Nekrolog

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Nekrolog [nekroˈloːk], von mittellateinisch

necrologium

(„Totenregister“[1]), ein Neologismus (kein Lehnwort!) aus den griechischen Wortwurzeln (

νεκρὀς

„tot, Toter“ und

λἐγειν

„(auf)lesen, sammeln; reden, sprechen“[2]) bezeichnete seit dem Mittelalter ein in Klöstern und Stiften geführtes Totenverzeichnis. Noch Joachim Heinrich Campe verdeutschte es 1813 mit „Todtenbuch, Todtenhalle, Todtensaal“.

Erst in der Neuzeit kam eine zweite Bedeutung auf, die seit Schmid und Schlichtegroll heute die dominierende ist: Darstellung der Biographie und Würdigung des Lebenswerkes eines Verstorbenen. Häufig werden auch die Würdigungen von Personen, die innerhalb eines Kalenderjahres verstorben sind, unter diesem Titel veröffentlicht. Das Neue hierbei ist, dass der Nekrolog über die registermäßige Datensammlung hinausgeht und sich ausführlich mit der Persönlichkeit des Verstorbenen beschäftigt. Seit seinem Aufkommen bis Mitte des 19. Jahrhunderts[3] gab es keine Verdeutschung für Nekrolog in der Bedeutung Würdigung eines Verstorbenen. Erst seit dieser Zeit bürgerte sich das deutsche Wort Nachruf, das bisher nur wörtlich („Nach-rufen“) gebraucht worden war, durch eine Bedeutungserweiterung als Synonym für Nekrolog ein.

In jüngster Zeit wird außerdem zuweilen jegliche Form des öffentlichen oder veröffentlichten Totengedenkens als Nekrolog bezeichnet. Diese Definition ist umstritten, da sie auch auf Epochen ausgeweitet wird, in denen der Neologismus Nekrolog noch gar nicht existierte oder nicht die neuzeitliche Bedeutung hatte. Dann stellt die Bezeichnung nämlich einen klassischen Anachronismus dar.

Ein Nachruf für prominente Persönlichkeiten wird heute meist in den Printmedien veröffentlicht, es gibt jedoch auch filmische Nachrufe.

Mittelalter

Mittelalterliche Nekrologhandschrift aus dem Stift Essen (ca. 1300). Aufgeschlagen ist die Woche vom 12. bis 18. August mit dem Eintrag des Stiftsgründers Altfrid am 15. August.

Aus dem Mittelalter sind Totenverzeichnisse in Klöstern und Stiften bekannt, welche als Nekrologien (Sg. das Nekrolog, in damaliger Schreibung Necrolog(ium)[4]) oder auch Obituarien (Sg. Obituarium bzw. Obituar) bezeichnet werden. In diesen Verzeichnissen waren die Namen derjenigen notiert, derer man im Gebet zu gedenken hatte. Bedeutende Nekrologien sind beispielsweise aus den Klöstern Fulda, Prüm und Lorch erhalten. Ab dem Spätmittelalter wurden entsprechende Verzeichnisse, für die sich auf Deutsch die Bezeichnung Jahrzeitbuch eingebürgert hat, in den meisten Klöstern, Stiften und Pfarrkirchen geführt.

Hauptartikel Jahrzeitbuch

Siehe auch: Totenrotel

Neuzeit

Im späten 18. Jahrhundert begannen Christian Heinrich Schmid (1746–1800) mit dem Nekrolog oder Nachrichten von dem Leben und den Schriften der vornehmsten verstorbene teutschen Dichter (1785) und Friedrich von Schlichtegroll (1765–1822) mit dem Nekrolog auf das Jahr [1791–1800], enthaltend Nachrichten von dem Leben merkwürdiger in diesem Jahr verstorbener Deutscher und Christian Friedrich Buchner mit dem Nekrolog für Freunde der deutschen Litteratur (1791–1794) mit der Publikation nekrologischer Jahrbücher, die im 19. Jahrhundert fortgeführt wurden: Nekrolog der Teutschen (1802–1806); Neuer Nekrolog der Deutschen (1824–1854, Hrsg. Georg Friedrich August Schmidt) oder Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog (1897–1917).

