Ossi Oswalda

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Ossi Oswalda, Fotografie (um 1920) von Nicola Perscheid

Ossi Oswalda, geboren als Oswalda Amalie Anna Stäglich, (* 2. Februar 1898 in Niederschönhausen[1]; † 7. März[2] 1947 in Prag) war eine deutsche Schauspielerin der Stummfilmzeit.

Leben

Ossi Oswalda, Fotografie (um 1920) von Alexander Binder
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Ossi Oswalda, Fotografie (um 1925) von Nicola Perscheid

Oswalda wurde als Tochter des Gymnasiallehrers Oswald Stäglich in Niederschönhausen (seit 1920 ein Ortsteil von Berlin) geboren. Der Vater starb, als sie vier Jahre alt war, sodass sie bei ihrer taubstummen Mutter aufwuchs. Nach dem Tanzunterricht bei Eva Peter als Primaballerina ging sie als Chortänzerin an ein Berliner Theater, wo sie 1916 von Hanns Kräly entdeckt wurde, der sie Ernst Lubitsch empfahl. Zwischen 1916 und 1920 drehte sie fast exklusiv mit Lubitsch rund ein Dutzend Filme, von denen die Mehrzahl heute als verloren gilt.[3] Auch andere Regisseure wussten ihr Talent zu nutzen. Aufgekratzt, großspurig und schrill wurde sie zum Publikumsliebling, weshalb man sie bald schon als „die deutsche Mary Pickford“ bezeichnete. Neben Henny Porten und Asta Nielsen war sie „einer der ersten großen weiblichen Stars des deutschen Films.“[4]

Im Jahr 1921 gründete Oswalda ihre eigene Filmgesellschaft Ossi-Oswalda-Film, die von ihrem damaligen Ehemann Gustav Freiherr von Kóczián-Miskolczy (in einer späteren Ehe Vater der Schauspielerin Johanna von Koczian) geleitet wurde. Regisseur der von ihr produzierten Filme wurde ihr Filmpartner Victor Janson. Ab 1925 war sie bei der Ufa unter Vertrag und spielte bis 1930 in rund 50 Stummfilmen mit.

Der Tonfilm bedeutete das Ende ihrer Filmkarriere. Im Jahr 1943 schrieb sie das Drehbuch zum Film Der Vierzehnte am Tisch (Čtrnáctý u stolu). Danach wurde es still um die ehemalige Stummfilmdiva. In ihren letzten Lebensjahren geriet der einst gefeierte Star in Vergessenheit. Sie starb völlig verarmt 1947 in Prag. Begraben wurde sie auf dem Olšany-Friedhof in Prag.[5]

Wirken

In Schuhpalast Pinkus, ihrem ersten Film und der ersten Zusammenarbeit mit Ernst Lubitsch, hatte Oswalda nur eine winzige Rolle als Lehrling und Tochter eines Schuhverkäufers inne und wurde auch in den folgenden Filmen zunächst mit kleineren Rollen bedacht. Zu dieser Zeit wurde sie noch unter dem Namen „Fräulein Storry“ geführt.[6] Ihre erste Hauptrolle spielte Oswalda 1917 in Lubitschs Wenn vier dasselbe tun, in der sie erstmals als Backfisch des deutschen Films in der Nachfolge der 1916 verstorbenen Dorrit Weixler wahrgenommen wurde.

„Ossi Oswalda als Backfisch ist so entzückend, so naiv-übermütig und spielt ihre etwas schablonenhafte Rolle so reizend, daß der Verlust, den die deutsche Filmindustrie mit dem Tode Dorrit Weixlers, der ersten und bisher unübertroffenen Backfischdarstellerin, erlitten hat, bei weitem wieder wettgemacht wird. Ich persönlich stelle Ossi Oswalda als Mimikerin sogar noch höher als ihre Vorgängerin.“

Georg Popper, 1920[7]

Oswalda wurde schnell zu einer prominenten Komikerin – „die wilde kreischende Jungfer, die ihren Kopf durchsetzen will gegen Väter, Vormünder und notfalls auch Ehemänner und überhaupt nicht zum bürgerlichen Wunschbild von der devoten, still duldenden Hausfrau passt.“[8]

Als Oswaldas „vermutlich … beste Komödie“[9] gilt Ich möchte kein Mann sein, in der sie wie in mehreren Filmen Lubitschs die weibliche Hauptfigur Ossi spielt. Sie erscheint hier in der „bis dahin für sie typischen Rolle der verwöhnten und frechen jungen Frau, die offenbar ohne Eltern aufgewachsen ist und sich gegen die Disziplin, die ihr der Onkel und vor allem die Gouvernante auferlegen wollen, heftig wehrt“.[8] Als Frau gibt sie sich dabei völlig ihren (un-)weiblichen Bedürfnissen hin und raucht, trinkt, spielt Poker und geht gerne einkaufen. Sie verkörperte als erste deutsche Schauspielerin ein Frauenbild, in dem „erotische Attraktion durch das Burschikose gemildert wird“.[10] Ihre Darstellung, auch in späteren Filmen wie Die Austernprinzessin, hatte dabei zügellose und teilweise derbe Züge, die auch auf Ablehnung stieß. Béla Balázs schrieb so im Hinblick auf Die Austernprinzessin: „Ein Ossi-Oswalda-Film [ist] zu erkennen an einer Reihe roher, bochesquer Geschmacklosigkeiten.“[11] Andere Kritiker werteten das Überdrehte der Rollen als Überspielen:

