Osman I.

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Osman I., osmanische Miniatur (1579/80)

Osman Gazi I. (osmanisch عثمان غازى Osman Gazi, İA ʿOsmân Ġâzî; * 1258 in Söğüt; gestorben. 1326,[1] nach anderen Angaben 1324[2] ebenda) war der Gründer der osmanischen Dynastie und des Osmanischen Reiches.

Name

Einigen Gelehrten zufolge war Osmans ursprünglicher Name türkisch, wahrscheinlich Atman oder Ataman, welcher erst später zum arabischen Osman geändert wurde. Die frühesten byzantinischen Quellen, einschließlich Osmans Zeitgenosse Georgios Pachymeres, buchstabieren seinen Namen als Ατουμάν (Atouman) oder Ατμάν (Atman), während griechische Quellen regelmäßig sowohl die arabische Form 'Uthmān als auch die türkische Version 'Osmān mit θ, τθ oder τσ schrieben. Eine frühe arabische Quelle schreibt seinen Namen mit dem arabischen Buchstaben ط (ṭāʾ) statt mit ث (θ). Osman könnte damit im späteren Verlauf seines Lebens den prestigeträchtigeren muslimischen Namen bevorzugt haben.[3]

Herkunft

Osman war Sohn des Hordenfürsten Ertuğrul und der Halime Hatun, Osman Gazi nannte sich عثمانجق Osmancuk (-cuk/–cık ist die Diminutivendung im Türkischen). So nennt ihn auch der marokkanische Reisende Ibn Battūta.[4] Mit dem Namen „Kleiner Osman“ oder „Osmanchen“ wollte er sich vom dritten islamischen Kalifen Uthman ibn Affan unterscheiden.[5]

Fürstentum Osman

Nach dem Tod seines Vaters 1281 oder 1288 wurde Osman Häuptling. Er heiratete Mal Hatun (vermutlich aufgrund eines Fehlers des Kopisten auch Malhun Hatun genannt), die in den Chroniken als Tochter des Scheich Edebali, des Vorstehers des Vefaiyye-Ordens verzeichnet ist, während sie auf Orhan Gazis Stiftungsurkunde (Vakfiye) von 1324 als Tochter des Ömer Bey verzeichnet ist. Die Kinder Osmans waren Orhan, Çoban, Hamid, Melik, Pazarlı und Fatma Hatun.[6]

Edebali war einer der angesehensten Baba-Derwische und ein Berater Osmans. Die Chroniken geben an, dass es die Beratung durch Edebali war, die Osman zum erfolgreichsten unter allen Gazis machte.[7] Der Überlieferung nach hat Edebali Osman übermittelt, Gott habe ihn als Gazi, also als Führer des Heiligen Kriegs (Ghazw), bestimmt. Der vielfach vorgebrachte Traum Edebalis, in dem er Osman als zukünftigen Weltherrscher gesehen haben soll, ist dagegen vermutlich im Nachhinein zur Überlieferung hinzugefügt worden.[8] Nach der Eroberung von Karacahisar wurde Osman 1288 vom Seldschuken-Sultan Kai Kobad III. zum Bey/Fürsten ernannt, womit das Fürstentum Osman gegründet war.[9] Osman regierte sein Fürstentum zusammen mit anderen Familienmitgliedern: Sein Bruder Gündüz Alp war Subaşı (Kommandeur) von Karacahisar; sein Onkel Dündar war sein Berater; einen Überwachungsturm, der der Eroberung von Bursa diente, überließ er seinem Neffen Aktimur; seinen Sohn Orhan verschickte er zur Vorbereitung auf seine Nachfolgerschaft auf mehrere Eroberungszüge mit seinen erfahrensten Kommandeuren Akça Koca, Konur Alp und Köse Mihal.[10]

Dynastiegründung – Beginn des Osmanischen Reiches

Ausweitung des Reiches unter Osman I.