20. und 21. Jahrhundert

Biographische Jahrbücher des 20. Jahrhunderts, wie Wer ist's, Wer ist Wer (das deutsche Who is Who) oder das Genealogische Handbuch des Adels enthalten meist ein gesondertes Verzeichnis der innerhalb eines bestimmten Zeitraums Verstorbenen (dort als „Nekrolog“ bezeichnet).

Ein eigenständiges Werk mit Nachrufen ist Eckhard Henscheids Wir standen an offenen Gräbern von 1988. Eine Sonderform stellt der lyrische Nachruf dar.

Medien haben für hochbetagte oder schwer erkrankte Prominente Nachrufe oft im Voraus erstellt, um im Todesfall schnell reagieren zu können. Die New York Times hat etwa zweitausend vorbereitete Nachrufe für noch Lebende.[5] Dies führt gelegentlich dazu, dass der vorbereitete Nachruf aus Versehen veröffentlicht wird, obwohl der Betroffene noch lebt. Über die britische Königinmutter Elizabeth Bowes-Lyon gelangten so wiederholt verfrühte Nachrufe in die Öffentlichkeit, auch Steve Jobs konnte drei Jahre vor seinem Tod bereits den ersten Nachruf auf sich selbst lesen. Ein im Dezember 2012 über den Web-Feed von Spiegel Online versehentlich freigegebener Nachruf Marc Pitzkes auf den ehemaligen US-Präsidenten George H. W. Bush war insoweit ungewöhnlich, als Pitzke von „beinahe elegischen Nachrufen der US-Medien“ auf Bush sen. berichtete, obwohl noch gar kein anderer Nachruf veröffentlicht worden war, den Pitzke gelesen haben konnte.[6]

Siehe auch

Literatur

  • Alana Baranick, Jim Sheeler, Stephen Miller: Life on the Death Beat: A Handbook for Obituary Writers. Marion Street Press, Oak Park 2005, ISBN 1-933338-02-4.
  • Ralf Georg Bogner: Der Autor im Nachruf. Formen und Funktionen der literarischen Memorialkultur von der Reformation bis zum Vormärz. Niemeyer, Tübingen 2006, ISBN 3-484-35111-X (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, 111). (Zugleich: Rostock, Univ., Habil-Schr., 2005).
  • Rolf Hartmann: Das Autobiographische in der Basler Leichenrede. Basel, Stuttgart 1963 (Diss. Basel, Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Bd. 90)
  • Terence Kardong OSB: Das Leben des Anderen. Von der Kunst, einen Nekrolog zu schreiben, in: Erbe und Auftrag, 94 (2018), S. 146–155. [Beitrag über die Erstellung heutiger klösterlicher Nekrologe]
  • Franz Lerner: Ideologie und Mentalität patrizischer Leichenpredigten. Marburg 1970
  • Harald Martenstein: Über Nachrufe, Zeitmagazin, 10. November 2015 (Glosse)

Weblinks

Commons: Nekrologe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Nekrolog – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Pierer's Konversationslexikon, 7. Aufl. 1891.
  2. Wilhelm Gemoll, K. Kretske: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch, 10. Aufl. Oldenburg 2006.
  3. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 18. Aufl. bearb. v. Walther Mitzka. Berlin: De Gruyter 1960., S. 499:
  4. Das Lexikon des Mittelalters (hrsg. v. Norbert Angermann, Robert-Henri Bauthier), Bd. VI, unterscheidet „das Necrolog (Totenbuch)“ und „der Nekrolog (Nachruf)“
  5. Stephen Hiltner: An Obituary Written From Beyond the Grave? Not Quite. In: The New York Times, 22. September 2017.
  6. Kurt Sagatz: Technische Panne bei Spiegel Online: Wenn der Nachruf zu früh erklingt. In: Der Tagesspiegel, 1. Januar 2013.