„Ossi Oswalda entzückte [in Ich möchte kein Mann sein] durch ihr sprudelndes Temperament, ihre überschäumende Laune und ihre schelmische Koketterie. Gleichwohl könnte sie ihre Wirkung noch erhöhen, wenn sie ihre Zappligkeit ein wenig eindämmen und ihr bisweilen bis zur Gesichtsverzerrung sich steigerndes Mienenspiel mäßigen wollte. Man kann ungeheuer lustig sein und erheitern, ohne es so aufdringlich zu unterstreichen.“

Film-Kurier, 1920[12]

War Oswalda in den 1910er-Jahren der Backfisch des deutschen Films, wandelte sich ihr Image in den 1920er-Jahren hin „zum „Berliner Girl“ mit mondänen Attitüden, gut für verzückte Tanzeinlagen in extravaganten Kostümen.“[13]

Filmografie

Stummfilme

* auch Produzent

Tonfilme

Literatur

  • Ossi Oswalda. In: Friedemann Beyer: Die Gesichter der UFA. Starportraits einer Epoche (= Heyne-Bücher, 32 / Heyne-Filmbibliothek, Nr. 175). Heyne, München 1992, ISBN 3-453-05971-9, S. 108–109.
  • Thomas Koebner: Ossi Oswalda (1897–1948). Die unbeherrschte Göre. In: Thomas Koebner, Fabienne Liptay (Hrsg.): Komödiantinnen (= Film-Konzepte, Bd. 1). Edition Text + Kritik, München 2006, ISBN 3-88377-821-4, S. 122–128.
  • Jörg Schöning: Ossi Oswalda – Schauspielerin, Produzentin. In: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, Lieferung 8, 1987.
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 6: N – R. Mary Nolan – Meg Ryan. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 90 f.
  • Kay Weniger: „Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …“ Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. ACABUS-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8, S. 382 f.

Weblinks

Commons: Ossi Oswalda – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Quelle: Geburtsurkunde Nr. 8, ausgestellt in Nieder Schönhausen am 18. Februar 1898, Landesarchiv Berlin.
  2. Kay Weniger: „Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …“. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Acabus-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8, S. 382 f. – Die kursierenden späteren Sterbedaten sind falsch, bereits am 21. März 1947 erschien ein kurzer Nachruf auf Oswalda in der deutschsprachigen US-Exilantenzeitschrift Aufbau
  3. Dies betrifft Der G.m.b.H.-Tenor, Der Rodelkavalier, Die Wohnungsnot, Leutnant auf Befehl (mit Lubitsch als Darsteller), Meine Frau, die Filmschauspielerin und Prinz Sami. Vgl. Verlorene Filme Ernst Lubitschs auf lost-films.eu
  4. Holger Jörg: Die Sagen- und märchenhafte Leinwand. Erzählstoffe, Motive und narrative Strukturen der Volksprosa im „klassischen“ deutschen Stummfilm (1910–1930). (Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 1994) Pro-Universitate-Verlag, Sinzheim 1994, ISBN 3-930747-11-1, S. 143.
  5. Ossi Oswalda in der Datenbank von Find a Grave. Abgerufen am 10. April 2017 (englisch).
  6. Gerhard Lamprecht: Deutsche Stummfilme 1915–1916. Deutsche Kinemathek e.V., Berlin 1969, S. 395.
  7. Georg Popper: Wenn vier dasselbe tun. In: Hamburger Theater-Zeitung ZDB-ID 291019-6, Nr. 4 vom 28. Juli 1920.
  8. a b Thomas Koebner: Ossi Oswalda (1897–1948). Die unbeherrschte Göre. In: Thomas Koebner, Fabienne Liptay (Hrsg.): Komödiantinnen. 2006, S. 122.
  9. Thomas Koebner: Ossi Oswalda (1897–1948). Die unbeherrschte Göre. In: Thomas Koebner, Fabienne Liptay (Hrsg.): Komödiantinnen. 2006, S. 123.
  10. Gabriele Jatho, Rainer Rother (Hrsg.): City Girls. Frauenbilder im Stummfilm. Bertz + Fischer, Berlin 2007, ISBN 978-3-86505-177-6, S. 7.
  11. Béla Balázs: Schriften zum Film. Band 1: Der sichtbare Mensch. Kritiken und Aufsätze von 1922–1926. Hanser u. a., München u. a. 1982, ISBN 3-446-12870-0, S. 211.
  12. Frank: Ich möchte kein Mann sein. In: Film-Kurier, Nr. 96 vom 8. Mai 1920.
  13. Vgl. Biografie von Ossi Oswalda bei filmportal.de