Orientalistik
Die Orientalistik (auch Orientwissenschaft(en)) ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit dem Studium der Sprachen sowie der geistigen und materiellen Kultur des Orients in seiner ursprünglichen, das gesamte Asien und angrenzende Gebiete umfassenden, Bedeutung beschäftigt.
Geschichte
Als akademische Disziplin wurde die Orientalistik 1795 mit der Errichtung der
in Paris begründet. Hier lehrte Silvestre de Sacy (1758–1838), der die Entwicklung der Orientalistik maßgeblich beeinflusste. 1845 wurde in Deutschland die Deutsche Morgenländische Gesellschaft gegründet, die sich bis heute dem Studium Asiens, Afrikas und Ozeaniens widmet. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden neben der textkritischen Forschung zunehmend eurozentrische Konzepte wie die "Rätselhaftigkeit des Orients" (z. B. durch Übersetzungen von Antoine Gallands Übersetzung von 1001 Nacht) oder die "Rückständigkeit des Islams" aus dem europäischen Kolonialismus übernommen, siehe dazu auch Orientalismus.
Das Institut für Orientalistik in Wien besteht seit dem Jahr 1886. Zurzeit werden an diesem Institut ein grundständiger und vier weiterführende Studienrichtungen angeboten. Diese sind Orientalistik (Bachelor of Arts), Altorientalische Philologie und Orientalische Archäologie (MA), Arabistik (MA), Islamwissenschaft (MA) sowie Turkologie / Osmanistik (MA). Alle drei Studienrichtungen gehören innerhalb der Geistes- und Kulturwissenschaften zu den Fächern der Philologie und Kulturhistorik.
Disziplinen der Orientalistik, die teilweise über sie hinausreichen, sind beispielsweise die Assyriologie, die Iranistik, die Turkologie, die Osmanistik, die Semitistik und die Arabistik, aber auch die Islamwissenschaft. Im weiteren Sinne werden auch die Ägyptologie, die Koptologie sowie die Afrikanistik dazu gerechnet.
Ein japanisches Gegenstück hatte die Orientalistik mit Rangaku.
Siehe auch
- Altorientalistik
- Der Neue Orient, Fachzeitschrift
- Orientalist
- Japanologie, Sinologie
Literatur
- Bertold Spuler und andere (Hrsg.): Handbuch der Orientalistik. Brill, Leiden 1952–2020.
- Suzanne L. Marchand: German Orientalism in the Age of Empire – Religion, Race, and Scholarship, German Historical Institute, Washington, D.C. und Cambridge University Press, New York 2009 ISBN 978-0-521-51849-9
- Hatem Elliesie: Der zweite Band der Encyclopaedia Aethiopica im Vergleich. Orientalistische Literaturzeitung, Berlin 2007, S. 397–407.
- Andrea Polaschegg: Der andere Orientalismus. Regeln deutsch-morgenländischer Imagination im 19. Jahrhundert. De Gruyter, Berlin/New York 2005.
- Besprochen von Wolfgang G. Schwanitz in Süddeutsche Zeitung, Besprechung 17. Juli 2006 (PDF; 351 kB).
- Robert Irwin: For lust of knowing: The Orientalists and their enemies. London: Allen Lane 2006, ISBN 0-7139-9415-0.
- Besprochen von Wolfgang G. Schwanitz in Frankfurter Rundschau (Memento vom 3. März 2016 im Internet Archive), June 26, 2006 (PDF; 152 kB).
- Ursula Wokoeck: German Orientalism: The Study of the Middle East and Islam from 1800 to 1945. London: Routledge 2009, ISBN 978-0-415-46490-1.
- Besprochen von Wolfgang G. Schwanitz in Insight Turkey, 12(2010)4 (PDF; 932 kB), 225-7.
- Zachary Lockman: Contending Visions of the Middle East. The History and Politics of Orientalism. New York: Cambridge University Press 2004, ISBN 0-521-62937-3.
- Besprochen von Wolfgang G. Schwanitz in DAVO-Nachrichten, Mainz, Germany, 23(2006)8 (PDF; 99 kB), 77–78.
Weblinks
- Linkkatalog zum Thema Orientalistik bei curlie.org (ehemals DMOZ)
- Menadoc - DFG-Sondersammelgebiet 6.23 Vorderer Orient einschl. Nordafrika, Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle-Wittenberg
- Roman Loimeier: Edward Said und der Deutschsprachige Orientalismus: Eine Kritische Würdigung. Wiener Zeitschrift für kritische Afrikastudien 2/2001, Jg. 1 (PDF-Datei; 59 kB)
- Ekkehard Ellinger über die "Deutsche Orientalistik zur Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945"