Osman Gazi war von Beginn an daran interessiert, die Christen in seinen eroberten Ländern zu beschützen. Diese Neigung von Osman gilt als einer der Gründe für die rasche Vergrößerung des osmanischen Reichs. Der türkische Geschichtsschreiber Aschikpaschazade verzeichnete dazu mehrere Zitate von Osman. Osman hatte sich bereits früh zum Beschützer der Christen vor den Plünderungen des benachbarten Fürstentums der Germiyan ernannt. Osmanische Quellen machen deutlich, dass Istimalet (Schutz und Respekt von Fremden, um Sympathien zu ernten) eine große Bedeutung für den Erfolg der osmanischen Eroberungen und die Vergrößerung des Reichs hatte. Islamrechtlich galten die Christen als Dhimmi.[11] Die Wegbegleiter (türkisch Yoldaş) von Osman waren zu einem Teil Garib (Fremdlinge/Überläufer). Bei Oruc ist verzeichnet:

bu Osmânîler garîbleri sevicilerdir

/ بو عثمانيلر غريبلرى سوجيلردر (diese Osmanen mögen die Fremdlinge).[12] Anders als sein Vater führte Osman oft den Dschihad gegen die Christen im benachbarten Kaiserreich Nikaia, aber auch mit den benachbarten muslimischen Stämmen führte er regelmäßig Krieg und plünderte ihre Ansiedlungen. Durch seine Eroberungen, etwa von İnegöl, Bilecik und Yenişehir vergrößerte er sein Herrschaftsgebiet, das ursprünglich nur etwa 1500 km² umfasste, auf schließlich 18.000 km². Osman war Vasall der Rum-Seldschuken, die ihrerseits den mongolischen Ilchanen botmäßig waren. Obwohl er den Mongolen jährlich Steuern zahlte, gibt es doch Anzeichen, dass er für sein Herrschaftsgebiet zunehmend Souveränität in Anspruch nahm: So nannte er sich Emir und ließ sich ab etwa 1299 während der Chutba namentlich erwähnen, was nach islamischer Rechtsauffassung nur unabhängigen Herrschern zusteht.

Die eroberten Ländereien gab er als Lehen an Verwandte, Freunde, Militärführer und verdiente Gazis. Dadurch wurde die bis dahin halbnomadische Lebensweise seines Stammes beendet und die Grundlage für das spätere Feudalwesen des Osmanischen Reichs, das Tımar-System gelegt. Auch setzte er einen ersten Beylerbey als Oberkommandierenden des neuen stehenden Heeres ein, das das Stammeskriegertum seiner Anfangsjahre ersetzte.

Späte Jahre

Osman Gazi-Sanduka (Kasten auf einem Grab) im Osman-Gazi-Mausoleum in Bursa

1317 übertrug Osman den Oberbefehl an seinen Sohn Orhan. Der Überlieferung nach starb er am 6. April 1326, kurz nachdem sein Sohn Orhan Gazi Bursa erobert hatte.[13] Neuere Forschungen vermuten allerdings 1324 als Osmans Todesjahr. Eine im März 1324 in Mekece unterzeichnete Stiftungsurkunde (Vakfiye) trägt nämlich Orhans Tughra, was darauf hinweist, dass dieser bereits die Herrschaft ausübte.[14][15] Colin Imber vermutet, dass die osmanischen Chroniken vom 15. Jahrhundert eher ein ideales Modell der Thronfolge zeichnen wollten, um den zeitgenössischen Brudermorden etwas entgegenzusetzen, indem sie aussagten, Orhan sei zu Lebzeiten seines Vaters Herrscher geworden.[14] Halil İnalcık legt ein weiteres Dokument vom Herbst 1323 vor. Diese Stiftungsurkunde stammt von der Asporça Hatun, einer Ehefrau Orhan Gazis und Tochter des byzantinischen Kaisers Andronikos III., und verzeichnet Osman als lebend, während diese Information aus der Mekece-Urkunde von Orhan Gazi vom März 1324 nicht mehr hervorgeht.[6]

