Sportfunktionäre in Düsseldorf sowie Publizist und Politiker der demokratischen Bewegung während der Deutschen Revolution 1848/1849.

Leben

Der Kaufmann Moritz Geisenheimer hatte mitten in der Düsseldorfer Altstadt, in der Bolkerstraße, eine Gewürz- und Kolonialwarenhandlung, später in der Bahnstraße 41 (heute Stadtteil Stadtmitte). Literarisch und an den zeitgenössischen Themen des Judentums in Deutschland interessiert, schrieb er 1841 einen Artikel für die in Leipzig erscheinende Allgemeine Zeitung des Judentums, in dem er den Philologen und Dichter Ludwig Wihl vorstellte.[1] Dessen Bruder, der Maler Lazarus Wihl, gehörte im Vormärz zu Geisenheimers Freundeskreis.[2][3]

Im öffentlichen Leben seiner Stadt trat Geisenheimer erstmals durch ein Drama in Erscheinung, das er als bis dahin unbekannter Bühnenautor unter dem Titel Der Bravo bei der Direktion des Düsseldorfer Theaters eingereicht hatte und das am 30. März 1847 auf dessen Bühne mit nur mäßigem Erfolg seine Uraufführung erlebte. Der Stoff des Theaterstücks war der 1831 veröffentlichten Novelle The Bravo von James Fenimore Cooper entnommen und führte in Form einer Romanze die Geschichte eines Carlo vor, eines Freiheitskämpfers für Volkssouveränität und Republikanismus, der nach Errettung aus Kerkerhaft schließlich die Auswanderung vorzieht, dabei jedoch ankündigt, zu besserer Zeit wiederkehren zu wollen. Die Kritik zeigte sich weder von dem Schluss des Stückes noch von der Aufführung begeistert.[4]

Im Sommer 1847 trat Geisenheimer auch politisch in Erscheinung. Anlass war eine antijüdische Bemerkung, die der preußische Staatsminister Ludwig Gustav von Thile in der „Drei-Stände-Kurie“ des Ersten Vereinigten Landtags im Zuge von Beratungen zum Judengesetz von 1847 abgegeben hatte und die anschließend über Pressemeldungen verbreitet worden war. Von Thile hatte in einer Sitzung dieses Gremiums am 14. Juni 1847 behauptet, dass „der Jude an und für sich kein Vaterland haben kann, als das, worauf ihn sein Glaube verweise. Zion ist das Vaterland der Juden.“ Juden könnten aus diesem Grunde nie Deutsche werden und seien demzufolge auch unfähig, staatliche Ämter zu übernehmen.[5] Dagegen protestierte Geisenheimer zusammen mit dem Maler Louis Bacharach und dem Arzt Salomon Heinemann in der in Heidelberg erscheinenden liberalen Deutschen Zeitung mit folgender öffentlicher Erklärung:[6]

„Wir erklären laut und vor aller Welt: Wir Juden Preußens haben und ersehnen kein anderes Vaterland als das Land, dessen Ruhm und Größe unser Ruhm und unsere Größe, dessen Sprache die unsere, dessen Sitten die unseren sind, dessen Fall und Erhebung wir als einen Theil des Ganzen lebendig mitfühlen, für dessen Freiheit wir zu kämpfen und zu sterben wissen. Deutschland resp. Preußen ist das Land, in welchem wir geboren, in welchem unsere Todten ruhen, dessen Brüder unsere Brüder sind. Wir haben kein anderes Vaterland als unser Deutschland, unser Preußen mit seiner Geschichte und Zukunft. Der Geist der Versöhnung und Eintracht wird sich, dessen sind wir uns gleichfalls bewußt, zuletzt auch in das Herz des Unduldsamsten niedersenken. Bis dahin sind wir und unsere sämmtlichen Glaubensgenossen, um mit Uriel Acosta zu reden, ‚von denen die am Wege sterben.‘“

1847 war Geisenheimer auf dem Gebiet des Turnens gesellschaftlich aktiv. In jenem Jahr gehörte er zu den Gründern des „Turnvereins für Erwachsene“, einem der ältesten Turnvereine im Rheinland, der unter dem Namen Düsseldorfer Turnverein von 1847 noch heute existiert. In den Jahren 1848, 1850 und 1851 führte er den Vorstand dieses Vereins, dessen Aufgabe auch darin gesehen wurde, das Volk wehrhaft zu machen.[7]

