Nancy-Affäre
Die Nancy-Affäre (französisch Affaire de Nancy) war eine Meuterei der in Nancy liegenden Garnison. Sie steht exemplarisch für den Konflikt zwischen revolutionären Soldaten und konterrevolutionären Offizieren während der Zeit der Französischen Revolution. Sie dauerte vom 5. bis zum 31. August 1790.
Hintergrund
Seit 1789 hatte es bereits mehrere Insubordinationen in der französischen Armee gegeben. Die Gründe waren vielfach, sei es, dass Beförderungen und Soldzahlungen nicht erfolgten, oder sich Royalisten oder Jakobiner unter den Soldaten gegen ihre Offiziere stellten. Am 5. August 1790 begann in Nancy eine regelrechte Meuterei. Die Infanterieregimenter du Roi, de Châteauvieux[1] und das Kavallerieregiment Mestre de Camp Général verlangten ihre ausstehenden Soldzahlungen und setzten ihre Offiziere unter Arrest, darunter den General Alexandre Ferdinand Thomas Guyot de Malseigne, der von Lafayette aus Besançon geschickt worden war, um die Lage zu bereinigen.[2] Dabei spielte das Schweizer Regiment de Châteauvieux die tragende Rolle. De Malseigne konnte jedoch kurz darauf entkommen und flüchtete nach Lunéville.
Am 16. August 1790 veranlasste La Tour du Pin ein Dekret der Nationalversammlung: „...zur Regelung der Maßnahmen zur Bestrafung der Urheber und Anstifter der Ausschreitungen von den in Nancy stationierten Regimentern“[3]. Am 18. August wurde von La Fayette der Befehl zur Niederschlagung der Revolte und zur Statuierung eines Exempels erlassen.[4]
Mit der Niederschlagung der Meuterei wurde François-Claude-Amour de Bouillé, Gouverneur der Trois-Évêchés, beauftragt. Dafür standen ihm die folgenden Truppenteile zur Verfügung:
- 200 Grenadiere und Jäger des Infanterieregiments d’Auxerrois
- 200 Grenadiere und Jäger des Infanterieregiments d'Auvergne
- 2 Bataillone (800 Mann) des Infanterieregiments de Castella(s)
- 1 Bataillon (470 Mann) des Infanterieregiments de Vigier
- 1 Bataillon (350 Mann) des Infanterieregiments Royal-Liégeois
- 500 Mann der Garde Nationale aus Metz
- 300 Mann der Garde Nationale aus Pont-à-Mousson
Total 3020 Mann Infanterie und 8 Geschütze
- 3 Escadrons (340 Reiter) des Régiment Royal Normandie dragons
- 2 Escadrons (240 Reiter) des Régiment Royal Allemand cavalerie
- 2 Escadrons (200 Reiter) des Régiment de Lauzun Hussards
- 1 Détachement (200 Reiter) des Régiment de Royal Dragons
- 1 Détachement (200 Reiter) des Régiment de Monsieur Dragons
- 1 Détachement (200 Reiter) des Régiment de Condé Dragons
- 1 Détachement (100 Reiter) des Régiment des chasseurs d'Hainaut
Total 1480 Reiter[5].
Die Kämpfe forderten an die 300 Tote und Verwundete[6].
Der Tod von Désilles
An der Porte Stainville[7], wo die Truppen von Bouillé und die Meuterer aufeinandertrafen, stellte sich der Sous-lieutenant André Désilles aus dem Régiment du Roi zwischen die Kämpfenden und soll gerufen haben:
„Ce sont des Français, vos amis et vos frères […] Le boulet ne parviendra que teint de mon sang.“
„Das sind Franzosen, eure Freunde und Brüder […] Die Kugel wird nur mit meinem Blut befleckt ihr Ziel erreichen.“
Bei dieser Aktion wurde er schwer verwundet und starb zwei Monate später an diesen Verletzungen.[8]
Bestrafungen
Gemäß den Vereinbarungen zwischen der Armee des Königs und den Schweizer Regimentern wurde aus den Offizieren der Regimenter Castella und de Vigier ein Kriegsgericht gebildet, dessen Vorsitz der Colonel-lieutenant François Joseph de Girardier innehatte. Insgesamt waren 138 Soldaten des Regiments de Chateauvieux der Rebellion angeklagt. In einem ersten Verfahren wurden alle zum Tode verurteilt. In einer erneuten Verhandlung wurden die Urteile jedoch am 4. September aufgehoben und wie folgt umgewandelt:
- 74 Soldaten wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt
- 41 Soldaten wurden für 30 Jahre auf die Galeeren geschickt
- 22 Soldaten wurden gehängt
- der Soldat André Soret aus Genf wurde als einer der fünf Haupträdelsführer gerädert.[9]
Auswirkungen
Die Ereignisse lösten in Paris ein starkes Echo aus. Jean Paul Marat veröffentlichte ein Pamphlet « L’affreux réveil » (Das schreckliche Erwachen) – mit den Jakobinern ergriff er Partei für die Meuterer. Während die Nationalversammlung noch am 3. September de Bouillé schriftlich gratulierte, verlangten aufgebrachte Pariser die Absetzung der Verantwortlichen.
Am 20. September wurde auf dem Champ de Mars zu Ehren der Bürger, die als Angehörige der Nationalgarde in Nancy um das Leben gekommen waren, eine Ehrenveranstaltung abgehalten. In ganz Frankreich fanden weitere Zeremonien zu Ehren der Truppen von Bouillé statt. In Paris wurden zwei Theaterstücke aufgeführt: am 15. Oktober Le nouveau d'Assas von Jean-Élie Bédéno Dejaure und Henri Montan Berton, sowie am 3. Dezember Le tombeau de Desilles von Desfontaines-Lavallée.
Das Schicksal des jungen Offiziers und die harten Strafen für die Meuterer bewegten ganz Frankreich und nährten die Angst vor einer militärischen Konterrevolution. In der Folgezeit wurde, auch von gemäßigter Seite, vom «massacre de Nancy» gesprochen und die Hauptschuld für die Todesopfer dem überharten Vorgehen de Bouillés zugesprochen.
Weblinks
- Pierre Le Bastart de Villeneuve: André Desilles, un officier dans la tourmente révolutionnaire, 1977
- Gemälde im Musée Lorrain de Nancy
Einzelnachweise
- ↑ ein Schweizer Fremdenregiment
- ↑ Mémoires, 1760–1820, de Jean-Balthazar de Bonardi du Ménil, gentilhomme normand
- ↑ Procès-verbal de l'Assemblée Nationale, Volume 27
- ↑ Memoires, correspondance et manuscrits du general Lafayette
- ↑ LEONARD (de), Relation Exacte et impartiale de ce qui s'est passé à Nancy le 31 août et les jours précédents, Nancy, chez Mme Henry, 1790, 188 p.
- ↑ La mutinerie de Nancy, août 1790
- ↑ seit 1867 Porte Désilles
- ↑ restaurations et dépôts, domaine de Vizille
- ↑ der letzte Mensch in Frankreich über den so eine Strafe verhängt wurde. Un régiment à travers l'histoire, le 76e, ex-1er léger p.373 Henri Victor Dollin Du Fresnel, 1894.