Verfilmungen

Literatur

  • Colin Imber: ʿOthmān I. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition, Brill-Verlag[18] 1995, Band 8, S. 180–182, Buchstabe O, ISBN 90-04-09834-8.
  • Halil İnalcık: Osman I. In: Türkiye Diyânet Vakfı İslâm Ansiklopedisi, Diyanet Vakfı-Verlag,[19] Istanbul 2007, Band 33, S. 443–453, Buchstabe O, ISBN 975-389-455-4.
  • Ferenc Majoros, Bernd Rill: Das Osmanische Reich 1300–1922. Die Geschichte einer Großmacht. Marix, Wiesbaden 2004, ISBN 3-937715-25-8.
  • Josef Matuz: Das osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. 4. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006, ISBN 3-534-20020-9.
  • Gabriel Effendi Noradounghian: Recueil d’actes internationaux de l’Empire Ottoman 1300–1789. Tome I. Paris, Neufchâtel 1897. Reprint: Kraus, Nendeln 1978, ISBN 3-262-00527-4.
  • Vernon John Parry: A history of the Ottoman Empire to 1730: chapters from the “Cambridge history of Islam” and “New Cambridge modern history”. Bände 1–5. Cambridge University Press, Cambridge 1976, ISBN 0-521-20891-2.
  • Ernst Werner: Die Geburt einer Grossmacht – Die Osmanen. Ein Beitrag zur Genesis des türkischen Feudalismus. 4. Auflage. Böhlau, Wien 1985, ISBN 3-205-00559-7.
  • Ernst Werner, Walter Markov: Geschichte der Türken von den Anfängen bis zur Gegenwart. Akademie Verlag, Berlin 1979.

Weblinks

Commons: Osman I. – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte, 4. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006, S. 32
  2. Halil İnalcık, in: Diyanet İslam Ansiklopedisi, Band 33, Istanbul 2007, S. 443.
  3. Cemal Kafadar. Between Two Worlds: The Construction of the Ottoman State. In: Armenian Research Center collection History / Middle Eastern studies/politics. University of California Press, 1996, S. 124.
  4. Klaus Kreiser, Christoph K. Neumann: Kleine Geschichte der Türkei, S. 81
  5. Franz Babinger ʿOthmāndjik in The Encyclopaedia of Islam. New Edition
  6. a b Halil İnalcık: Osman I. In Türkiye Diyânet Vakfı İslâm Ansiklopedisi, S. 451.
  7. Halil İnalcık Osman I. in Türkiye Diyânet Vakfı İslâm Ansiklopedisi, S. 446.
  8. Halil İnalcık: Devlet-i Aliyye – Osmanlı İmparatorluğu Üzerine Araştırmalar 1 – Klasik Dönem (1302–1606), S. 11.
  9. Halil İnalcık: Devlet-i Aliyye – Osmanlı İmparatorluğu Üzerine Araştırmalar 1 – Klasik Dönem (1302–1606), S. 12.
  10. Halil İnalcık: Devlet-i Aliyye – Osmanlı İmparatorluğu Üzerine Araştırmalar 1 – Klasik Dönem (1302–1606), S. 26.
  11. Halil İnalcık: Devlet-i Aliyye – Osmanlı İmparatorluğu Üzerine Araştırmalar 1 – Klasik Dönem (1302–1606), S. 12 f.
  12. Halil İnalcık: Devlet-i Aliyye, S. 10.
  13. Peter Schreiner: Die Byzantinischen Kleinchroniken, Bd. ii, Wien 1977, S. 231.
  14. a b Colin Imber: ʿOthmān I. In The Encyclopaedia of Islam. New Edition, S. 180.
  15. İsmail Hakkı Uzunçarşılı: Gazi Orhan Beğin hükümdar olduğu tarih. In Belleten 1945, S. 207–211.
  16. „Kuruluş / Osmancık“, TV Dizisi 1987, sinematurk.com
  17. Kuruluş Osman - Tüm bölüm videoları. Abgerufen am 22. Juni 2020 (türkisch).
  18. Brill
  19. Diyanet Vakfı Yayınları
VorgängerAmtNachfolger
---Sultan des Osmanischen Reichs
1288–1326
Orhan I.