Als in Düsseldorf die Märzrevolution 1848 ausbrach und eine von Lorenz Cantador geführte Bürgerwehr öffentlichkeitswirksam durch die Straßen der Stadt paradierte, entstanden auf örtlicher Ebene Vereine, die politische Interessen öffentlich artikulierten. Im April 1848 zählte Geisenheimer zu den Gründern des Vereins für demokratische Monarchie. Als eine der führenden Personen des Vereins, der bei den Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung und zur Preußischen Nationalversammlung seine Kandidaten mit deutlicher Mehrheit durchsetzen konnte, vertrat Geisenheimer die Düsseldorfer Demokraten auf dem rheinisch-westfälischen Kongress am 12. August 1848 in Köln.[8] Außerdem fungierte er als Herausgeber und Redakteur des Vereinsorgans Die Volksstimme.[9][10][11]

Geisenheimer starb – betrauert von Ehefrau, Nachwuchs und Schwager – nach längerem Leiden im Alter von 59 Jahren in Düsseldorf.[12]

Einzelnachweise

  1. Moritz Geisenheimer: Jüdische Porträts: Ludwig Wihl. In: Ludwig Philippson (Hrsg.): Allgemeine Zeitung des Judenthums. Ein unpartheiliches Organ für alles jüdische Interesse in Betreff von Politik, Religion, Literatur, Geschichte, Sprachkunde und Belletristik. Verlag von Baumgärtners Buchhandlung, 5. Jahrgang, Leipzig 1841, S. 314 ff. (Google Books)
  2. Arno Herzig: Politische Zielvorstellungen jüdischer Intellektueller aus dem Rheinland und aus Westfalen im Vormärz und in der Revolution von 1848. In: Walter Grab, Julius H. Schoeps: Juden im Vormärz und in der Revolution von 1848. Burg Verlag, Stuttgart 1983, ISBN 978-3-9228-0161-0, S. 283
  3. Heinz Kapp: Revolutionäre jüdischer Herkunft in Europa 1848/49. Konstanzer Schriften zur Schoah und Judaica, Band 12, Hartung-Gorre Verlag, Konstanz 2006, ISBN 978-3-8662-8092-2, S. 492
  4. „Der Bravo“ von Moritz Geisenheimer. In: Düsseldorfer Kreisblatt und Täglicher Anzeiger. Ausgabe Nr. 94 vom 6. April 1847 (Digitalisat)
  5. Barbara Strenge: Juden im preußischen Justizdienst 1812–1918. Der Zugang zu den juristischen Berufen als Indikator der gesellschaftlichen Emanzipation. Dissertation Humboldt-Universität Berlin 1993, Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission, K. G. Saur, München 1996, ISBN 3-598-23225-X, S. 65 (Google Books)
  6. Deutsche Zeitung. Ausgabe Nr. 3 vom 3. Juli 1847, S. 19 (Google Books)
  7. Wilhelm Herchenbach: Düsseldorf und seine Umgebung in den Revolutionsjahren von 1848–1849. Düsseldorf [1882], S. 55 (Digitalisat)
  8. Wilhelm Herchenbach, S. 89 (Digitalisat)
  9. Die Volksstimme. Ein freies Organ für Stadt und Land. Ausgabe Nr. 1 am 1. Juni 1848 im Verlag von P. J. Engels, eingestellt 1849
  10. Lothar Schröder: 1848 – das Rheinland erwacht. Artikel vom 31. Juli 2012 im Portal rp-online.de, abgerufen am 25. Dezember 2018
  11. Erhard Kiehnbaum: Der unbekannte Freund oder: Wer war Kleinerz alias Reinartz? Versuch einer biografischen Skizze. In: Lars Lambrecht (Hrsg.): Umstürzende Gedanken – Radikale Theorie im Vorfeld der 1848er Revolution. (= Forschungen zum Junghegelianismus, Band 20), Peter Lang Edition, S. 191 ff. Fußnote 31 (PDF)
  12. Todesanzeige im Düsseldorfer Volksblatt, Ausgabe Nr. 84 vom 28. März 1878 (Digitalisat)