Nikolai Iwanowitsch Ryschkow

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Nikolai Ryschkow, 2019

Nikolai Iwanowitsch Ryschkow (russisch Никола́й Ива́нович Рыжко́в, wiss. Transliteration

Nikolaj Ivanovič Ryžkov

; * 28. September 1929 in Dylijiwka, Ukrainische SSR, heute zu Torezk, Ukraine) ist ein sowjetischer bzw. russischer Politiker. Er war während der Amtszeit des Generalsekretärs Gorbatschow Vorsitzender des Ministerrats von 1985 bis 1991 und damit Regierungschef der Sowjetunion.

Leben

Ryschkow stieg vom Schweißer einer Fabrik in Swerdlowsk zum Chefingenieur und Leiter einer Eisenbahnabteilung auf und wurde Bergwerksdirektor. Daneben besuchte er das Polytechnische Ingenieurinstitut des Ural in Swerdlowsk und erhielt 1959 sein Diplom. Danach war er stellvertretender Direktor und von 1965 bis 1970 Chefingenieur des Ultramachsawod in Swerdlowsk, 1970 bis 1971 Direktor und 1971 bis 1975 Generaldirektor des Uralmaschkombinats für Schwermaschinenbau.

Der KPdSU trat er 1956 bei. 1974 wurde er in den Unionssowjet des Obersten Sowjet gewählt und erhielt das Amt des Sekretärs der Kommission für Wirtschaftsplanung und Haushalt. Ab 1975 war er zudem stellvertretender Minister für Schwer- und Transportmaschinenbau und ab 1979 Erster stellvertretender Vorsitzender der Staatlichen Plankommission Gosplan. 1981 – gefördert durch Andropow – wurde er, ohne vorher Kandidat gewesen zu sein, Mitglied des Zentralkomitees (ZK) der KPdSU, 1982 bis 1985 Sekretär und Leiter der Wirtschaftsabteilung des ZK und 1985 bis 1991 Vorsitzender des Ministerrats der Sowjetunion. Von April 1985 bis 1990 war er unter Michail Gorbatschow Vollmitglied im höchsten politischen Gremium, im Politbüro und ab 27. September 1985 als Nachfolger von Nikolai Alexandrowitsch Tichonow zum Vorsitzenden des Ministerrates berufen worden.

Auf dem XXVIII. Parteitag der KPdSU im Juli 1990 verlor Ryschkow seinen Sitz im Politbüro. 1991 wurde er als Regierungschef durch Walentin Pawlow ersetzt. Bei den ersten russischen Präsidentschaftswahlen von 1991 kandidierte er erfolglos für die Kommunistische Partei.

Nach dem Ende der Sowjetunion wurde Ryschkow im Dezember 1993 in die Duma gewählt und 1996 Vorsitzender der linken Patriotischen russischen Volkspartei. Seit 2003 ist er Mitglied des Föderationsrates.

Positionen

Ryschkow war eher ein Technokrat ohne ausgeprägtes politisches Profil. Doch unterstützte er Gorbatschow bei dessen Versuch, Planung zu dezentralisieren, neue Wirtschaftsformen und neue Technologien einzuführen. Dagegen vertrat er die Einführung der Perestroika (Umgestaltung) und die neuer Marktmechanismen, wie das Programm der 500 Tage, nur sehr zurückhaltend und sieht dies als hauptsächlichen Grund für den ökonomischen Zusammenbruchs der ehemaligen Sowjetrepubliken.

Obwohl Ryschkow sich als Kommunist sieht, vertritt er auch nationalistische Positionen. Er lehnt westliche Einflüsse auf Russland strikt ab und sieht die Russisch-Orthodoxe Kirche als „nationale Religion des russischen Volkes“. Für Ryschkow sind alle ehemaligen Sowjetrepubliken historisch Teil eines russischen Staates, der als „Fundament einen russischen Kern [hat] und [der] die russische Idee in der Welt verkörpert“. Ryschkow widerspricht zudem den von Lenin konstatierten russischen Chauvinismus und sieht Russland bzw. die Sowjetunion als Fortsetzung des russischen Staates als historisch gewachsenen und legitimen Staat an. Ryschkow sieht den Zerfall der Sowjetunion daher kritisch und sieht insbesondere Michail Gorbatschow und Boris Jelzin in der Verantwortung für deren Zerfall, der bereitwillig bzw. aus eigennützigen Motiven geschah. Wie er in seinem Buch Der Kronzeuge ausführt, haben in der Sowjetunion die Völker freundschaftlich zusammengelebt, bis durch die von Michail Gorbatschow angestoßenen Reformen (Perestroika) nationalistische Bewegungen die Sowjetunion zerstört hätten.[1] Die FAZ bezeichnete in einer kritischen Rezension Ryschkows Buch und seine Positionen als „Moskauer Dolchstoßlegende“.[2]

Sanktionen

Im März 2014 wurde Ryschkow auf Sanktionslisten der Vereinigten Staaten[3] und der Europäischen Union[4] gesetzt.

Auszeichnungen

Werke

  • XXVII. Parteitag der KPdSU — Über die Hauptrichtungen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der UdSSR von 1986 bis 1990 und für den Zeitraum bis zum Jahr 2000. Berichterstatter: N. I. Ryshkow. Verlag Progress, Moskau 1986.
  • Bleiben die NATO-Verbrechen unbestraft? Gespräch mit dem russischen Politiker Nikolai Ryshkow. In: Junge Welt. 4. August 1998.
  • »… weigere ich mich, zu erscheinen«. Stellungnahme des Milosevic-Zeugen Nikolai Ryshkow zum Haager Rechtsbruch. In: Junge Welt. 9. September 2004.
  • главный свидетель („Der Kronzeuge“). Algoritm, Moskau 2010, ISBN 978-5-699-37037-5.
    • Übersetzung: Mein Chef Gorbatschow. Die wahre Geschichte eines Untergangs. Aus dem Russischen von Albert Dusa. Das Neue Berlin, Berlin 2013, ISBN 978-3-360-02168-7 (Rezension, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Juli 2014).

Literatur

  • Michail Gorbatschow,
    • Der Staatsstreich. Bertelsmann, München 1991, ISBN 3-570-01408-8.
    • Erinnerungen. Siedler, Berlin 1995, ISBN 3-88680-524-7.

Weblinks

Commons: Nikolai Iwanowitsch Ryschkow – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Nikolai Ryschkow: Mein Chef Gorbatschow: Die wahre Geschichte eines Untergangs. edition berolina (Erstausgabe: 2013).
  2. Horst Bacia: Nikolaj Ryschkow: Mein Chef Gorbatschow: Moskauer Dolchstoßlegende. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 29. Juli 2022]).
  3. Treasury.gov: Treasury Sanctions Russian Officials, Members Of The Russian Leadership’s Inner Circle, And An Entity For Involvement In The Situation In Ukraine, März 2014
  4. Reuters: EU sanctions list includes Russian commanders, Crimea PM, März 2014
  5. Рыжков Николай Иванович, warheroes.ru (russisch)
VorgängerAmtNachfolger
Nikolai TichonowMinisterpräsident der Sowjetunion
1985–1991
Walentin Pawlow